düngen einen passenden Ausdruck zu geben, nicht ganz mit Stillschweigen
übergehen.
Mein erster Ausflug galt dem altrussischen Kreml. Die asiatischen
Städte haben ihre A rk , die russischen ihre Kreml, d. h. Akropolen. Der
Moskowiter hat vor allen geschichtlichen Ruf und Bedeutung bis auf die
napoleonische Zeit hin geerbt. Was hat der Kreml nicht alles gesehen
und miterleben müssen? Gleich beim Eingang in das „heilige Thor“ der
gewaltigen, mit hohen Zinnen geschmückten Steinmauer, welche den Kreml
im grofsen Viereck umgiebt, trat mir in altüberlieferter Sitte und Brauch
eine historische Erinnerung aus der Zeit der Kriege mit den Tataren entgegen.
Jedermann, der durch das Thor aus oder ein geht, ist verpflichtet
seine Kopfbedeckung abzunehmen. Angeblich soll das Heiligenbild über
der Pforte die Angreifenden damals mit Blindheit geschlagen haben, also,
dafs sie den Eingang in den Kreml nicht zu linden vermochten. Wer den
Hut nicht abzieht, und wie leicht kann dies einem Fremden passiren,
wiid von der Wache angehalten, hübsch höflich zu sein. Wer es von
den Russen versäumt, soll vierzig Kniebeugungen vor dem Wunderbilde
machen müssen. Im Innern der hoch gelegenen Burg ist Altes und Neues
in den Bauten und Anlagen vereinigt. Aeufserer Glanz und die Masse bildet
den Grundcharakter der meisten Sehenswürdigkeiten. Die Hunderte riesi-
gei Feuerrohre, darunter viele französische Beutekanonen und Kugelhaufen,
welche an einer Seite der Gebäude vielleicht zu symmetrisch aufgestellt
sind, jagen einem friedlichen Wanderer Angst und Schrecken ein und man
flüchtet sich gern unter die Riesenglocke in einer Ecke, am Fufse des
grofsen Iwan-Thurmes, welche die Kleinigkeit von 400,000 Pfund wiegt
und einer ganzen Familie bequemes Obdach gewähren kann. Als Thor
dient ein Sprung in so riesigem Maafsstab wie die ganze Glocke selber'.
Am Fufse des Kreml und einer Promenade davor fliefst die mit Flofs-
h°lz bedeckte Moskwa dahin. Die Aussicht von der Terrasse dicht am
kaiserlichen Schlosse über die thurmreiche Stadt hin ist ganz eigener Art.
Man weifs sich in der Kirchenstadt und begreift da erst vollkommen die
Andachtsgefühle der russischen Pilger.
Ein Ausflug nach dem äuisern Ringe der Stadt in einer Droschke, deren
Kutscher gegen Fremde gerade ebenso unverschämt sind wie bei uns,
führte mich nach dem Diwitscki-Monastir., einer Klosterkirche mit alter kastellartiger
Umgebung. Die Aussicht von hier aus in das Freie lohnt die
kleine Reise bis zum genannten Kloster. Ungemein lieblich ist von da aus
der Anblick des ansteigenden dunkelgrünen Waldhügels, welcher Moskau
halbmondförmig umgiebt. Auf dem Wege dahin, durch einen grofsen Theil
der Stadt, bemerkte ich den ausgeprägten Sinn der russischen Häuser-Archi-
tektur für Propyläen-Bau. -Eine genauere Prüfung des Kirchenstyles brachte
keinen erfreulichen und erhebenden Eindruck in mir hervor. Weder ruhigklar,
noch kühn-emporstrebend, erscheint der Kirchenstyl in den schnecken-
haft gewundenen Blasenkuppeln gedrückt, geprefst, an dem Boden haftend,
nicht himmelan strebend. Farben und Schnörkel verwirren und stören, anstatt
das Auge zu beruhigen; die innere Stimmung wird nicht zum Feierlichen
erhoben, sondern pagodenartig zurückgeschreckt. Die Wandbilder
sind dagegen recht wacker ausgeführt und leiden vielleicht nur an zu reicher
Composition. Moskau ist nebenbei eine Stadt der Kaufleute. Der rege
Handel geht in grofsen und kleinen Bazaren und Boutiken vor sich. Das
deutsche Element ist in Sprache überwiegend vorherrschend, das französische
macht sich wenigstens in den Aufschriften der Ladenschilder breit.
Die Bekanntschaft unseres vortrefflichen preufsischen Consuls Herrn
R o s e n s t r a u c h verschaffte mir, neben den materiellen Genüssen bei dem
vielgerühmten und vielbesuchten Chevalier, die Gelegenheit den moskowiter
Vauxhall Petromsk genauer kennen zu lernen. Eine Art von Triumphbogenthor,
mit einer Schwester der Berliner Victoria in dem Siegeswagen
oben da rauf,. führt nach einer breiten Chaussée, an welcher der reizende
Park mit seinen Villen (darunter auch das kaiserliche Lustschlofs), Restaurants,
Sommertheater u. s. w. gelegen ist. Die Haute-volée behauptet hierin
das Feld. Der Luxus. ist beinahe unbeschreiblich und kann einen armen
Teufel bis zur Verzweiflung hin blenden. Sonderbar ist das Bediententhum.
Der hinter der Herrschaft einhergehende Diener zeichnet sich durch
eine vertrakte, vom Wodkadunst überhauchte Physiognomie aus. Der Hut
steht etwas schräg, keck herausfordernd, auf dem Kopfe; ein grofser
grauer Mantel mit roth gestreiftem Falténkragen verhüllt die übrige Gestalt.
Ist der Mann Militairdiener, so schmückt ihn ein spiegelblanker Messinghelm
, wie ihn etwa die französischen Pompiers zu tragen pflegen.
Am 1. Juni,, Mittag 12| Uhr, verliefs ich Moskau, nach Erlegung von
neunzehn Rubel Fahrgeld, mit der Eisenbahn. Auf dem sehr geräumigen
Bahnh'ofe war Alles uniformirt, die Beamten sprachen neben dem Russischen
meist deutsch oder französisch. Die breiten und bequemen Coupeé’s
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