zitternder Hand sein Glas nach dem Tiger, welchen die stete Bewegung
des Kastens immer unruhiger machte, so dafs er zuletzt nicht abgeneigt
schien, auf Photographen und Kasten mit einem Satze loszugehen. Trotz
aller Wendungen und Drohungen kam natürlich kein Bild zu Stande. Der
Schah, unwillig darüber, machte dem Photographen Vorwürfe, dafs er
seine Kunst so schlecht verstände und liefs, als er kaum gehört hatte,
dafs die wilde Bestie und ihre Beweglichkeit dem europäischen Schwarzkünstler
allen Muth beraube, sofort den Tiger bei Seite bringen und als
minder furchtbaren Gegenstand zur Photographie eine — Henne herbeiholen,
um diese abconterfeien zu lassen. Als auch das Abbild eines so
ungefährlichen Thieres nicht recht gelingen wollte, war Se. Majestät ganz
aufser sich, und schien gar nicht zu begreifen, wozu eigentlich die Photographie
nütze.
X III. Kapitel.
D e r J a n u a r 1 861 i n T e h e r a n .
Den Uebergang des alten zum neuen Jahre feierten wir von 9 Uhr
Abends bis 2 Uhr früh wehmüthig und ausgelassen fröhlich zugleich in
Gesellschaft unserer lieben Teheraner Hausfreunde. Das J e s s e n s ’sehe Ehepaar,
der österreichische Offizier Hr. v. Gas t e i g e r , der gegenwärtig russische
Staatsrath in Tiflis Hr. G r a f , und die beiden französischen Freunde
T h o lo z a n und Q u e r ry bildeten mit dem Personal unserer Gesandtschaft
um einen Tisch mit Kuchen, Punsch, italienischen Salat und Champagner
den fröhlichen Zirkel, welcher fern von Europa die alte Sylvesterfeier in
Gemeinschaft verleben wollte. Es gab Toaste über Toaste, unsere Hei-
math, unser Königshaus, unsere Familien, Alles was wir lieben! mufste
leben, und deutsche Lieder wurden gesungen, dafs sich männiglieh die
Kehle rauh schrie und unsere französischen Freunde zu den unverstandenen
deutschen Tönen die sonderbarsten < Gesichter zu schneiden anfingen.
Selbst eine Maskerade fehlte nicht. Unser hochpoetischer Freund J e s s e n
hatte aus bemaltem Papier und Baumwolle die Maske eines Alten zurechtgearbeitet
— denn eine Maskengarderobe giebt’s in Teheran nicht und
so begrüfste er uns, einige Minuten vor zwölf Uhr Mitternacht, als Gott
Chronos drapirt, mit einer hübschen halb ernsten, halb komischen deutschen
Ansprache in poetischer Form. Aber auch unsere französischen
Freunde sollten nicht leer ausgehen, da ihnen ein französich gesprochener
Vers geweiht war, den ihnen deutsche herzliche Freundschaft mit folgenden
Worten darbrachte:
' „Commé M.M. Querry et Tholozan
Ne comprennent pas un mot d’allemand,
Je leur prédis pour tout potage
Qu’ils n’en sauront jamais davantage.
Du reste ce sont deux braves gens,
Qui ont le coeur tout-à-fait allemand. a
Nous les aimons en frères germains,
Quoiqu’ils vivent au-delà du Rhin.“
Der poetische Gott Chronos im schwarzen Frack hatte uns über alle
Maafsen durch seine hoffnungsreichen Blicke in die Zukunft befriedigt und
wir empfingen darum Schlag 12 Uhr sein Geschenk, das neue J a h r, nach
russischer Sitte in Begleitung von Salz und Brot, mit nicht geringer Ge-
nugthuung. Mit den Worten:
„Und zum Beweis, ihr lieben Leute,
Dafs, was ich euch versprochen, wahr,
Schenk’ ich zum Schutz euch und Geleite
Mein jüngstes Kind, das neue Jahr.
Da kommt cs eben!.—’ so empfehle
Ich euch noch Alle seiner Pfleg’,
Wünsch’ euch viel Glück und Heil, und stehle
Mich wieder ganz bescheiden weg.
Empfängt nur noch zum Angebinde
Dies Salz und Brot von meinem Kinde,
Und theilet euch hübsch christlich drein
Ohne zu zanken und zu schrei’n.“
empfahl er sich bis zum nächsten Jahre, das wir nicht mehr in Teheran,
sondern, wie es auch geschehen .ist, im lieben Vaterlande zu feiern hofften.
Den ganzen Neujahrstag über nahmen die üblichen gesandtschaftlichen