
 
        
         
		erst  vor  Kurzem  angekauft  und  wohnlich  gemacht  habe.  Wie  alle  Bauten  
 in  Isfahan  und  Dscliulfa,  die  von  einiger  Bedeutung  sind,  in  die  Zeit  der  
 Blüthe  dieser Stadt zurückgehen,  so  gehörte  auch  das  „Gasthaus“  der älteren  
 Epoche  an.  Natürlich  war  das  meiste  zerfallen,  aber  doch  war  die Pracht  
 der  alten  Zeit  nicht  ganz  verwischt,  und  an  tausend  Kleinigkeiten  durchsichtig  
 zu  erkennen.  Die  Wohnzimmer  lagen  zur  ebnen  E rd e ,  und  ihre  
 breiten  Fenster  und  Thüren  gingen  nach  einem  geräumigen  Hofe  hinaus,  
 der  beinahe  noch  vollständig  sein  altes  Quaderpflaster  erhalten  hatte,  und  
 mit  den  Resten  alter  Gärten  und  Springbrunnen  versehen  war.  Gegenüber  
 dem  Portale  mit  S-förmig  gewundenem  Gange  erhob  sich  eine  erste  
 Etage  mit  einem  altpersischen  stattlichen  Saale.  Das  Fenster  darin  war  
 so  breit  wie  die  ganze Wand,  ebenso  hoch,  und  in  dem  alten Holzschnitzwerk  
 desselben  die  prachtvollste  Fensterglasmosaik  (schischeh  muresseh)  in  
 einzelnen  Resten  noch  vollkommen  erhalten.  Das Gebäude  mit  Grund  und  
 Boden,  welches  in  einer  gröfseren  europäischen  Stadt  mindestens  einen  
 Werth  von  zweihundert  und  fünfzig  bis  dreihundert  tausend  Thalern  darstellen  
 würde,  hatte  der  Erzbischof  erst  jüngst  für  achthundert  Dukaten  
 erstanden.  Die  Zimmer,  welche  wir  bezogen,  waren  durch  seine  liebenswürdige  
 Fürsorge  vollständig  europäisch  eingerichtet  worden,  die  persischen  
 kostbaren  Teppiche  abgerechnet,  welche  den  Boden  bedeckten.  Sogar  
 die Fenster  waren  nach  europäischem System  eingerichtet,  so  dafs  wir  
 uns  zum  ersten Mal wieder  nach  langer Zeit  der Täuschung hingeben konnten, 
   in  einem  europäischen  Hause  zu  leben.  Freilich  durften  wir  unsere  
 Blicke  nicht  auf  die  Inschriften  werfen,  welche  sich  an  den  Wänden  befanden  
 und  von  der  Hand  früherer  Reisenden  herrührten.  Die  französisch  
 oder  englisch  geschriebenen  Worte  enthielten  gräfsliche  Flüche  gegen  Alles, 
   was  den  Namen  Perser  und  Persien  führt,  meist verbunden  mit  den  
 sehnsuchtsvollsten  Heimathsgedanken.  Kaum  hatten  wir  unsere  Reisekleider  
 gewechselt,  so  erschien  der  Nazir  oder  Hausintendant  des Erzbischofs  
 mit  Dienern,  welche  Thee  brachten,  sowie  etliche  Priester  der  armenischen  
 Kirche,  um  uns  in  der  herzlichsten  Weise  zu  bewillkommnen.  Der  
 Dragoman  und  meine Wenigkeit  gingen  mit  ihnen  zum  Erzbischof  zurück,  
 um  dem  liebenswürdigen Kirchenvater  für  so  zahlreiche  Aufmerksamkeiten  
 gegen  die  preufsische Gesandtschaft  zu  danken.  Beim  Eingang  in  sein  bescheidenes  
 Wohnzimmer  zog  ich  nach  persischer  Sitte  die  Schuhe  aus  und  
 betrat  mit  weifsen  Strümpfen  die  auf  dem  Boden  desselben  ausgebreiteten 
