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 Nachtquartier  umgehen  wollten,  —  einmal  der  stechenden  giftigen Wanzen  
 wegen,  dann  des  beriichtigen Fieberrufes  halber,  —  uns  einen  ebenso  langen  
 als  unerwünschten  Aufenthalt  bereitete. 
 Die Sonne war  schon  längst untergegangen,  die Tschapärpferde  standen  
 gesattelt  da,  und  von  unserer Karawane  war  immer  noch  keine  Spur  sichtbar. 
   Unsere  Uhr zeigte  die 8.,  9.,  10.  Stunde Abends,  von  der Karawane war  
 gar  nichts  zu  entdecken.  Es  wurden  Leute  ausgeschickt,  Pistolenschüsse  
 abgefeuert,  keine  Antwort,  keine  Nachricht  von  der Karawane  Die Reise  
 durch  den Flufs wagte  bei  der finstern Nacht Niemand  zu  unternehmen.  Wir  
 fingen  an  besorgt  zu  werden  als Mitternacht  herankam  und  unsere  Diener  
 nebst  dem  Gepäck  immer  noch  nicht  eingetroffen  waren.  Wir  beruhigten  
 uns  indefs  mit  der Vorstellung,  dafs  der  ganze Zug wahrscheinlich irgendwo  
 übernachten  müsse  und  suchten  uns  in  einem  Zimmer  des  Posthauses  eine  
 Stelle zum Schlafen  aus.  Der Vorsicht  halber zündeten wir Licht an,  um  die  
 doch  etwa  vorhandenen Wanzen  zu  vertreiben;  allein  trotz  des  Lichtglanzes  
 entwickelte  siçh  eine  wahre Wanzen Wanderung,  deren Ziel  ohne  langes Rathen  
 unsere  theuren  Personen  waren.  Wie  vom  Donner  gerührt  sprangen  
 wir  auf,  liefen  aufs  Dach  hinaus,  dem  blutdürstigen Wanzenvolke  das Feld  
 räumend,  und  warfen  uns  hier  einem  Knäuel  schlafender  Perser,  darunter  
 der  Mehmendar  und  seine  Freundschaft  aus  Mianèh,  in  die  Àrme,  auf  die  
 Gefahr  hin  vom  Fieber  oder  von  —  L . . .e n  überfallen  zu  werden,  nur  um  
 den  leidigen  Wanzenstichen  zu  entgehen. 
 In  einer  solchen  Situation,  wo  aller Mutterwitz  zu  Rande geht,  riskirt 
 der verzweifelte Mensch das Unmöglichste und Unglaublichste.  Wir  schliefen  
 auf  dem  feuchten  Dache  von  grofstropfigem  Regen  übergossen,  ohne  Dek-  
 ken  noch  sonstige  Wärmevorrichtung,  einen  höchst  kräftigen  Schlaf  und  
 erwachten,  bei  lahm  gewordenen  Gliedmafsen  und  rheumatischem  Zucken  
 und Reifsen  in  allen Theilen  unseres Körpers,  gegen fünf Uhr in  der  Frühe. 
 Die  stille  Befürchtung,  dafs  das  schlimme  Fieber  von  Mianèh sich  bei  uns 
 in  dieser Nacht  eingeschlichen  habe,  hat  sich  glücklicherweise  später nicht  
 bestätigt.  Indefs  sind  Fälle  vorgekommen  und  mir  von  den  betreffenden  
 Personen  selber  erzählt  worden,  dafs Reisende,  Europäer und  Perser,  während  
 einer  Nachtruhe  à  la  belle  étoile  in  Mianèh  von  dem  berüchtigten  
 Fieber  befallen  wurden,  das  Monate  später  in  Constantinopel,  Paris  und 
 anderen  Städten  des  europäischen  Continentes  plötzlich  in  seinen  localen  
 Formen  zum  Ausbruch  kam. 
 Gegen  sechs  Uhr  Morgens  hörten  wir  das  uns  wohlbekannte Geklingel  
 der Leitthiere,  welches  die  endliche Ankunft unserer Karawane  ankündigte.  
 Die  letztere  war  gegen  Abend  des  vorhergegangenen  Tages  bis  zum  Mia-  
 nbh-tichai  herangerückt,  hatte  aber,  besonders  in  der dunklen Nacht,  keine  
 Möglichkeit  gefunden,  durch  die  stark  angeschwollenen  Wasser  des  Flusses  
 zu  marschiren.  Selbst  am  hellen Morgen  büfste man  den Versuch durch  
 ein  Thier  ein,-  das  sammt  dem  Gepäcke  im  Wasser  versank,  so  dafs  erst  
 Leute  aus Mianeh  requirirt  werden  mufsten,  um  bei  der nassen Wanderung  
 hülfreiche  Hand  anzulegen,  den  Weg  zu  zeigen,  die  scheuen  Tbiere  zu  
 führen  und  das  verlorene  Gepäck  aufzusuchen. 
 Trotz  aller  Warnungen,  welche  uns  in  Bezug  auf  die  von  den  Regengüssen  
 und  schmelzendem  Schnee  aufgeweichten,  lehmigen  und  beinahe  
 unpassirbaren  Wege  auf  dem  Hochgebirge  zwischen  Mianeh  und  Täbriz  
 einzelne  Wanderer  von  letztgenanntem  Orte  her,  hatten  zukommen  lassen,  
 trotz  des  strömenden  Jupiter pluvius,  der  bald  nach Eintreffen  unserer Karawane  
 himmelher  fiel  und  den  ganzen  bergigen  Horizont  in  ein  undurchdringliches  
 Nebelbild  hüllte:  liefs  ich  mich  dennoch  von  meinem  wackeren  
 Reisegefährten  überreden,  von  Mianeh  aus  die  beabsichtigte  Tschapärreise  
 nach  Täbriz  anzutreten  und  die Karawane  in  langsamen  Tagemärschen  unter  
 der  Leitung  des  persischen  Mehmendar  nachkommen  zu  lassen. 
 Wir  haben  die  Reise  zurückgelegt,  aber  man  frage  nur  nicht  wie?  
 Nie  in  meinem  Leben  bin  ich  so  übler Laune ,  so  mifsmuthig,  so  lebensunlustig, 
   und  nie  so  erbittert  gegen persische Landsträfsen-Einrichtung und  
 vor  allen  gegen  den  persischen  Himmel  gewesen,  der  so  chamäleonartig  
 als  der  Charakter  des  ganzen  iranischen  Volkes  ist,  als  auf  dieser  tollen  
 Tour,  die  in Wirklichkeit  jede Beschreibung weit  hinter  sich  läfst.  Aber  so  
 grauenhaft  entsetzlich  der  vermessene  Tschapärritt  durch  den  anfgeweich-  
 ten Naturschlamm  auf  einer  Strecke  von  beinahe  zwanzig  deutschen Meilen  
 war,  dafs  mir’s  noch  in  der  Erinnerung  daran  kalt wie  eine  Gänsehaut  
 überläuft,  so  hatte  er  wenigstens  das  Gute,  uns  leicht  geschürzten Pilgern  
 eine  richtige Vorstellung  von  der  Schwierigkeit,  ja   beinahe  Unmöglichkeit  
 des  kaufmännischen  Waarentransportes  während  der  winterlichen  Jahreszeit  
 auf  persischen  Strafsen  in  der  palpabelsten  Weise  vor  Augen  zu  führen  
 und  haarscharf  zu  demonstriren,