den verschiedenen Personen in nicht weniger als sechs Sprachen geführt
wurde, nämlich armenisch, persisch, türkisch, indisch, russisch und englisch,
berührte lustige und ernste Dinge, wie sie eben der Zufall des Gesprächs
nach einem ebenso reichen als wohlschmeckenden Diner in den
Mund legt. Es wurde unter anderem angeführt, dafs in einem uncivili-
sirten Lande Sitten und Gewohnheiten der Bewohner ansteckend auf den
Europäer wirkten, und im Stande wären, Handlungen begehen zu lassen,
die, obwohl landesüblich, in Europa sicher verabscheut, vielleicht gar als
Verbrechen bezeichnet würden. Folgende erbauliche Geschichte wurde als
Beleg dieser Behauptung angeführt.
Bekanntlich haben die Perser eine gewisse Meisterschaft von jeher
entwickelt, — schon das Alterthum ist reich an Beispielen, — den Leuten
bei kleinen Vergehen die-Ohren vom Kopf abzuschneiden, und noch in
der Gegenwart ist das Ohrenabschneiden ein so beliebtes Strafmittel,
dafs man beinahe jeden Tag in den gröfseren Städten von einer Ohren-
Exeeution hört. Vor zwölf Jahren wurde ein Europäer, H e rrN . N., Beamter
<vr europäischen Gesandtschaft, in wichtigen Regierungsangelegen-
heitem von Hamadan nach der Stadt Kirmanschahdn (gewöhnlich Kirman-
schai genannt)^ auf der grofsen Karawanenstrafse von Teheran nach Bagh-
däd, gesendet und ihm die schleunigste Eile anempfohlen. Mit einem
Courierpafs versehen gallopirte er auf den persischen Postgäulen von
Tschaparkhaneh zu Tsckaparkhaneh, und erhielt, wie sich erwarten liefs,
in jeder Poststation ein frisches Pferd zur Weiterreise. Nur auf e in e r
Station verweigerte der Tschapartschi hartnäckigst ein Pferd, unter dem
scheinbar sehr triftigen Vorwande, dafs keins vorhanden sei. Der europäische
Courier drohte dem Postmeister anfangs mit Worten, zuletzt mit
dem Versprechen ihm die Ohren abzuschneiden. Der Andere zögerte immer
noch. Herr N. N. erfafste sein Messer mit der einen Hand, mit der
ändern das Ohr des Persers und säbelte ihm dasselbe vom Kopf ab, so
kunstgerecht, als sei er ein persischer Mir-kesdb gewesen,' und — erhielt
darauf ein Pferd. Der Einohrige verklagte den Europäer beim Schah,
worauf ein salomonisches Urtheil erfolgte. Nachdem nämlich Hr. N. seine
Handlung dadurch gerechtfertigt hatte, dafs der Tschapartschi ihm ja ein
Pferd gestellt hätte, und das Ohrabschneiden folglich das einzige Mittel zur
Erreichung seiner Reisezwecke gewesen, sei, gab der Schah ihm vollkommen
Recht und liefs dem Tschapartschi als Strafe sofort das zweite Ohr
absäbeln. Die betreffende Regierung des Hrn. N. entschädigte den armen
Bigusch (Ohneohr) durch ein angemessenes Schmerzensgeld.
Ernster Natur war eine Nachricht, welche über Teheran nach lsfahan
gekommen war, die Hiobspost nämlich, dafs das ganze persische Heer,
welches man gegen die Turkomanen geschickt hatte, von den letzteren
in der Nähe von Meschlied geschlagen, das Lager geplündert, die Waffen
geraubt, und der gröfste Theil der Soldaten, bis zu den Offizieien hin,
zu Kriegsgefangenen gemacht worden seien. Weiter wurde erzählt, dafs
in Teheran eine Hungersnoth bevorstehe und dafs bereits das Brot eine
enorme Höhe im Preise erreicht habe. Das waren keine günstigen Aussichten,
die sich für uns bei dem Gedanken an die Rückkehr nach Teheran
eröffneten, und der Erfolg hat gelehrt, dafs alle unsere Ahnungen noch
in weit schlimmerer Weise, als wir anfangs, befürchtet hatten, in Erfüllung
gehen sollten.
Der gute Erzbischof hörte nicht auf uns in der liebenswürdigsten
Weise mit Aufmerksamkeiten zu überschütten, und jedem von uns als einziges
Zeichen von Dankbarkeit die Pflicht aufzuerlegen sein tägli ' Gast
zu sein. Die armenischen Diener seines Hauses überbrachten uns v. Zeit
zu Zeit mächtige Flaschen rothen und weifsen Weines aus den erzbischöflichen
Kellern im Kloster, Arak, Zuckerwerk und dergleichen als Geschenke
ihres Herrn, und stellten wir uns anstandshalber und aus Zartgefühl,
eine so herzlich angebotene Gastfreundschaft zu mifsbrauchen, nicht
rechtzeitig zum Frühstück ein, so konnten wir sicher sein, dafs der verehrungswürdige
Greis mit seinen Priestern in eigener Person erschien, um
uns zum verspäteten Mahle abzuholen.
Flossen somit die Stunden unseres Aufenthaltes in lsfahan wie Minuten
in der Nähe des würdigen Khälifen hin, so überschlich uns dennoch eine
ängstliche Bangigkeit, als weder d e r1 so pünktliche Minister-Resident und
seine Begleiter, noch irgend welche Nachricht von ihm, die uns über den
Grund des längeren Ausbleibens beruhigte, eintrafen. Der angesetzte äufser-
ste Termin der Rückkehr war schon verflossen, wir weilten bereits länger
als eine Woche im Hause des Khalifen, kein Vorwand zur Erklärung
eines so unbegreiflichen Mangels jeder Nachricht reichte hin uns zu beruhigen.
Da — es war gegen Abend des 14. Novembers — kam mir ein
Diener unserer Gesandtschaft, der in lsfahan Einkäufe besorgt h atte,1 mit
der niederschlagenden Meldung entgegen, dafs vor wenigen Stunden ein