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 form,  mit  den  unvermeidlichen  rothen  Stiefeln,  hervor,  nähert  sich  de-  
 muthsvoll  der  „Wiege  der  Glückseligkeit“,  verbeugt  sich  nach  persischer  
 Sitte  dreimal  vor  derselben,  wohei  er  die  inneren  Handflächen  nach  den  
 Knien  hin  richtet,  und  hält  nun  in  einer  langem  pomphaften  Rede  einen  
 Vortrag  über  den  Zustand  Irans  im  verflossenen  Jahre.  „Wie  sieht’s  im  
 Lande  aus?“  fragt  der  Schah.  „Ueber  alle  Mafsen  schön!“  antwortet  der  
 •Minister.  —  „Waren  meine  Beamten  ehrlich?“  fragt  er  weiter.  „Wahre  
 Musterenge]! “  lautet  die  Antwort.  —  „Wie  stand’s  mit  der  Ernte?  Ist  
 Brot  da?“  „Die  Kornspeicher  sind  zum  Brechen  voll  und  das  Brot  ist  
 so  billig  wie  nie“  lispelt  der Minister.  —  «Wie  steht’s  mit  dem Frieden?“  
 Antwort:  „Majestät,  die  Feinde  sind  geschlagen,  dafs  auch  nicht  einer  zu  
 mucksen  wagt  und,  Dank  sei  es  der  Gnade  Ew. Majestät,  die  ganze  Welt  
 ist  in  Frieden.“  —  So  und  noch  weiter  lautet  etwa  das  stereotype  Frage-  
 und Antwortspiel,  bei  welchem  nur  das  Eine  unbegreiflich  bleibt,  dafs  der  
 betreffende  höhere  Redner  nicht  vor Scham  in  den  Boden  sinkt,  da  er  gerade  
 das  Gegentheil  von  dem  sagt,  was  er  als  Thatsache- auf  die  Fragen  
 des  Kaisers  zu  erwiedern  hätte.  Der  letztere  spricht  noch  einige  Worte,  
 setzt  dann  das  Kaliun  ab und  giebt  dadurch  das Zeichen,  dafs  der ganze  Se-  
 1dm  zu  Ende  ist.  Die Elephanten  des  Schah,  von  dem  spitzen Sporn  des  auf  
 ihnen  sitzenden  Führers  gestochen,  fallen  auf  die  Knie  nieder  und  stofsen  
 mit  aufgehobenem  Rüssel  wenig  erbauliche  Töne  aus,  obwohl  die  Perser  
 behaupten,  dafs  diese  klugen  Thiere  die  Worte:  Ja  Ali!  „ 0   Ali!“  sehr  
 deutlich  und  vernehmlich  ausspräehen.  Männiglich  verneigt  sich,  der  obligate  
 Kanonenschufs  ertönt  und  das  Schauspiel  ist  zu  Ende. 
 In  den  Bazaren  und Wohnungen  werden  zu Ehren  der Frühlingsnacht-  
 gleiche  die Lichter  angezündet,  bei  den  persischen  Adonisgärtchen  Geböte  
 verrichtet  und  die  Schleusen  aller  möglichen  Freudengenüsse  weit  geöffnet.  
 Ueberall  ist  Ju b e l,  überall  beglückwünscht  man  sich,  und  das  Schenken  
 nimmt  kein  Ende.  Gegen  Abend  erscheint  der  Kaiser  auf  dem  Balcon  
 seines Palastes,  welcher nach  dem grofsen Burgplatz  hinausgeht,  und  schaut  
 den  Volksbelustigungen  zu,  welche  h ie r,  uach  persischer  Sitte,  inmitten  
 einer grofsen Volksmasse  Statt haben.  Die  Pehlewäne  oder Ringer,  die Seiltänzer, 
   die  Zauberer,  die  saubere  Sippschaft  der  Tänzer  u.  s.  w.  geben  
 öffentlich  Schaustellungen,  und  gelegentlich  wirft  der Schah  eine Hand  voll  
 neues Geld  unter  die Menge,  wobei  man  sich  natürlich  in  tollem Ungestüm  
 stöfst  und  drängt,  um  der  silbernen  Schahi  habhaft  zu  werden. 
