Zunächstliegenden, des Nothwendigen, des Nützlichen, dessen was das Leben
verschönt und den Menschen veredelt. „Gott weifs ja doch alles besser!“ das
ist die Devise des Morgenländers jener zahlreichen Klasse, zu welcher unser
Baghdader gehörte. „Gott weifs alles besser! wozu soll ich mich quälen
und abmiihen, wozu seiner Schöpfung Wunder mit dem Auge meines Geistes
durchmustern? Gott ist sehr grofs und Muhammed, über den der
Friede sei, ist sein Prophet!“
Dafs mit einer so bewandten Persönlichkeit die Unterhaltung nicht
sehr fruchtbar und lebendig ist, läfst sich ermessen. Sie beschränkt sich
auf ein langweiliges Frage- und Antwortspiel, wobei die einfachsten Fragen
in der verkehrtesten Weise beantwortet werden. Ich war schliefslich froh,
als er um die Erlaubnifs zum Gehen bat, und verlangte kaum nach einer
zweiten Zusammenkunft mit dem reiselustigen Baghdader Alten.
In Iihunekhorreh schlief es sich wie überall wenn man müde ist d. h.
ganz vortrefflich Die verheifsenen Wüstenteufel waren nicht erschienen,
oder sie mufsten in den diebischen Katzen gesteckt haben, welche über
Nacht mit acht persischer Gewandtheit den Rest des Entenbratens aus dem
Reisesack herausstahlen und nur seine papierne Umhüllung als Andenken
zuriickliefsen. Morgens drei Uhr (d. 30. October) erhub der Tsclierwaddr
seinen gewohnten. Lärm, zäumte und bepackte die Thiere mit einer Eile,
als sollten wir einem nachsetzenden Feinde in gröfster Schnelligkeit entgehen.
Der einzige Grund des plötzlichen Aufbruches lag in der Vorstellung
der siebenmeiligen Entfernung vom nächsten Menzile.
Der Weg war ganz vorzüglich, so glatt (sd f) .wie eine Chaussee, dabei
ging es allmählig abwärts, wieder dem eigentlichen Germesir, der „wannen
Zone“ entgegen. Der Vollmond schien klar und hell, und beleuchtete in
mildem Lichtglanze die malerischen Berggruppen, welche in weitem Rundbogen
die ausgedehnte Hochebene von Khunekhorreh begränzen. Die Kälte,
obwohl nicht so streng wie am vorhergehenden Tage, nöthigte. uns dennoch
den Rücken der Thiere zu verlassen und die wärmende Fufsreise einzuschlagen.
In der Nähe einer mächtigen dunkelen Felswand zündeten die
Leute unserer Karawane nach ihrer Gewohnheit mehrere Dornbüsche an.
Die Flamme wirbelte hell leuchtend hoch auf, weifse Rauchwolken wälzten
sich zum Nachthimmel empor und die rothen Funken tanzten hin und her,
sich in grellem Lichtscheine von der dunklen Felswand abspiegelnd. -
Das Bild des Nachtfeuers schwebt mir noch heute in seinen kleinsten
Zügen lebendig vor Augen. Der Sonnenaufgang war prachtvoll. Ganz
am Ende der hellbeleuehteten Hochebene, in der Nähe eines massiven Ge-
birgsstockes, der sich in nordwestlicher Richtung hinzuziehen schien, lag
vor uns in der Tiefe und in einer Entfernung von etwa zwei bis drei
Stunden Weges eine lange Reihe von Gärten und Dorfschaften, deren Details
sich in der durchsichtigen Luft selbst mit unbewaffnetem Auge erkennen
liefsen. Die gröfseren und kleineren Wohnungen der Dörfler erhoben
sich in der bekannten Kastengestalt mit Löchern über die Festungsmauern
amphitheatralisch in die Höhe und gaben in der grünen Baumumgebung
dem landschaftlichen Bilde den Anstrich der anmuthigsten Heiterkeit. Es
war noch nicht neun Uhr Morgens, als wir in das Festungsdorf Surrneh
einzogen, dessen alleinstehendes Posthaus uns Quartier gab. Etwa eine
halbe, Stunde nach der Höhe zu gelegen, rechts ab von der Karawanen-
strafse, zeigte sich in deutlichen Umrissen eine alte Festung, die uns von
den Persern im Dorfe unter dem Namen Q a l'a -e -F e isa b ä d bezeichnet wurde.
Ganz in der Nähe von' Surrneh befindet sich ein alter Bau, wahrscheinlich
ein Rest aus der Zeit der Feueranbeter, der wiederum auf den alten
Waldesel - Schah Bahräm zurückgeführt wird; so läfst sich wenigstens aus
dem Namen Q a s r - e - B a h r ä m des vom Regen ausgeschlemmten festungsartigen
Baues schliefsen. Wir hatten hier einmal wieder Gelegenheit, die
saubere Art persischer Rechnungsweise kennen zu lernen.
Der Tscherwaddr hatte uns als Wegentfernung von Surrneh bis zu der
vorhergehenden Station sieben persische Meilen vorgerechnet, während die
wirkliche Distanz höchstens nur vjer gute Meilen betragen konnte. Der
persische Posthalter in der Tschaparkhanih bestätigte die Entfernung der
sieben Meilen, meinte aber ganz unumwunden, er könne nur so Geld von
den Reisenden herausschlagen, indem er die Entfernungen an Meilen gröfser
angäbe, als sie thatsächlich betrügen. Es wäre j a , fügte er hinzu, keine
Betrügerei, wenn man aus g ro f s e n Fersach sabok d. h. k l e in e mache.
Selbst um zwölf Uhr Mittags war die Luft noch kalt und rauh, etwa wie
bei einem kalten Novembertage in Deutschland, dazu wehte ein eisiger,
die Glieder durchdringender Wind.
Das Dorf Surrneh liegt in der Nähe einer hügelreichen Bergkette, die
in einiger Entfernung von der bewohnten Stätte sanft in die Ebene abfällt.
Das Dorf ist unregelmäfsig angelegt, die respectablen Festungsmauern
sind an verschiedenen Stellen mit Gewalt zerstört oder eingesunken, und