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 grofsen  Welt,  hat  in  Persien,  wie  oben  angeführt,  einen  besonderen  Ruf  
 als Verbannungsort  des  ehemaligen  Sadrazäm  oder Premier-Ministers Mind.  
 Agha-Khän,  der hierselbst von  den vier Mauern  seines Hauses  eingeschlossen  
 leben  mufs  und  dessen  Schicksale  mit  der  Geschichte  Persiens  der  letzten  
 Jahre  im  engsten  Zusammenhänge  stehen.  Dem  verbannten  Sadrazäm,  der  
 sich  durch  seine  treffenden Antworten  auszeichnete und  von  dem  eine Menge  
 der  lustigsten  Anecdoten  im  Lande  cursiren,  ist  es  in  ähnlicher  Weise  
 wenn  auch  nicht  ganz  so  schlimm,  als  seinem  berühmten  Vorgänger,  dem  
 Emir,  ergangen,  doch  kann  er  sich  der  Hoffnung  trösten,  dafs  sein  Sturz,  
 bei  den  gegenwärtigen persischen Zuständen,  nicht  von gar zu  langer Dauer  
 sein  wird.  Die  hervorragenden  Eigenschaften  dieses  Staatsmannes,  eine  
 unermüdliche  Arbeitskraft  und  Thätigkeit  neben  einer  bemerkenswertheil  
 Scheu  vor  allen  blutigen  Scenen,  können  noch  in Zukunft  von  den  segensreichsten  
 Folgen  für  das  Land  sein,  so  dafs  es  ein  aufrichtiger  Wunsplil  
 bleibt,  dafs  die  seit  Ende  des  Jahres  1858  dauernde  Verbannung  des  Sa-i  
 drazäm  sich  bald  ihrem  Ende  nähern  möge.  Seitdem  diese  Zeilen  geschrieben  
 sind,  ist  in  der  That  die  Nachricht  nach  Europa  gelangt,  dafs  
 S.  M.  dem  exilirten  Minister  2J':00  Tomän  gesendet  habe,  um  sich   den  
 B a r t   schw-arz  zu  f ä r b e n ,   was  so  viel  bedeuten  soll,  als  seiner  Gnade  
 wieder  gewärtig  zu  sein. 
 Unser Gesundheitszustand  auf  der Reise  verschlimmerte  sich  zusehends  
 von Tag  zu Tag.  Die  rothe Ruhr  hatte  drei Europäer,  mich  eingeschlossen,|  
 in  so  hartnäckiger  Weise  befallen,  dafs  alle  Mittel,  selbst  das  vielfach  
 empfohlene  Laudanum,  vollständig  wirkungslos  blieben.  Unser  würdigerl  
 Chef  litt  mit  Unterbrechungen  an  gastrischen  Uebeln,  bei  dem  Dragoman,  
 einem  schon  bejahrten  Manne,  stellte  sich  eine  zunehmende  Schwäche “ein,I  
 ein  persischer Diener  wurde  vom Fieber  geschüttelt,  unser  liebenswürdiger!  
 Freund,  Hr.  v.  G ro lm a n   allein,  wenn  auch  nicht  vollständig  von  Krankheitserscheinungen  
 befreit,  litt  dennoch  am  wenigsten* von  uns  allen.  Iclil  
 mufs  neben  den  klimatischen Einflüssen,  die  unbestreitbar  im  ersten  Jahre  
 des  Aufenthaltes  in  Persien  auf  europäische  Reisende  ihre  Wirkung  aus-l  
 üben,  meist  unter  der  Gestalt  von  Wechselfiebern  (täb)  und  Dysenterien!  
 (ishäl-i-dämi),  die Ursache  dieser Uebel  der  einförmigen Nahrung  zuschrei-l  
 *ben,  welche  sich  auf  der  ganzen  Reise,  mit  wenigen  Ausnahmen,  auf  das!  
