warf er sich auf das Bett, voller Erstaunen, eine leere Papierdüte auf
demselben zu finden, deckte sich bis über den Kopf zu und sank sehr
bald in festen Schlaf. Es dauerte gar nicht lange, als er wie besessen
von seinem Lager emporsprang, Licht anzündete, um nach der Ursache
einer prickelnden Empfindung zu forschen, die sich von allen Seiten auf
seinem Körper fühlbar machte und ihn so plötzlich aus Morpheus Armen
herausgerissen hatte Wer beschreibt seine Bestürzung, als er bei näherer
Untersuchung das corpus delicti in Gestalt langbeiniger runder Wanzeu
entdeckt, welche das ganze Bett bevölkert und offenbar die besten Absichten
auf sein süfses Frankenblut hatten. Wie toll schrie er nach dem
Diener, der in keiner Weise über die Anwesenheit der lieben Thierchen
erstaunt schien und sich allein nicht erklären konnte, weshalb denn sein
Herr den Wanzen eine so unbeschränkte Freiheit gegeben hätte. Das Mifs-
verständnifs löste sich von beiden Seiten bald genug auf, mit dem Schlaf
war es aber vorbei und der erboste Offizier leistete im Angesicht des
Sternenhimmels den heiligen Schwur, nie mehr eine Nacht in Mianeh zuzubringen.
Wir hatten das Glück, freilich in Folge der unfreiwilligen Illumination,
eine prachtvolle Nacht zu durchsbhlafen, ohne im mindesten von einem
Wanzenbesuche belästigt zu sein. In aller Frühe ritten wir darauf der nahen
russischen Grenze entgegen in Begleitung eines männlich aussehenden,
russenfreundlichen Und von Türkenhafs erfüllten Bewohners von Marand,
welchen uns der Gouverneurs als Begleitung mit auf den Weg gegeben
hatte. Der anfangs von Regenwolken umzogene Himmel klärte sich zuletzt
vollständig auf, doch war die Luft so kalt, dafs wir uns beinahe in
die winterlichste Jahreszeit versetzt glaubten. Der breite, jedoch unendlich
steinige Weg führte sehr bald in eine Berglandschaft hinein, die aus
einem sonderbaren Wirrsal grünlich und röthlieh gefärbter Felsenmassen
bestand. Hinter derselben breitete sich ein hohes Plateau aus, durch dessen
Mitte sich die Karawanenstrafse hinzieht, und auf welchem man die
Aussicht nach manchen Dörfern am Abhange der Gebirge ziemlich lange
geniefst. Unser Menzil an diesem Tage, d. 18. April, das traurige Dorf
Eirandebil, liegt am Fufse einer langen steilen Bergkette in östlicher Richtung
und wird von dem malerisch auf der Felsenhöhe gelegenen Dorfe
Härzän beherrscht. Wir bezogen die unteren Gemächer des neugebauten
Posthauses und sahen von dem Dache desselben eine Menge beladener
Kameele, — die einzigen Zeichen des Verkehrs, — welche mit Säcken
und Paqueten belastet waren und vom Aras herkamen.
Von Marand bis Dschulfa sind es zehn volle Fersach. Wir hatten bis
hierher fünf davon zurückgelegt, fünf blieben uns noch für den folgenden
Tag übrig, den letzten, den wir auf persischem Boden verleben sollten.
In aller Frühe brach die Karawane, in Begleitung unseres persischen Mehr
mendäAs und des Schutzreisigen von Marand wie gewöhnlich vor uns auf
und wir folgten ihr eine Stunde später , und zum letzten Male im persischen
Couriergalopp.
Von dem oben beschriebenen Plateau aus führt der aufwärts steigende,
mit grofsen und kleinen Steinen reichlichst besäete Weg durch eine
enge wilde Felsenschlucht, die von steilen und zackigen Bergwänden auf
beiden Seiten eingeschlossen ist, durch welche sich zwischen isolirt liegenden
Felsenstücken hindurch und über Steingeröll hinweg ein wasserreicher
Bach hindurchdrängt. Die aufgestaute Wassermasse ist an einzelnen
Stellen zur Anlage von Mühlen benutzt worden, die aus Feldsteinen
roh aufgeführt sind., wie Schwalbennester an den Felsen angeklebt sind
und die natürlichen Höhlungen desselben zum Theil ausfüllen. Die freie
Aussicht, welche sich hinter der beschriebenen Felsenschlucht mit einem
Male öffnet, gewährt ein herrliches Panorama über die Berglandschaft auf
russischem Gebiete jenseits des Aras. Wir erkannten deutlich die im
Schneeglanze leuchtenden Berge von Nachitschewan und den davor liegenden
dunkeln „Schlangenberg“, der sich wie eine scharf geschnittene Silhouette.
präsentirte, jedoch bei unserem Weiterritt durch einen anderen vorliegenden
Felsenkegel bei Dschulfa. beinahe, vollständig unsichtbar wurde.
Im langen Galopp durchmafsen wir den letzten Theil des Weges über ein
niedriges, mit Salzkruste bedecktes Hügelland hinweg nach der fruchtbaren
Ebene am Ufer des wie Silber glänzenden Aras hin. Endlich lag der
Flufs vor uns da, wir erblickten das Haus des russischen Douaniers, erkannten
deutlich die soldatischen Gestalten der herbeieilenden Kosaken
und begrüfsten mit freudigem Herzschlage die gastliche Erde des „heiligen
Rufslands.“ Ohne uns länger in der elenden persischen Karawanserai aufzuhalten,
auf-'der persischen Seite des Flusses, setzten wir mit Hülfe der
persischen Fähre über das rauschende Gebirgswasser und betraten mit unserer
persischen Begleitung das Haus und die Wohnung des hier statio-
nirten russischen Beamten, dem wir unsere Legitimationspapiere über-
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