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 in  üppigster  Fülle. 
 Neben  einer  fast  ganz  zerfallenen  Karawanserai  altern  Datums  führte  
 der Weg  in  das  ganz  neue  Posthaus  des Dorfes,  das  aus  etwa  dreihundert  
 Khanewar  besteht  und  Eigenthum  Sultan- Mur ad-Mirza''s  ist.  Da,  wo  sich  
 die Karawanenstrafse  in  nördlicher  Richtung  weiter  hinzieht,  hält  sich  der  
 Weg  linker  Hand  dicht  an  der  Bergkante,  während  rechts  von  ihm  in  
 einem Kanäle  das  gesammelte Wasser  thalabwärts  sprudelt.  Aus  dem  dunkeln  
 Grunde  in  der  Tiefe  erheben  sich  hohe  dichtzweigige  Bäume  und  ragen  
 mit  ihren  Gipfeln  weit  über  die  Strafsenhöhe  hinweg.  Im  Frühling  
 und  Sommer  mufs  diese  Bergpassage  den  heitersten  Anblick  gewähren,  
 wenn  das  grüne  Laub  der  Bäume  der  ganzen  Strafse  Kühle  und  Schatten  
 verleiht.  Das  Merkwürdige  an  diesem  Wege  ist  aber  nicht  der  liebliche  
 Baumgrund,  sondern  das  Gabristdn  oder  die  montane  Nekropolis  von Kuhrud. 
   Der  steinige  Berg  ist  die  ganze  Wegstrecke  entlang  terrassenförmig  
 ausgemeifselt  und  mit  viereckigen  Schacht-Oeffnimgen versehen,  in welchen  
 bei  einer Höhe  von  drei  bis  vier Fufs,  bei  einer Breite  von  anderthalb  Fufs  
 und  bei  einer  Länge  von  sechs  Fufs  die  Leichen  beigesetzt  werden.  
 Schon  bei  Lebzeiten  sorgt  ein  jeder  Hausvater  für  die  künftigen  Grabstätten  
 seiner Familie.  Stirbt  Jemand,  so  wird  er,  wie  ein Kuchen  in  den  
 Backofen,  in  das  Grabloch  hineingeschoben,  hernach  die  Oeffnung  zugemauert  
 und  eine  kleine  Tafel  auf  der  Vorderseite  angebracht,  auf  welcher  
 in  schlecht  eingemeifselten  persischen  Schriftzügen  der  Name  des Verstorbenen  
 und Gebetformeln  aus  dem Koran  zu  lesen  sind.  Daneben  ist  überall  
 Ya  A li  „Oh  Ali!“  zu  lesen.  Es  läfst  sich  denken,  dafs  ein  solches  
 Leichenfeld  mit  seinen  geschlossenen  und  offenen  Grabstätten  trotz  der  
 lustigen  Baumumgebung  kein  fröhlich  stimmender  Anblick  ist.  Die  Leute  
 von  Kuhrud  haben  aber  vollständiger  als  irgendwo  ihren  Zweck  erreicht,  
 den Wanderern  auf  der  Pilgerstrafse  ein  eindringliches  Memento  mori  zuzurufen. 
 In  der  T s ch a p a rkh a n eh   lebte  es  sich  wie  überall,  d.  h.  man  wufste  
 kaum,  was  man  nach  der  Rückkehr  von  den  kleinen  Escursionen  in  dem  
 engen,  von  Rauch  erfüllten  Raume  anfangen  sollte.  Die  Temperatur  war  
 fortdauernd  so  k a lt,  dafs  wir  in  sämmtlichen Posthäusern  in  den Kaminen  
 heizen  lassen  mufsten,  um  nur  einigermaßen  die  erklammten  Glieder  zu  
 erwärmen.  Die  Theuerung  beginnt  von  dieser  Gegend  an  sich  bereits  m 
 einem  Zahlenverhältnifs  darzustellen,  das  nach  Teheran  hin  progressiv  zunimmt. 
