Gebete zum Himmel emporsenden, damit er bald wieder genese und der
leidenden Menschheit als Wohlthäter erhalten bleibe. Wird der Kranke mit
Gottes Hülfe gesund, da kümmert er sich fürder viel um die Armen, sondern
lebt wie er gelebt hat, lustig in den blauen Tag hinein. Hat ihm der Arzt
ein Tränklein oder was es sonst sein mag verschrieben, so nimmt er es
nicht sogleich ein, sondern wird erst nach ächt persischer Weise Istakhareh
(gewöhnlich Istakarah ausgesprochen) machen, d. h. das Schiksal um Ratli
fragen. Es geschieht dies am gewöhnlichsten in folgender Art. Der Kranke
sieht in die Luft, sagt ein kurzes Gebet her, und fafst eine beliebige Kugel
seines Rosenkranzes (tesbeh). Von da an zählt er bis zum Ende des Rosenkranzes
die Kugeln zu je dreien ab. Bleibt eine als Rest übrig, so ist
ihm das ein g u te s Zeichen und er verspricht sich von der Medizin einen
günstigen Erfolg. Bleiben zwei Kugeln als Rest übrig, so ist das mittel-
mäfsig, nicht gut, nicht schlecht. Bleiben drei Kugeln als Rest, so würde
der Kranke unter keiner Bedingung seinen Trank einnehmen. Wenn das
Schicksal auf g u t gezeigt hat, so giebt sich oft der Perser damit noch
nicht zufrieden, sondern macht die Gegenprobe, um auch d ie Frage beantwortet
zu haben, ob es schlecht wäre, wenn er das Medicament dennoch
n i c h t einnähme. Trifft die Antwort n e in ein, so wird nichts eingenommen,
obgleich, wie bemerkt, im Istakhareh vorher die Antwort auf g u t fiel.
Die Bekannten, die eine erkrankte Person besuchen, pflegen gewöhnlich
zu seinem Tröste zu bemerken, er sähe recht wohl aus, sei nicht krank,
das Uebel würde bald vorübergehen u. s. w. Ist er gestorben, so betheuern
sie der Familie oder untereinander, dafs er in der That recht krank gewesen
sein m.üsse. Meldet man einer Person den Tod einer ändern, oder
drückt man sein Beileid (ser-selameti) aus, so darf man Höflichkeitshalber
einen Wunsch für das Wohl oder Leben des Angeredeten auszusprechen
nichtunterlassen und mufs dies um so nachdrücklicher thun, je höher die
betreffende Person im Range steht. Zum Schah würde man z. B. sagen:
inscha allah mezädsch-e-mubarek-e-häzrH-e-eqd.es melaletti ni-ddrend „So
es Gott gefällt haben die segensvolle körperliche Beschaffenheit der hochheiligen
Majestät keine Indisposition!“ Die P erser, wie man aufs Neue
merken kann, sind auch in solchen Fällen von einer ausnehmenden Höflichkeit
und besitzen einen angeborenen Tact, der sich bis zum niedrigsten
Manne hin nie verläugnen wird.
II. Kapitel.
W e i t e r r e i s e n a c h I s f a h a n .
L Am nächsten Tage, d. 19. September, später wie gewöhnlich aufge-
bjochen, nämlich eine Stunde vor Sonnenaufgang. Die Tagereise dauerte
beinahe volle acht Stunden und führte über zwei mäfsig grofse Hochflächen
(auf der zweiten berührten wir gegen acht Uhr Morgens das Dorf Wartscheh),
die sich zuletzt zu einem Plateau von bedeutender Ausdehnung erweiterten.
Massenhafte Gebirgsstöcke und isolirt stehende Bergkegel, deren oberster
Rand wie ein Hahnenkamm ausgezackt erschien, gaben das malerische Bild
einer vollständigen Alpenlandschaft. Aus weiter Ferne sichtbar, am entgegengesetzten
Ende des Plateau’s, lag am Fufse der Gebirge und in der
Nähe anderer Dörfer das heutige Menzil Khumein: Die Strafse nahm immer
mehr die südöstliche Richtung an und wurde einigermafsen angenehm unterbrochen
durch das Vorhandensein von Dörfern, die rechter und linker
Hand an unseren Blicken vorüberzogen. Sie liegen eine gute Wegstunde
vor Khumein und erfreuen durch den Anblick ihrer runden und viereckigen
Tjkürme, ihrer gezackten Mauern und ihrer hochgelegenen Balakhan&tis.
Die Felder (darunter viele Baumwollenpflanzungen, deren Stauden kaum
fufshoch waren, mit aufgesprungenen Kapseln), sehr gut angelegt und in
sehr künstlicher Weise berieselt, schienen auf Ordnung und Wohlstand hinzudeuten.
Die Leute säeten bereits die Wintersaat. R i t t e r (in dem
HI-(Bande seines West-Asiens) führt Gewährsmänner an, nach welchen es
den Anschein hat, als seien diese Dorfschaften von Armeniern bewohnt.
Die Leute auf der Karawanenstrafse, welche wir in dieser Beziehung um
Auskunft baten, verneinten die Angabe, versicherten dagegen, dafs ein
Armenier - Dorf, und zwar das erste, weiter pdin d. h. „unten“, am Fufse
der Berge läge.
p Die Armenier beginnen in der That von hier an mitten in der persischen
Bevölkerung eine gewisse Bedeutung zu gewinnen. Ihre sauber
H d ordentlich angelegten und gepflegten Wohnsitze dehnen sich von dem
■ebiete, auf welchem Khumein gelegen ist, bis nach Isfahan hin aus und
Hshen unter der Obhut und dem Schutze'des armenischen Erzbischofes in