 Königsgeburtstag. 351 
 Damit  hat  das  öffentliche  Fest  sein Ende  erreicht  und  es  beginnt  nun  
 in  dem  Innern  der  persischen  Familien  die  Feier  des  Tages,  von  der  ich  
 leider  nicht  mitreden  kann,  weil  mich  Niemand  dazu  eingeladen  hatte. 
 Die  beigegebene  Abbildung  ist  auf  das  Genaueste  nach  einer  Photographie  
 wiedergegeben  und  stellt  den  Augenblick  des  grofsen  Seldms  dar,  
 in  welchem  die  „Dichtersonne“  dem  „Mittelpunkt  des Weltalls“  im Namen  
 von  ganz  Iran  die  merkwürdigsten  Schmeicheleien  vorsingt. 
 Das Afawrt/.r-Fest  war  in  diesem  Jahre  einmal  des Ramazdns  und  dann  
 der Theuerung  wegen  sehr  traurig.  Der  öffentliche  feierliche  Saldm,  sonst,  
 wie  man  aus  der  obigen  Schilderung  ersehen  kann,  sehr  merkwürdig,  war  
 sehr  einfach  und  wurde  auf  den  letzten  Ramazdn  angesetzt.  Nach  Landessitte  
 schickte  der  Schah  den  verschiedenen Gesandtschaften  das  übliche  
 JVawnL-Geschenk,  aus  einem  versiegelten Beutel mit neugeschlagenen Scha~  
 Ms  bestehend,  die  ich  sofort,  nach  der vorgeschriebenen Gewohnheit,  den  
 Soldaten  und  Dienern  unserer  Gesandtschaft  zur  Vertheilung  überreichte. 
 Ein  besonders  frohes  Ereignifs,  das  den  glänzenden  Schlufspunkt  unseres. 
  Teheraner  Aufenthaltes  bildete,  war  der  22. März:  die  Feier  des  Geburtstages  
 Seiner  Majestät  unseres  Königs.  Die  Perser  bewiesen  hierbei  
 die  schuldigen  Rücksichten  gegen  den  Monarchen  eines  grofsen  Staates,  
 der  eine  Gesandtschaft  zu  dem  befreundeten  Schahynschah  gesendet  hatte,  
 ln  der  Frühe  des  Tages  füllte  sich  der  Hof  unseres  Hauses  mit  kaiserlichen  
 Ferraschen  an,  auf  den  Köpfen  mächtige  Holzbretter  tragend,  auf  
 denen  als  Zeichen  des  Glückes  und  Segens  zehn  grofse  Zuckerhüte  auf  
 einer  Unzahl  kleiner  Zuckerkügelchen  paradirten.  Dieselben  wurden  auf  
 die  Teppiche der  Zimmer  feierlichst  niedergesetzt  und  als  ein  Geschenk 
 Sr.  Maj.  des Schah  bezeichnet.  Der Minister  des  Auswärtigen  bewies  in 
 ähnlicher Weise  seine  Aufmerksamkeit  gegen  unsern  Königlichen Gebieter,  
 indem  er  Seiner  Gesandtschaft  drei  grofse  Plateaus  mit  Zuckerwerk  aller  
 Art  nebst  einer  schmeichelhaften  Gratulation  übersandte.  Ein  Debir  oder  
 Geheimerath  des  Ministeriums  erschien  bald  darauf  selber,  um  im  Namen  
 des  Schah  die  Glückwünsche  für  das  Wohl  S. M.  des  Königs  von  Preufsen  
 auszndrücken.  Ich  darf wohl  kaum  hinzufügen,  dafs  von  den  europäischen  
 Gesandtschaften  in  der  üblichen  Weise  offizielle  Visiten  und  Gratulationen  
 erfolgten,  wie  es  in Europa  unter  befreundeten Mächten  gang und gäbe ist. 
 Obwohl  unsere  Abreise  vor  der Thür  und  unser  Haus  aller  Mobilien 
 bar  war,  so  hatten  wir  es  dennoch mit  vereinten  Kräften  erreicht,  für