geschwollenen breiten Waldstrom, an dem mein Führer wie angewurzelt
stehen blieb, bis ich von ihm den trostlosen Bericht erhielt, dafs die hier
gestandene Holzbrücke von dem Hochwasser zerstört und davongetragen
worden sei. Der Strom war zu reifsend, als dafs an Hinüberwaten, noch
weniger aber der vielen Felsen wegen an Hinüberschwimmen zu denken
gewesen wäre. Ich stieg ab und kroch eine Stunde auf- und abwärts das
steile Bachufer entlang, um einen Uebergang oder eine Furth zu erspähen,
oder Bäume aufzufinden, um ein Flofs zu bauen, aber auch dieses
hätte fehlgeschlagen , da wir nur ein einfaches Rebmesser bei uns hatten.
Nach dreistündigem nutzlosen Hin- und Herlaufen und Kundschaften,' die
ganze saubere persische Sippschaft bis in den Bart verfluchend, sah ich
ein, dafs hier, statt in anderthalb Tagen in Teheran zu sein, uns leider
jene gefahrvolle Passage als letztes Rückzugsmittel übrig bleibe, die ich,
aufrichtig gesagt, mit neuer Besorgnifs vor mir sah. Traurig liefs ich den
Rückzug antreten und bald erreichten wir wieder jene verhängnifsvolle
Stelle, wo wir Menschen zwar auch diesmal glücklich hinüber kamen,
aber gerade der letzte Maulesel, aus zu grofser Hast den Zwischenraum
nicht einhaltend und vom vorderen zurückgedrängt, in den gähnenden Abgrund
geschleudert wurde, wo er zerschmettert liegen blieb. Als ich ihn
gerade vor mir in dem Abgrunde verschwinden sah, stiefs ich unwillkürlich
einen Schmerzensschrei aus, dem dann bald das laute Heulen und
Wehklagen des Führers über den Verlust von zwanzig Toman folgte. Ich
tröstete ihn so gut ich konnte, damit wir endlich weiter kamen, und so
kehrten wir auf dem alten Wege zurück, der, fünf Meilen von Balfurmch
rechts abbiegend, in jenen einmündete, auf dem ich von Teheran Sari
gekommen, mithin also beinahe sechs Tage verloren hatte. In jener Eingangs
erwähnten holzumzäunten offenen Karawanenhütte zu Äliabad brachte
ich eine schreckliche Nacht zu, da die ganz nahen Reisplantagen eine Milliarde
von Muscitos beherbergten, die mich fast zu Tode peinigten, so
dafs mein Kopf, Gesicht und Augen ganz verschwollen und mit Beulen
bedeckt waren. Gleich Anfangs sagte mir der Wirth, dafs ich meine Kleider
und Ledersachen des Nachts vor den hungrigen Schakalen bewahren
sollte, was ich Anfangs nicht beachtete, aber dann doch bestätigt fand,
indem ich schlaflos daliegend sah, wie in der klaren stillen Mondnacht ein
stattlicher Schakal heranschlich, meine Stiefel erfafste und davoneilte. Ich
sprang auf und jagte im Hemde der Bestie nach, um mein einziges Paar
Stiefel zu retten, was mir endlich auch gelang, nachdem ich schliefslich
noch mit dem nackten Unaussprechlichen in einen Brennesselhaufen gefallen
war. Mit brummendem Kopfe und brennenden Augen machte ich
mich auf den Weg und hatte noch eine Sumpfstelle zn passiren, in welcher
mein Maulthier mit den Vorderfüfsen bis zur Brust einsank und ich
kopfüber, aber an beiden Steigbügeln hängen bleibend, gleichfalls in den
tiefen Morast fiel. Den Tod des Erstickens fürchtend, hatte ich Geistesgegenwart
genug, mit meinem Taschenmesser die Riemen abzuschneiden
und mich, auf allen Vieren kriechend, zu befreien. Das Thier selbst wurde
durch Unterlegen von Faschinen und Zweigen herausgehoben, und mit diesem
letzten Unfalle endete die Reihe meiner mannigfaltigen Abentheuer.
Ueber Firüz-Kuh, wo ich noch erfuhr, dafs jene Wanze keine gemeine,
sondern die giftige von Mianlh sei, gelangte ich ohne Unfall in sechs Tagen,
zu Anfang Juni, nach Teheran,
No. 2. Ruinen von Tarum.
Auszug aus eiiaem Schreiben des Hrn. Dr. J u l i u s C ä s a r H ä n t z s c h e ,
d. d. Rescht d. 8 . August 1860. •
Die im Bd. I. S..183 fl. beschriebene und Bd. II. S. 371 von neuem erwähnte
Felsenburg KaVa-i-dukhtar oder „Jungfernschlofs“, an deren Fufs
der Kyzyl-üzen seine Wellen rauschend bricht, scheint der strategisch wichtige
Schlufspunkt einer Kette alter Befestigungen gewesen zu sein, welche
sich das Felsenthal des genannten Flusses entlang ziehen und den Eingang
in die Provinz Gildn ypjx Süden her deckten. Der Verfasser des Schreibens,
welcher bekanntlich als Arzt in persischen Diensten stehend, die ungesunde
Stadt Rescht nicht weit vom Kaspischen Meere jahrelang bewohnte, hat mit
vieler Aufmerksamkeit ähnliche Reste in dem genannten Thale aufgesucht
und davon folgende Beschreibung gegeben, die einen Besuch derselben am
19. October 1859 betrifft.
„Drei Fersach WSW.—W. von Mendschil und etwa auf gleicher Höhe
mit diesem Orte befinden sich im Gebirgsgau Tarum*) in Nordpersien, im
*) Auf der K ie p e r t ’sehen Karte Tarm. Br.