Am folgenden Tage empfängt der Schah gegen 11 Uhr das Personal
der europäischen Gesandtschaften, hört ihre Glückwünsche an und sendet
einer jeden in einem verschlossenen und versiegelten Beutel die übliche
Nauruz-G&be in Gestalt der neu geschlagenen Münzen, im Betrage von
50 Dukaten, welche von Silber und so dünn sind, dafs man sie mit grofser
Leichtigkeit nach allen Richtungen hin biegen und brechen kann. Die
Prägung hat auf den meisten gar keine Spur oder doch nur sehr schwache
zurückgelassen. Um 12 Uhr findet der eigentliche grofse Seläm Statt.
Der Schah weilt in dem Hauptsaale seines Palastes, welcher nach
einem der gröfseren Höfe in der Burg hinausgeht. Die gewaltigen Fenster
desselben sind in die Höhe gezogen, uud die auf dem Hofe versammelte
Menge, aus den höheren Offizieren, Beamten, Mollahs etc. bestehend, hat
die Genugthuung, den „Mittelpunkt des Weltalls“ in der gröfsten Pracht
und Herrlichkeit zu schauen. Der Kaiser sitzt auf dem sogenannten Marmorthron
und seine Person scheint ein Meer von Lichtstrahlen zu sein,
die von den kostbarsten Edelsteinen an seiner Kleidung und seiner Krone
ausgeheu. Er ist umgeben von den ersten Würdenträgern seines Reiches,
welche die Attribute der iranischen Kaisermacht zur Schau tragen. Er
raucht aus dem kostbaren, mit Diamanten besetzten Staats-Kaliün (Wasserpfeife)
une bei jeder Bewegung seines Armes sprühen der Kuh-i-nur oder
„Berg des Lichts“ und der Deija-i-nur oder „Meer des Lichts“, die gröfsten
Diamanten des persischen Staatsschatzes, in den Armbändern an den
Oberarmen des Schah ihr weithin strahlendes Licht aus. Hie Menge ist
schweigsam Angesichts des ungewöhnlichen Glanzes. Inzwischen hat sich
ein Poet dem „Mittelpunkt des Weltalls“ genähert und erfüllt seine Pflicht
als erster Dichterkönig, als „Sonne der Dichter“, wie die Perser sagen,
indem er eine persische Kassideh zum Lobe des Schah mit lauter Stimme
reeitirt, in welcher der Gebieter Irans in den überschwänglichsten Ausdrücken
bis zum Himmel erhoben wird. Da ist er der König aller Könige,
der Gebieter der Meere, der Ueberwinder sämmtlicher Feinde, der, welchem
die anderen Könige nur zitternd zu nahen wagen, ja , seine Macht,
so meint der Dichter nämlich, erstreckt, sich bis zu dem Planetenraume
hin. Dem ersten Dichter folgt bisweilen ein zweiter und ein dritter, welche'
in anderer Form das bereits Gesagte wiederholen, versteht sich in
noch erhabeneren Ausdrücken und Bildern. Nach diesem poetischen Wettkampfe
tritt der erste Minister, natürlich nur in der ceremoniellen Hofuni