Zeiten des grofsen Schah Abbas zurückführen. Das Posthaus in der Nähe
bildete unser Menzil an diesem Reisetage, d. 29. October. Wir hatten bis
dahin fünf Fersach in sieben Stunden zurückgelegt. Im Hintergrund zog
sich eine malerische Bergkette hin, in einem weiten halbmondförmigen
Bogen, deren Kämme von den Strahlen der Frühsonne mit mattem Roth
übergossen waren. Weit hinter diesem Bergzuge erhoben sich in bläulich
violettem Lichtglanze höhere Felsenmassen, auf deren Gipfeln sich der tiefblaue
^Himmel zu stützen schien. Die Gegend, in welcher das einsame
Posthaus gelegen ist, ist öde und wüst, meilenweit kein Dorf sichtbar, die
Strafse über alles traurig und melancholisch stimmend. In der Tschapar-
khaneh war, wie auf der vorhergehenden Station, Mangel an den nothwen-
digsten Lebensbedürfnissen. Um so dankbarer wurde daher das Peschkesch
des Postmeisters aufgenommen, dem das Jagdglück auf ebener Erde 'und
in den Lüften wohl gewollt hatte. Mit vieler Höflichkeit legte er seine
Beute, aus zwei bereits ausgeschälten Schildkröten und einer wilden Ente
bestehend, auf den Boden nieder. Trotz des gewaltigsten Hungers zog ich
den Entenbraten der Schildkrötenspeise vor und überliefs die letztere den
gaumlustigen persischen Dienern. Nach dem leckern Mahle wurden mit
verdoppelter Heiterkeit Briefe an die Lieben in der Heimath geschrieben
und zuletzt eine Unterhaltung mit dem Postmeister gepflogen, der mir über
die Gegend und ihre Bezeichnung folgende Notizen mittheilte. Zunächst sei
der Aufenthalt nicht recht geheuer, da die Wüstenteufel ihren Spuk vorzugsweise
hier zu treiben pflegten. Als Beweis führte er mir eine Menge
Geschichten an, bei denen er zum Theil Augenzeuge gewesen war, Ge.-'
schichten so graulicher Natur, dafs 'ich schliefslich selber gut Lust bekam,
gegen die Diwe meine Vorsichtsmafsregeln zu ergreifen. Weiter, so führte
er an, habe es hier in alter und in neuer Zeit —- versteht sich mit Ausnahme
der Bewohner des Posthauses — nie an Spitzbuben gefehlt, welche
sich des Ortes Einsamkeit zu Nutze machten und den Karawanen gern
auflauerten. Eine traurige Berühmtheit habe die Ermordung eines Herrn
Khorreh erlangt, der hier von Dieben überfallen den Boden mit seinem
Blute benetzt habe. Von der Zeit an heifse auch das Menzil Khunekhorreh
d. h. das Blut Khorreh'». Nach diesen acht orientalischen Unterhaltungen
hatte ich einen ziemlich unerwarteten Besuch in der Person eines Arabers
aus Baghdäd, der sich meiner'Karawane anzuschliefsen wünschte, um in
Gesellschaft sein Reiseziel Teheran zu erreichen. Der Araber, ein alter
Hadschi oder Mekka-Pilger, sprach nur arabisch und türkisch. Das letztere
erleichterte ihn den Umgang mit den Persern, das erstere verschaffte mir
Gelegenheit, einiges über seine Wanderungen zu erfahren, da ich von meinem
ägyptischen Aufenthalte her des neuarabischen Idioms mächtig bin.
Der alte Mann, der durchaus bis auf den Turban hin in die Tracht der
Araber gehüllt war, und dessen ganzes Reisegepäck aus einer türkischen
Pfeife, dem sogenannten Tichibuk, und einem schlechten Teppich bestand,
hatte in seinem Leben nichts anderes gethan als gepilgert. Er war in Tunis,
in Algier, in Aegypten, in Arabien, in Indien nnd Gott weifs sonst noch wo
gewesen und hatte gegenwärtig von Baghdäd, seiner Vaterstadt, aus eine
Reise durch Persien nach Teheran vor. In fünfundzwanzig Tagen hatte er zu
Wasser und zu Lande die Reise von Baghdäd nach Schiraz zurückgelegt, natürlich
stets in Barken oder zu Fufse wandernd und ohne einen SchähiVermögen
zu besitzen. Er schien ganz verwundert, als ich ihm mein Befremden
ausdrückte, wie man , so ohne Geld zu reisen im Stande sei, und versicherte,
dafs es ihm im Gegentheil nie an dem Nothwendigsten gefehlt habe. Ein
Menzil und Mahlzeiten fände er ja überall, sonst habe er nichts nöthig.
Da er es sich einmal in den Kopf gesetzt habe, sich die Welt anzusehen,
so wolle er dies so lange thun, als seine Füfse zu wandern im Stande .seien.
Der alte Baghddder war eine vollständige Derwischnatur, die zu erfassen
unendlich schwer hält. Wie pilgert er? Wie besieht er Gottes grofse und
schöne Welt? Er wandert stumm einher, die Augen auf den Boden geheftet,
mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, die ihn im Geiste nur
dahin führen, wo er sein Lebtag nie gewesen ist. Die Vergangenheit ist
nicht der Quell, aus welchem sein einsamer Geist einen Labetrunk schöpft.
Land und Leute,-Namen und Geschichte interessiren ihn in keiner Weise.
Hält er Ruhe, so ist es ihm gleichgültig, ob er im Pallaste oder im Stalle
der Karawanserai schläft, er beklagt sich nicht über Kälte oder Hitze,
über gute oder schlechte Nahrung, über Spott oder Theilnahme scheint er
kein Urtheil zu haben, mit einem Worte, er ist abgestumpft wie das Rofs
oder der Esel, welcher gleichgültig von Ort zu Ort seine Last tragen mufs.
Er lebt in der, Schöpfung, aber nicht mit der Schöpfung, er verschwindet
spurlos wie er gekommen. Die Welt seines Geistes ist unstät, umherirrend,
allesvermischend, nichts klar erkennend, ein chaotisches Durcheinanderjagen
leerer Gedankenwolken, ein ewiges Sehnen nach dem Unmöglichen
und Verschlossenen, eine stete theilnahmlose Verachtung des