 Fleisch  des  fettschwänzigen  Hammels,  auf  magere  Hühner,  Reis  und  Eier! 
 beschränkte.  Weder  die  Früchte,  welche  wir  allenthalben  in  so  grofser  
 Fülle  vorfanden,  noch  der  persische Wein  und Branntwein  waren  geeignet,  
 der;  so  einförmigen  Nahrung  einen  besonders  wohlthätigen Wechsel  zu  gewähren. 
   Das  persische  Nän oder Brot,  lange,  an  den inneren Seiten  grofser,  
 durch  Feuerung  erhitzter Töpfe  gebackene  Fladen  von  matzenhafter Dünne,  
 die> bei  Tische  den  Persern  zugleich  als  Serviette  dienen,  meist  frisch  und  
 halb  gahr,  mufste  zusammengerollt  werden,  um  nur einigermafsen  von  den  
 Zähnen  zerkleinert  werden  zu  können.  Trotz  dieser  mannigfachen  Uebel-  
 stände  ist  es  ein  wahres  Wunder  zu  nennen,  wie  wir  im  Stande  waren,  
 beiiunsern  geschwächten  und  abmagernden Körpern  die  Strapazen  der Reise  
 zu  ¡ertragen.  Die Gewohnheit  wurde  aber  auch  hier  zur  anderen Natur  und  
 die.Hoffnung  der  Rettungsanker,  an  den  sich  der  bald  gebrochene  moralische  
 Muth  krampfhaft  anklammerte. 
 ■  Als  wir,  etwa  eine  Stunde  vor  Sonnenaufgang,  mit  unserer  Karawane  
 reisefertig  dastanden  und  zum  Thore  ausrücken  wollten,  fand  es  sich,  dafs  
 sämmtliche  Zugänge  zur  Stadt  gesperrt  und  mit Wachen,  natürlich  schlafenden, 
   besetzt  waren.  Kein Geschenk  vermochte  die geweckten Thorhüter  
 zu  bewegen,  die  sperrenden  Riegel  zu  lösen,  und  erst  der  Firman  S.  M.  
 desiSchah,  welcher  zum  Hakim  der  Stadt  geschickt  werden  mufste,  half  
 uns*aus  der  Noth.  Man  sieht,  in  Sultanabäd  wird  aufgepafst;  so  lange  
 nicht  die  Sonne  aus  ihrem  feuchten  Bette  aufgestanden  ist,  darf  weder  
 Mensch  noch  Thier  durch  irgend  ein  Thor  der  Stadt  ein-  oder  ausziehen. 
 ■Nachdem  wir  das  Stadtthor  und  die  schlechte  Holzbrücke  über  dem  
 Festungsgraben  hinter  uns  liegen  hatten, : schlugen  wir  bei  Sonnenaufgang  
 die IRichtung  nach  Osten  ein.  Das  Wetter  machte  uns  weder  heute  noch  
 sonst .an  einem  anderen Datum  auf  diesem Theile  unserer  Reise  besondere  
 Querstriche,  da  ein  Tag  wie  der  andere  ist,  und  nur  in  der Regenzeit  ein  
 vorübergehender  Wechsel  der  Witterung  einzutreten  pflegt.  Nach  dem  
 Weflei  zu  fragen,  fällt  daher Niemand  ein,  der Stoff zur Anknüpfung  eines  
 Gespräches  mufs  folglich  von  anderwärts  her  geholt werden.  Die Karawane  
 hielt  auf  ihrem  Marsche  die  Südseite  der Bergkette  inne,  von  welcher  der  
 Horizont  der  grofsen  Hochfläche  von  Sultanabäd,  mit  ihren  traurigen Dörfern  
 und  isolirt  stehenden  Bergkegeln,  umzogen  is t,  und  erst  gegen  acht  
 Morgens,  nachdem  wir  eine  niedrige  Höhe  überwunden  hatten,  auf  
 welcher  sich  neben  einem verfallenen Bauwerke  stugnirendes,  höchstens für  
 durstige  Thiere  trinkbares- Wasser  befindet,  veränderte  sich  das  Bild  der