   Während  man  in  Sau  für  einen  Batrnan  Gerste  acht  Schahi  gefordert  
 hatte,  mufsten  wir  hier  bereits  deren  zwölf  zahlen. 
 Der  24.  November  gehörte  zu  den  interressantesten  unserer  Reisetage.  
 Es  -giebt  kaum  in 'Europa  anmuthigere  Partien  als  die  Gebirgslandschaft  
 unmittelbar  hinter  Kuhrud  auf  der  Strafse  nach  Kaschdn  zu.  Der  Weg  
 führt,  neben  dem  Gabristdn  vorbei,  bald  aufwärts  über Hügel,  bald  abwärts  
 durch  ausgetretene  Bäche  in  ein  langes  Wunderbares  Thal,  dessen  
 terrassenförmig  geordneten  Felder  und  Gärten  uns  nach  Alt-Babylon  zu  
 versetzen  schienen.  Ein  Feld,  ein  Garten  lag  immer  höher  als  der  Nachbar  
 zu  seinen  Füfsen;  soweit  nur  der  Berg  den  nöthigen  Raum  dazu  bot,  
 erhoben  sich  die  Terrassen,  die  durch  Steindämme  geschützt  und  künstlich  
 mit  Gartenerde  überdeckt  waren.  Mit  lautem  Geräusch  stürzte  sich  
 das  klare Wasser  des  Ab-i-kuh-i-Mil  in  das  Thal  hinab  und  vertheilte  sich  
 nach  allen  Seiten  durch  systematisch  gezogene Rinnen  über  das ganze Terrassenland  
 hin,  von  den  höheren  zu  den  tiefer  liegenden Flächen  in  weifs  
 schäumenden  Cascaden  hinabspringend.  Allmälig  öffnet  sich  die  kleine  
 Gebirgsspalte  zu  einem  breiten  Thalkessel,  richtiger  gesagt  zu  einem  co-  
 lossalen Amphitheater  der Natur,  zu  einem  terrassenförmig geordneten  und  
 durch  regelmäfsige Abtheilungen  gesonderten  grünen  Parquet.  Der Anblick  
 läfst  sich  nicht  mit  Worten  schildern,  Natur  und  Kunst  eifern  hier  um  
 die  Wette  die  malerischste  Wirkung  durch  Form  und  Inhalt  zu  erzeugen.  
 Es  ist  eigenthümlich,  nicht  nur  mit  welchem  Geschick,  sondern  auch  mit  
 welchem  Kunstsinn  die  Bewohner  von  Kuhrud  das  riesige  Amphitheater  
 ihrer  grünen  Felder  angelegt  haben,  und  es  bewährt  sich  auch  hier  wieder  
 die  häufig  wiederholte  Beobachtung,  dafs  in  dem  persischen  Volke  
 eine  kostbare  Ader  verborgen  liegt,  die  sich  nach  der  Seite  des  Schönen  
 hin  in  geschmackvollen  Anordnungen  und  in  wirklich  künstlerisch  aufge-  
 fafsten  Leistungen  zeigt. 
 Es  war  ein  besonderer  Genufs,  den  Weg  rechts  am  Berge  entlang  zu  
 reiten,  dem  man  so  eben  wieder,  freilich  mit  grofser  Mühe  und  Arbeit,  
 neue Terrassenfelder  abgewonnen  hatte.  Leute  waren  noch  damit  beschäftigt, 
   nach  der Strafsenseite  hin  die Terrassen  durch  solide Steinmauern  zu  
 stützen.  Etwa  eine  halbe  Stunde  lang  dauert  der  Anblick  dieser  wunderbaren  
 Anlagen,  welche  unwillkürlich  an das  Panorama lieblicher Thalgründe  
 in  Steyermark  erinnern.  Man  kann  sich  getrost  der  Illusion  hingeben,  in 
 II.  ”