 Teppiche.  Nachdem  er  uns  auf  das  Zärtlichste  geküfst  hatte,  nicht  ohne  
 sich  angelegentlichst  nach  dem  Befinden  des  abwesenden  Ministers  zu  erkundigen, 
   bemerkte  sein  schwaches  Auge  durch  die  Brille  die  bei  einem  
 Europäer  seltenere Art,  ein Zimmer  zu  betreten.  Herzlich  lachend  gestand  
 er,  dafs  ich  der  erste  Europäer  sei,  dessen  Schuhe  weißer  als  sein  Bart  
 seien.  Von  Weggehen  durfte  nicht  die  Rede  sein.  Den  Vormittag  übei,  
 den  Mittag,  Nachmittag  bis  zum  späten  Abend  hin  mufsten  wir  bei  ihm  
 bleiben,  bei  ihm  essen,  trinken,  mit  ihm  plaudern,  mit  einem  Worte,  mit  
 ihm  zusammen  leben.  Die  Tischgesellschaft  bestand  aus  dem  Erzbischof,  
 seinem Priestersecretair,  seinem  Priesterinterpreten,  ferner  aus  einem  stets  
 verhüllten,  sehr  sanft  aussehenden  jungen  Bruder  Mönch,  und  ans  unseren  
 beiden  europäischen  Personen.  Die  Zahl  der  Gäste  mehrte  sich  spätei  
 durch  die  Ankunft  eines  bäurisch  aussehenden,  dicknäsigen  und  langbärtigen  
 armenischen  Pastors,  der  seine  Glieder  von  Kopf  bis  zu  den  Füfsen  
 in  steifen  blauen  Glanzkattun  gehüllt  hatte.  Er  wurde  als  Vorsteher  der  
 drei,  dem  Imam  Dschuni'a  von  Isfahan  gehörigen,  und  von  Armeniern  
 bewohnten  Dörfern  Feriden  —r  oder  wie  sie  bei  den  Armeniern  heifsen,  
 Perieh,  vorgestellt.  Gesprächsweise  kam  es  heraus,  dafs  die  Mutter  des  
 zwei  und  vierzigjährigen  Vorstehers  mit  der  dicken  Nase  eine  Frau  war,  
 die  noch  in  ihrem  mittleren  Lebensalter  stand,  da  sie  mit  Nächstem,  -   
 natürlich  insehallali !■ —  vier und  fünfzig Jahre  zu werden  hoffte.  Eine wunderbare  
 Geschichte  wurde  über  Tisch  von  eiuer  Stelle  auf  dem  Berge  in  
 der  Nähe  von  Feriden  erzählt,  die  ich  so  wiedergebe,  wie  ich  sie,  ohne  
 Mißverständnifs,  gehört  habe.  Die  „reinen“  Wolken  sollen  hier  auf  das  
 Gestein  ein  feines  Mehl  absetzen,  das  süßer  als  Zucker  schmecke  und  
 dabei  sehr  nahrhaft  sei.  Von  Zeit  zu  Zeit  stiegen  die  Armenier  hinauf,  
 um  es  sorgfältig  zu  sammeln,  worauf  sie  es  zum  Verkauf  brächten.  Der  
 himmlische  Handelsartikel  führe  alsdann  den  Namen  Gäz,  und  man  bereite  
 von  ihm  ein  zähes,  mit  Mandeln  versetztes  süfses  Zuckerwerk,  welches  
 den  Namen  Gäzengu  führe.'  Dicht  beim Urumia-See  soll  in  der Nähe  
 eines  armenischen Dorfes  ein  ziemlich ausgedehnter Wald mit Bäumen  sein,  
 an  deren  Rinde  sich  dieselbe  Substanz  absetze.  Je   nachdem  die  Rinde  
 süß  oder  bitter  ist,  nehme  auch  die  Substanz  den  entsprechenden  Geschmack  
 an,  und  müsse  im  bitteren  Falle  gekocht  und  gereinigt  werden.  
 Die  Türken  gäben  dieser  süßen  Masse  den  Namen  Musch,  bei  den  Armeniern  
 dagegen  heifse  sie Dänin,  Das Thema unsrer Unterhaltung,  die unter