nen das Unterholz weit überragend, kurz der Urwald mit allen seinen
Geheimnissen und seinen zauberhaften Schauern tritt hier dem Reisenden
in aller seiner Majestät entgegen. Das Schaurige der Scenerie wurde noch
durch ein Gewitter erhöht, das mich an diesem Tage überfiel und dessen
Donnerschläge ein tausendfaches Echo hervorriefen. Hier beginnen der
Tiger, der Leopard und der Löwe als die Könige der Wälder ihre Herrschaft
sich streitig zu machen und stürzen sich auf die im Thale weidende
Heerde, zu ihnen gesellen sich der unersättliche Luchs, der Wolf und der
Schakal. Heute vor der vorletzten Station von Sari sah ich einen Schakal
und sechs junge Wildschweine, die mein Wekil, die Mutter verfehlend,
im Gebüsche erschlug. Ihr Fleisch wollten meine Leute essen, was
1ch jedoch als guter Christ dem lauen Muselmanne verbot, obw'ohl ich
selbst zu einem Spanferkel nicht übel Lust empfand.
Der Weg führte je tz t, unterbrochen von dichtem Laubhimmel, über
urbar gemachte Lichtungen und fette Wiesengründe, vom undurchdringlichsten
Urwalde, wie man ihn nur in Indien finden kann, durch alle Phasen
hindurch, bis man an einzelne Gruppen von Taxus- und Buschwäldern
gelangt, die englischen Parkanlagen gleichen, wo Natur und Kunst
Hand in Hand zu gehen schienen. Der Weg wird eben, breiter, fester
und gangbarer, manchmal sogar alleeartig geradlinig ausgehauen; alte Ruinen
von Brücken, nahe und ferne Wasserfälle bieten eine stets neue Unterbrechung
und Auge und Ohr finden hinreichenden Genufs. Das Gebirge
fällt fortwährend ab bis eine Stunde vor Sari, dem Hauptorte dieses Theils
von Mazenderdn, wo die Hügel in die Ebene auslaufen. Nun geht der
Wald zu Ende, Getreide, Bohnen- und Hülsenfrüchte, Reis- und Baumwollenfelder
bedecken die weite und fruchtbare Ebene, deren Hintergrund
das schneebedeckte Hochgebirge und das Mittelgebirge mit seinen rauschenden
Urwäldern begrenzt, während man vor sich einen langen dunkelblauen
Streifen, das kaspisohe Meer, einem Nebenbilde gleichend, gewahrt.
Hier traf ich Staare, eine Gattung Colibri? und eine bis dahin
von mir noch nicht gesehene Art prachtvoller Vögel, deren Flügel, Kopf
und Hals himmelblau, schön ausgezackt mit Schwarz, der Leib oben ro-
senroth, der Bauch gelb, von der Gröfse einer Turteltaube, ein herrlicher
Anblick. — Der Anzug der Leute ist geschmackvoll: kirschrothe Bundhosen,
grasgrünes Oberkleid, die Weiber ohne Schleier, meistens mit einem
schmachtenden, noblen, schön geschnittenen Gesicht, mit Augen voller
Feuer und üppig gewölbtem Busen. Sämmtliche Männer haben krauses
Haar; freundlich grüfsend tragen sie nicht die höhnischen Züge des spitzbübisch
jüdischen Persers. Die Sprache schien mir oft ein bekannter Dialekt,
da sie aber sehr schnell gesprochen wird, wurde sie von mir selten
verstanden. Die Häuser und Gehöfte sind fast durchgängig aus Holz con-
struirt, mit Ziegeldächern versehen und durchweg reinlich und nett umzäunt.
Heute traf ich die HH. F a n e und E a s tw ic k auf ihrer Rückreise von
Kazwin, Rescht, Astrabdd nach Teheran begriffen. Allerorts sind freundlich
gelegene Tmarn Zadäh erbaut. In dieser Gegend beschäftigt man sich viel
mit Blaufärbung der Schadir und persischen Hosenstoffe. Das sehr schmackhafte
Brot (1 Bathman 1 Uran) ist mit gelbem Lack und Kümmel überzogen.
Die Vieh- und Pferdezucht ist sehr im Flor, die Pferde sind gedrungen
gebaut, haben einen kleinen Kopf und offene Nüstern, und sind
sehr flink und ausdauernd. Den Pisangochs, mit einem zwei bis drei Schuh
hohen Höcker nach Art der Kameele am Schlüsse des Haisbeines, sah ich
hier zum ersten Male. Der Seidenbau wird emsig betrieben, Maulbeei-
bäume und Baumwollenpflanzungen bedecken ganze Felder. Bis Sari vierzig
Fersach von Teheran.
Sari liegt in einer in der Urbarmachung begriffenen sehr fruchtbaren
Ebene, wo das Auge immer auf Ueppigkeit, Wachsthum und Blüthe der
Natur trifft, selten aber findet man hier wohlverstandene Oekonomie, praktisch
betriebenen Feldbau und intelligente Landwirthschaft. Sari ist eine
alte graue finstere Stadt, deren Häuser aus Backsteinen erbaut sind, mit
weit vorstehenden rothen Ziegeldächern, Der Verkehr ist regsam, die Bazare
sind grofs und lang. Man lachte sich schelmisch und kleinstädtisch ins
Fäustchen, als'ich meinen Einzug auf einem Maulthiere hielt. Ich wurde im
Garten des Gouvernements-Palais in einem verfallenen Pavillon ohne Fenster
einquartirt, in welchem so eben ein Paar Dutzend Weiber mit geselligen
Spielen sich die Zeit vertrieben, Tschai (Thee) und Kaliün (Wasserpfeifen)
vertilgten, als ich, ein ungebetener Franke, wie ein deus ex machina ihrem
Dschendäbäzi (Hetären - Unterhaltung) plötzlich ein Ende machte. Sie stoben
wie Spreu aus einander, und ich versäumte nicht einige sehr hübsche Gesichter
zu sehen, da man sich hier nicht verschleiert. Kaum angelangt kamen
gleich eine Anzahl neugieriger Besucher, um soviel als möglich lästig zu
fallen, wovon ich aber keine Notiz nahm. In meiner offenen Loge verbrachte
ich eine sehr kalte Nacht, .von der ich frühzeitig und froh Abschied nahm.