Georgien in einem ßergkessel höchst malerisch liegen. Am meisten und
sichtbarsten zeichnet sich die alte Kirche aus, welche zugleich die Grab-
mäler der georgischen Könige und ihrer Descendenten (z. B. die Familien
Bag r a t i o n , Muc h r a n s k i , Gr u s i n s k i ) in sich schliefst. Die Kirche
gleicht einer Citadelle; eine mit Zinnen versehene Mauer, aus soliden Werkstücken
aufgeführt, mit runden Eckthürmen und viereckigen Mittelthürmen
umgiebt sie und erinnert an jene kriegerischen Zeiten der alten georgischen
Könige, welche mit ihren heidnischen und mohamedanischen Nachbarn,
vor allen mit den Lesghiern, in blutiger Fehde lagen. Die elenden
Erdhütten rings um den alten Bau bergen heut zu Tage die Reste jener
alten Bevölkerung. Der sorglose Georgier, gleichviel ob Bauer oder Fürst,
lebt hier mit seiner Familie und der Thierwelt ein höchst idyllisches Dasein.
Da für den Augenblick keine Postpferde zu haben waren, so schlugen
wir zunächst unser Menzil in einem jener seltsamen Holzhäuser auf,
welche sich allenthalben in der Nähe der Poststationen befinden und in
welchen neben den gemeinsten Getränken die verschiedensten Sorten des
Champagners den Wanderern feilgeboten werden. Unter den derben Nahrungsmitteln,
welche in der elenden Kaufbude ausgestellt sind, nehmen
grofsmächtige Schinken eine Hauptstelle' ein. Dafs der Anblick derselben
für uns, die wir so eben das Schweine hassende Iran verlassen hatten,
höchst verführerisch und erquickend war, braucht wohl kaum bemerkt zu
werden, und wir waren auch darüber in keiner Weise verwundert, da ja
der Kaukasus das eigentliche Paradies der Schweine ist. Das Blockhaus
liegt auf einer Höhe am steilen Ufer der Kuraj in dichter Nähe der neuen
und schönen Stein brücke, welche russischer Fleifs über den reifsenden
Strom geschlagen hat. Die alte Brücke, d. h. die Spuren derselben, zwei
Felsenmassen mit Resten alten Mauerwerkes daran, mitten in den Wasserwirbeln,
bleibt rechts von der neuen liegen, ebenso wie die alte solide
Strafse, ein Steindamm am Ufer, bis zu welchem die wasserreiche Kura
bisweilen aufsteigt.
Nach einem kräftigen Imbifs unternahmen wir einen Ausflug zu
Fufs nach Mtzchet und standen nach einer Viertelstunde Weges vor der
festungsähnlichen Kirchenmauer. Die Hauptmittelpforte führte in einen
mäfsig grofsen Hof hinein,- in dessen ßentrum die Kirche .errichtet ist.
Statt der ehemaligen Königswohnung und an Stelle der Häuser kriegerischer
Georgier sahen wir gegenwärtig nur die bescheidene Wohnung des
langzöpfigen Popen, der gravitätisch sich im Hofe erging und mit einer
geladenen Flinte auf unschuldige Vögel Jagd machte. Das Gotteshaus der
alten Georgier stellt im Grundplan ein Kreuz dar, Spitzdächer bedecken
die vier sich kreuzenden Räume, in deren Mitte sich ein einfacher Thurm
gleichfalls mit spitzem Dache erhebt. Auf den vier Faqaden der Giebel
zeigt sich jedesmal das Bild der Kirche im kleineren Mafsstabe. Das Sculp-
turwerk auf dem weifseü, etwas röthlich schimmernden Sandstein erinnert
in manchen Beziehungen an altassyrische Ornamentik. Rosetten, Granatäpfel,
Pinienzapfen, Vögel u. dgl. m. sehen wie ninivitisches Sculpturwerk
aus. Das Innere der Kirche ist einfach aber nicht schön, die alten schlechten
Fresken sind in modernen Zeiten mit weifser Farbe übertüncht worden.
Rechter Hand vom Eingänge aus erhebt sich eine Sandsteinkapelle
aus alter Zeit. In dem unsichtbaren Innern derselben soll sich, einer Kirchenlegende
nach, ein in der Luft schwebender Baumstamm befinden, den
zwei Engel in seiner schwierigen Lage halten. Die merkwürdigsten Denkmäler
der Kirche sind jedenfalls die alten Königsgräber in der Gruft. Einfache
Grabsteine an verschiedenen Stellen des steinernen Fufsbodens zeigen
die Ruhestätte der Verstorbenen an. Die älteren Platten sind mit georgischen
Schriftzügen, die jüngeren meist mit russischen Buchstaben bedeckt.
Die . letzteren bezeichnen die Stelle, an welcher mancher Sprofs
aus altem Königsstamm, im Kriege gegen die Tscherkessen gefallen, bei
seinen Vätern den ewigen Schlaf ruht. Auf unserm Rückwege nach der
Poststation entdeckte ich am Wege die letzten Reste alter Bauten, an mehreren
Stellen die Spuren ehemaliger Befestigungen und die malerischen
Ruinen einzelner Klöster. Sie erzählen mehr als alle Ueberlieferungen,
welch eine feste Stütze und welch männliche Vertheidigung das Christenthum
und seine Verbreitung unter den altgeorgischen Königen mitten unter
der mohamedanisehen Nachbarschaft in diesen Theilen des Kaukasus
gefunden hatte.
Die Sonne stach ungemein und ein Gewitter zog im Hintergründe am
Himmel auf. Dennoch setzten wir unsere Reise fort und erreichten, begeistert
vom Anblick der herrlichsten Natur, spät Abends die Stadt Gart
oder die vierte Station von Tiflis aus. Bei Fackelschein setzten wir auf
• der bekannten Fähre über die Kura und überliefsen uns bald darauf in
dem Hause eines reichen Armeniers dem tiefsten Schlafe. Das Haus, das
schönste aller Wohngebäude in Qori, konnte füglich als ein kleiner Palast