No. 7. Krankheiten und Heilwesen in Persien.
An verschiedenen Stellen in den beiden Bänden dieser Reisebeschreibung
habe ich die passende Gelegenheit benutzt, um auf Krankheiten und
Heilverfahren in Persien zurückzukommen, natürlich nur in soweit, als mir
meine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen ein Urtheil darüber gestatteten.
Ich fasse in diesem Nachtrag dagegen alles dasjenige zusammen,
was ich den Mittheilungen verdienter Aerzte schulde, die während ihres
längeren Aufenthaltes in Persien Gelegenheit und Mufse hatten in ihrem Berufe
eine Fülle reicher Erfahrungen auf dem beregten Felde zu sammeln.
Dafs die Wissenschaft der europäischen Therapeutik in Persien gegenwärtig
Anhänger unter den persischen Aerzten gefunden hat, kann nur als
ein erfreuliches Zeichen des allmäligen Fortschrittes angesehen werden. Ist
doch sogar auf den besonderen Befehl des Schah unter dem Titel (französische
Uebersetzung) : Traité d'auscultation, de percussion et de palpation
en langue persane par le Docteur Tholozany premier médecin de S. M. le Schah
de Perse (Téhéran 1861) ein medicinisches lithographirtes Werk hervorgegangen,
welches ausschliefslich für den Gebrauch und das Studium der persischen
und indischen Aerzte bestimmt ist.
„J’ai eu pour but principal,“ -— belehrt uns Hr. Dr. T h o 1 o z a n im Betreff
seiner verdienstreichen Arbeit, — „en écrivant ce petit traité, de faire
connaître aux nombreux médecins qui existent en Perse et dans l’Inde,
deux des. plus grandes découvertes dont se. soit enrichie la Sémeiologie
depuis le commencement de ce siècle. Le seul moyen de faire progresser
la médecine ici comme partout ailleurs, est d’éclairer d’abord le diagnostic
des maladies. Or avons-nous à ce sujet de meilleurs guides que l’auscultation,
la percussion et la palpation? — Les médecins de l’Orient étudient
leur art dans les mêmes livres que nos pères étudiaient il n’y a pas plus
de 150 ans. Je suis d’avis qu’il ne faut point faire fi de leur science parceque
la nôtre a fait des découvertes importantes. Je ne crois pas qu’on puisse
les faire renoncer en quelques années aux notions dont ils ont hérité de
l’antiquité et qu’ils conservent avec religieuse fidélité. Le meilleur moyen
de leur être utile et de servir la cause du progrès et de la civilisation, est
de faire passer dans l’un des idiomes les plus répandus en Orient les résumés
des découvertes Européennes, afin d’initier la partie instruite de la
population ä nos connaissances. Le present livre est un essai que j ’ai fait
dans cette voie.“
Ueber die locale Verbreitung der Krankheiten in Persien sind meines
Wissens gar keine oder nur sehr geringe Untersuchungen angestellt worden.
Um so dankbarer aufzunehmen und anzuerkennen sind deshalb die ersten
Beobachtungen, welche' Hr. Dr. med. et phil. Hä n t z s c h e während seines
Aufenthaltes, in Rescht und im Gildn angestellt hat und welche ich
nach seinen schriftlichen Mittheilungen an diesem Orte folgen lassen darf.
Die gewöhnlichsten Krankheiten im Gildn sind nach den beobachteten
Fällen: verschiedene Rheumatismen, die Hypertrophie der Milz, der
Leber und des Herzens1, die Gastralgie, die Hydropsie (.gewöhnlich nach
dem Fieber)y die Syphilis tertiaria (zu empfehlen Tartarus und Galle), die
Flecke von Konia (?) und Scorbut.
Zu den weniger ’ häufigen Krankheiten zählen: Cataracta, Blepharitis,
Syphilis sec. und prim., die Blennorrhagia der Urethra, die Elephantiasis,
Paralysis, die Hämorrhoiden und verschiedene Gattungen der Brüche.
Die Alienatio des Geistes und die Epilepsie finden sich ziemlich oft.
Die vorher aufgeführten Krankheiten sind manchmal periodisch, d. h.
sie brechen nur im Sommer a u s .1
Würmer und Bandwürmer sind eine häufige Plage der Einwohner des
Gildn, besonders bei. starken Männern, und die Unfruchtbarkeit der Frauen
hat gewöhnlich darin ihren Grund. Mannigfache Krankheiten des Uterus,
'Amenorrhoe und Hysterie zeigen sich sehr häufig unter den Einwohnern
des Gebirges., obschon das Urtheil darüber noch ziemlich beschränkt ist.
Die verschiedenen remittirenden und intermittirenden Fieber bilden
eine Hauptplage der Bewohner d e s ‘Landes, weil sie ebenso häufig auf-
treten als lange dauern, und, aus Mangel einer gehörigen Behandlungsweise
der einheimischen Aerzte, eine gefährliche Wendung nehmen. Neben sehr
heftigen Rheumatismen werden Ophthalmien sehr häufig beobachtet. Daran
reihen sich katarrhalische Augen- und Halsleiden.'
Der gastrische Katarrh zeigt sich gewöhnlich im Frühling. Langdauernde
Diarrhöen werden bei grofser Hitze sehr gefährlich, daneben
treten epidemische Cholerinen und die sogenannte asiatische Cholera auf.
- Die letztgenannte Krankheit erschien im Jahre 1854 am 1. März in
Rescht. Sie kam von Mazenderän her,' woselbst sie ungemein wüthete.
Am stärksten. zeigte sie sich in der Nähe der Flüsse, wandte sich dann
31*