Staatskosten vierzig junge Perser, darunter die Söhne der vornehmsten
persischen Beamten und Hofleute, vollständig europäischen Unterricht in
der Ecole polytechnique und in anderen Anstalten. Ich gestehe offen, dafs
es mir während eines Aufenthaltes in Paris im Jahre 1862 die gröfste
Ueberraschung und Freude bereitet hat, mit jungen Persern im Alter von
13 bis 16 Jahren eine französische Unterhaltung über wissenschaftliche
Lehrobjecte zu führen. Dazu die vollständige französische Tracht, und ich
habe meine Perser von Teheran gar nicht mehr wiedererkannt. In Bezug
auf die Uebersetzungen in das Persische hat der Teheräner Dar-el-fanün
oder die Ecole polytechnique bereits unter europäischer Leitung recht gute
Arbeiten geliefert und neben der Uebersetzung historischer Werke europäischer
Schriftsteller sind zahlreiche Schriften über Medicin, Mathematik,
Arithmetik, Geographie, Geschichte u. s. w. aus dem Deutschen, Französischen,
Englischen, Russischen in das Persische übertragen worden. Eine
eigenthümliche Schwierigkeit liegt begreiflicherweise in der Herstellung
der Grammatik europäischer Sprachen in das Persische, da die Darstellung
der Aussprache und die grammatische und syntaktische Terminologie
den persischen Gewohnheiten fremde Dinge sind.
Es ist der persischen Litteratur unserer Tage ein Nutzen und ein
Schade, dafs an dem Horizonte ihres Daseins Sterne erster Gröfse leuchten,
deren Glanz bis jetzt von keinem ändern verdunkelt worden ist, ja
von deren und' in deren Lichte vielmehr alles zehrt und lebt. Ferdosi
Hafiz, Sa’adi, Nezamt und wie sie alle heifsen mögen die grofsen Heroen
der persischen Litteraturgeschichte : sind unerreichbare Meister geblieben,
ebenso bewundert heut zu Tage wie zu ihrer Zeit als Muster des guten
Styles und des guten Geschmackes. Das zahlreiche Dichtervolk, welches
in den Hauptstädten Persiens Verse schmiedet, ist nicht mehr im Stande
aus dem frischen Quell eigenen Dichterthums zu schöpfen, — mit wunderbarer
Ausnahme einer leider wenig verbreiteten und bekannt gewordenen
Harems-Poesie von hervorragendem Gedankenreichthum, — und ihre
ganze fast handwerksmäfsige Kunst besteht im feinen Entlehnen. Das Vers-
maafs, die Worte, Formen, Bilder¡, Gedanken, ja ganze Sätze der .alten
Meisterwerke werden stückweise herausgerissen und stückweise zu matten
Mosaikw'erken zusammengesetzt, voll Klang, ohne Sang. Der persischen
Muse fehlt die Begeisterung, welche von grofsen Männern und grofsen Zeiten
getragen wird. Der Dichter singt nicht um des Gesanges willen, sondern
um klingendes Gold und die Gunst vornehmer Männer zu erwerben.
Selbst der allbeliebte Poet Mirza Habib, gewöhnlich Qaäni genannt (aus
Schiräz gebürtig, gestorben im Frühjahr 1854), der andere Häfiz, wie ihn
die Perser mit schmeichelhaftem Lobe zu bezeichnen pflegen, ist nicht
frei von den Gebrechen und Fehlern seiner Zei t , und seine vielfach gelesenen
und hewunderten Qasiden tragen die gerügten Mängel hinlänglich
zur Schau. Die Luft des Teheräner Hofes weht durch die Mehrzahl seiner
poetischen Leistungen und der wenn auch feine Redeschwall bei untadeligster
Form erdrückt den besten Gedanken.
Eher würde man es dem offiziellen Geschichtsschreiber, Riza-Kvli-
Khun, welcher im Anschlufs an die persische Chronik Rauzet-e'-sefä eine
mehrbändige Geschichte der neusten Zeit bis zu Nasreddin hin geschrieben
hat, nachsehen, in seiner persischen Chronik voller Rücksichten gegen
die Kadscharen-Dynastie und die höchsten Personen des Hofes gewesen
zu sein.
Andererseits hat sich als Gegengewicht eine ziemlich selbstständige
Litteratur entwickelt, die ebenso vorsichtig im Finstern schleiehen mufs,
als sie von den Persern vielfach gesucht und gelesen wird, wir meinen
das politisch - satyrische Pamphlet. Mit scharfem, beifsendem Witz und in
einer lebendig-frischen geistvollen Sprache werden jn Abschriften und
heimlichen Druckschriften die Fehler und Laster vornehmer und vornehmster
Personen und Staatsbeamten blosgestellt und gegeifselt. Jedoch ist
diese Art der Litteratur, worin sich ein gewisser Mirza-Jaqub als Meister
hervofgethan hat, zu ephemerer N'aiur, um bei unserem allgemeinen Ur-
theile über den gegenwärtigen Zustand der persischen Litteratur in die
Wagschale zu fallen.
Wenn das moderne Iran so reich an vi eischreibenden • Schöngeistern,
aber' arm an wirklich geistvollen Schriftstellern ist, welche die Nation mit
den Blüthen ihrer Schöpfungen zu begeistern im Stande wären: so lebt
dagegen, wie bereits angedeutet, die neue Welt von d e r‘ewigen Nahrung,
welche ihnen als eine kostbare Erbschaft von den Altvorderen her überkommen
ist. Die Lieder und Schriften der Vorfahren werden noch gegenwärtig
nicht nur eifrig gelesen, studirt, bewundert, sondern immer
und immer wieder abgeschrieben o d e r'# # gedruckt.
Im Jahre 1829 war durch den persischen Mu^lofi. Mirza SalehiWa erste
gröfsere lithographische Presse nach Persien (zunächst nach Täbrlz) einge