468 Aschräf — Sari - Balfurusch
Daselbst wird der Caviar in grofsen Massen aus Fischen gewonnen, die
die Turkmanen trotz aller Monopole fangen und hier verkaufen. Der Fang
ist an russische Kaufleute verpachtet und darf nur nach Astrachan und
Constantinopel versendet werden. — Nach einem Tage Aufenthalt auf dieser
Insel begab ich mich zu den zwei Stationsschiffen am Meeresufer zu-
lück und setzte bald darauf meine Weiterreise allein fort, da ich meine
Absicht, mit dem Dampfschiffe das Meer nach Rescht zu durchkreuzen,
nicht ausführen konnte, indem die Fahrten der neu eonstituirten Gesellschaft
Neptun und Kaukasus von Moskau (resp. Twer) über die Wolga ins
Kaspische Meer bis zum persischen Gestade noch nicht geregelt sind. Vom
Meere aus zeigt sich das Ufer ganz dicht bewaldet, mit den hinter den
Mittelgebirgen emporsteigenden schneebedeckten Hochgebirgen und in wei-
tei Ferne das eisgraue Haupt des ehrwürdigen DemawencL in einer pittoresken
Fernsicht. Das Meer ist auf eine weite Strecke nur zwei bis drei
Fufs tief und daher für die Wachtschiffe zur Verfolgung der Turkmanen
sehr ungünstig. Diese schleichen des Nachts auf Canöts heran, lassen dieselben
in den kleinen Buchten des Ufers zurück und steigen ans Land, wo
sie sich bei Tage in dem zwei Klafter hohen Schilfe verbergen und dann
bei nächtlicher Zeit über ihre Beute herfallen. Bei einer stechenden Hitze
ritt ich Mittags längs des Meeresufers durch stinkendes Schilf, unter Millionen
von Insecten, und mufste dabei rechts und links vor Ueberfällen
auf der Hut sein, da hier die gefährlichste Stelle war.
Nach sechsstündigem Bitte gelangte ich, von der Hitze fast gebraten,
in Ackräf an, konnte aber vor Kopfschmerzen nur noch mein Lager suchen,
ohne einen Bissen zu essen.
In Sari angekommen, mufste ich mich sechs Meilen links nach Balfurusch
wenden, einer Stadt, die ein wichtiger Handelsplatz Rufslands ist
und drei Meilen von der am Kaspischen Meere gelegenen Hafenstadt Mesch-
hed-i-Ser gelegen ist. Der Weg ging in der Ebene durch Sümpfe und
Wälder, in denen ich sehr grofse Schildkröten traf, nach Balfurüschr das
eine äufserst reinliche, mit Gärten und Hecken umschlossene Stadt ist;
Wohlstand und Thätigkeit, grofse gefüllte Holzbazare, breite Strafsen und
nette Häuser mit Ziegeldächern überraschen den Reisenden. In einem
Garten einquartirt, befand ich mich sehr wohl, und meine Feldküche ver-
proviantirend, restaurirte ich mich ein Paar Tage, da meine Mission erfüllt
war. Das Wasser ist hier nur aus Ziehbrunnen zu heben und hat
einen unangenehmen Beigeschmack von Salz. Auch hier befindet sich neben
einer sehr thätigen Fabrik für persischen Zucker ein ehemaliges prachtvolles
Residenzschlofs von Schah Abbas, von einem grofsen ganz versumpften
Teiche umgeben. Da ich einerseits nicht mehr denselben Weg zurücklegen
wollte, andererseits aber von der Existenz eines freilich sehr schlechten,
nur im Sommer betretenen, aber um zwei Tage kürzeren Weges über
Amul nach Teheran Nachricht erhielt, man mir aber verschiedene sich
widersprechende Aufschlüsse über dessen Gangbarkeit gab, so frug ich den
Hakim um bestimmte Auskunft, der mir sagte, dais ich ohne Hindernifs
den letzteren einschlagen könnte, was sich aber leider zu spät als eine
grofse persische Lüge herausstellte. Ich accordirte mit einem Maulthier-
treiber und reiste ab. Den ersten Tag durch Felder, Wiesen, Sümpfe
und Wälder reitend kam ich in immer unwirthbarere Gegenden am Fufse
des Gebirges an, wo der Weg wohl schmal aber doch gangbar und fest
sich emporschlängelte. Am zweiten Tage nahm die Oultur ganz ab, die
Gegend wurde wilder, die Schluchten häufiger,. bis wir endlich an einem
echten Gemssteig anlangten, wo die Treiber, die übrigens diesen Weg
schon öfters gemacht hatten, besondere Vorsicht empfahlen; denn der
Steig führte an immer tieferen und finsteren Abgründen vorbei, wo jeder
falsche Schritt unrettbar den Tod zur Folge hatte. Die Thiere, sanft und
vorsichtig, witterten die Gefahr. Endlich auf einem breiteren Punkte angelangt,
hiefs es abpacken, da wir eine sehr enge Stelle zu passiren hatten,
wo die bepackten Mäulthiere ohne Gefahr des Herabstürzens nicht
mehr gehen konnten. Ich recognoscirte voran und sah einen kurzen aber
nur einen Fufs breiten Steig mit einer offenen Felskluft ohne Brücke,
die wir zu übersetzen hatten, so dafs mich ein unbeschreibliches Grausen
befiel. An der senkrechten Felswand waren an einem eisernen Ringe zu
einem Seil gewundene Rebenwurzeln angebunden, an dem man sich haltend
sich hinüberschwingen mufste;- an dieses wurden auch die Waaren-
ballen gebunden und auf den entgegengesetzten Punkt geschleudert, wo sie
der andere Treiber in Empfang nahm. Nun wurden die eingeschüchterten
Thiere hinübergesprengt und wir folgten, uns am Seile krampfhaft festhaltend,
mit geschlossenen Augen nach. Gott im Stillen dankend, setzten wir,
nachdem wir aufgepackt hatten, den etwas breiter werdenden Weg wieder
fort und übernachteten in einer Hütte. Am dritten Tage frühmorgens aufbrechend,
kam ich über brausende Wildbäche steil abwärts zu einem an