Strafsen halber, ein so schwieriger und langsamer, dafs nur in sehr geringem
Maafse von dieser Seite her eine Aushülfe gewährt wurde. Gerste
und Waizen hatten einen so hohen Preis erreicht, dafs man für den Bat-
man zwei Gran oder beinahe zwanzig Silbergroschen forderte, und eine
gleiche Quantität Reis mit drei Gran oder beinahe einem Thaler bezahlte.
Die Armen wankten elend und matt durch die Strafsen, flehten die Vorübergehenden
um Erbarmen an, warfen vorüberreitenden Europäern es
mit bittenden Worten vor, dafs sie dem Schah nicht die Lage der Ar-
muth schilderten, und fielen nicht selten vor Hunger auf dem Boden der
Strafse nieder. Es war das einer der fürchterlichsten Zustände, in welchen
ich während meines Lebens für Alles gefürchtet habe, einer jener
Zustände, in welchen die düstere Gegenwart um so grauenhafter erscheint,
als sie nach einfachen menschlichen Berechnungen mit unvermeidlicher Noth-
wendigkeit eine entsetzliche Zukunft voraussagt.
XVI. Kapitel.
Der Mona t Mä rz i n Tehe r an.
Am 1. März, eine Stunde vor Sonnenuntergang, wie gewöhnlich, kehrte
der Schah von seinen Jagdausflügen zurück und' mufste billigefweise nicht
wenig erstaunt sein, als er am äufseren Ar/c-Thore eine tobende Menschenmasse
erblickte, welche ihm den Eingang in das Thor und in die Haupt-
strafse der Borg zu versperren schien. Vier oder fünftausend'Weiber hatten
sich zusammengerottet, als Zeichen der Trauer Erde auf den Kopf
gelegt, den Schleier zurückgeschlagen, und waren bereit dem Schah Dinge
zu sagen, die ihm voraussichtlich nicht angenehm sein mufsten. Als der
„Mittelpunkt des Weltalls“ mit seinem Gefolge in den Haufen eindrang,
um zum Thore zu gelangen, fingen die Frauen unter einem furchtbaren
Geheule an, die Ferraschen des Kaisers, welche die Weiberwelt aus einander
zu treiben versuchten, mit Steinen zu werfen, so dafs sich dieselben
vor dem wüthenden Volke schleunigst in Sicherheit zurückziehen
mufsten. Einzelne Weiber traten sogar an den Schah heran, hielten sein
Pferd an den Zügeln, stellten ihm die allgemeine Noth dar, indem sie ihm
die schlechten Hülsenfrüchte zeigten, welche sie gezwungen würden, an
Stelle des Brotes als Speise zu backen. Der Schah versprach Abhülfe
und ritt endlich ruhig und unangetastet mitten durch den aufgeregten Weiberhaufen
nach der Burg.
Schlimmer erging es dem Kriegsminister, welcher das Unglück hatte,
diesem Weiberhaufen auf der Strafse zu begegnen. Sie rissen den Mann
vom Pferde, warfen ihm vör, er sei ja auch einer der Wezire, welche
ihre gefüllten Kornspeicher schlössen, um den Preis des Brotes immer
mehr zu steigern, und schlugen ihm zuletzt ins Gesicht. Die Frauenwelt,
aufgeregt, wüthend und in Verzweiflung, hatte, wie man sieht, die Sache
in die Hand genommen und bildeten den handelnden, thatkräftigen Theil
der Bevölkerung, während die Mollahs und Seßds, welche in den Moscheen
in ihre religiösen Vorträge manches Gift einftiefsen liefsen, den stummen,
aber nichts desto weniger als den sehr energischen Hintergrund der unzufriedenen
Bevölkerung angesehen werden mufsten. Das Volk rottete
sich abtheilungsweise am Abend dieses Tages auf Strafsen und Plätzen zusammen,
bewegte sich hin und her, ohne dafs man sein Vorhaben ahnen
konnte. Wunderbar blieb e s , dafs der Respect vor dem fremden Eigenthum
sie abhielt, weder die Getreidemagaziüe zu stürmen, noch die Bäckerläden
zu öffnen und zu berauben.
Am folgenden Tage hatte die Aufregung zugenommen und die ge-
sammte Bevölkerung, aus Weibern, Mollahs und Lutis bestehend, zog gegen
Mittag nach der Burg. Die Ferraschen der Regierung versuchten vergebens,
das schreiende und mit Steinen werfende Volk aus einander zu treiben.
Auf dein Grünplatz wurden die Diener des Schah vollständig zurückgeschlagen
und das Volk "stürzte durch das Thor und die Thorstrafsen auf
den grofsen Platz im Innern der kaiserlichen Burg. Gegen zwei Uhr war
hier im Palast des Schah ein gröfser Diwan oder Conseil, bei welchem der
Schah zu präsidiren beabsichtigte, angesagt worden, um den Urheber der
Theuerung herauszufinden und Mafsregeln gegen die zunehmende Noth zu
treffen. Der zum Diwan gehende Kelanter oder .Polizeiminister von Teheran,
der alte Mahmud-Khan, wurde auf seinem Gange dorthin von den
Weibern bespieen, geohrfeigt und mit Steinen geworfen. Mit Thränen in
den Augen erzählte er einem französischen Capitain, welcher ihm bei sei