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 waren.  Man  seufzte  tief  und  empfand  schmerzlich  den  Unterschied  asiatischer  
 Schlaffheit  -vor  der  europäischen  Lebenskraft.  Die  Unzufriedenheit  
 und  Mifsstimmung  ergriff  alle  Schichten  der  Bevölkerung,  und  in  den  Bazaren  
 tuschelte  man  sich  in  die  Ohren,  dafs  das  persische  Reich  in  dei-  
 maliger Weise  nicht  lange  mehr  bestehen  könne.  Die Grofsen  des Reiches,  
 mit  Ausnahme  der  wenigen  Personen  in  unmittelbarster  Nähe  des- Schah,  
 äufserten  unverholen  und  in  den  herbsten  Ausdrücken  ihr  Mifsbehagen  an  
 den  gegenwärtigen  hoffnungslosen  Zuständen.  Dazu  kam,  dafs  die  Regierung  
 bereits  seit Monaten  den Beamten  nach  orientalischer  Gewohnheit  die  
 Besoldungen  vorenthielt,  ein  Umstand,  der  bei  der  herrschenden  Theue-  
 rung  der  Lebensmittel  nicht  wenig  zur  Vergröfserung  der  allgemeinen  Erbitterung  
 beitrug.  Das  arme  Yolk  lebte  in Jammer  und Elend  und  konnte  
 sich  nur  mühsam  der  Sorge  für  das  tägliche  Brot  entledigen.  Mehr  als  je  
 hatte  der -Schah,  der  von  dem  Zustande  des  Landes  gar  nichts  zu  wissen  
 schien,  für  seine  Ruhe  zu  fürchten.  Es  ist  ein  wahres  Glück  für'morgenländische  
 Herrscher,  dafs  man  unmittelbar  in  der  geheiligten  Person  des  
 regierenden Fürsten  das Wohl  des  Staates  erblickt,  und  dafs  ein  Jeder,  mögen  
 seine Gesinnungen  noch  so  illoyal  sein,  dennoch  nie wagen würde,  die  
 Person  des  Herrschers  anzutasten.  Die  Zeitumstände  würden  bei  anderen  
 Ansichten  jedenfalls  schwer  zu  beklagende  Ereignisse  nach  sich  gezogen  
 haben.  Uebrigens  fehlte  es  nicht  an  solchen,  welche  schliefslich  den  Muth  
 hatten,  der  höchsten  Person  im  Reiche  den  wahren  Zustand  der Dinge  zu  
 enthüllen  und  zugleich  die Mittel  anzugeben,  in  welchen  das  schwimmende  
 Wrack  des  Staates  glücklich  aus  dem  Sturm  -der Zeit  zu  fetten  wäre.  Mil-  
 kom  Khan,  ein  Armenier  von  Geburt,  einer  der  gewandtesten  und  geistreichsten, 
   zu  gleicher  Zeit  auch  mit  europäischen  Sitten,  Gewohnheiten,  
 Ansichten  und  Staatsformen  vertrautesten  Beamten  des  Schah,  hatte  in  
 einer  anonymen  Denkschrift,  welche.er  geschickt  in  die  Hände  des  Schah  
 spielte,  seine  Meinung  über  die  Lebensfähigkeit  des  persischen  Reiches  
 auseinandergesetzt,  und  besonders  die  politische  Gefahr  hervorgehoben,  in  
 welcher  sich  Iran  dem  grofsen  nördlichen Nachbar  gegenüber  befand.  Der  
 Schah  hatte  die  Arbeit  gelesen  und  gelobt,  der  Inhalt  hatte  ihn  auf  das  
 Aeufserste  interessirt,  jedoch  soll  er  sein  ürtheil  in  die  ächt  persischen  
 Worte  zusammengefafst  haben:  „Wenn’s  nur jetzt nicht geschieht,  was  sich  
 »nach  meinem  Tode  ereignet,  ist  mir  vollständig  gleichgültig. 
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 Ali’s  Geburtstag. 309 
 Es  konnte  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  die  Besonneneren,  denen  in  
 der  That  an  der  Erhaltung  des  Reiches  lag,  immer  mehr  und  mehr  das  
 Bedürfnifs  nach Reformen  empfanden,  und  anfingen,  sich  unter  den  Europäern  
 aufmerksam  nach  ihren  Freunden  und  Feinden  umzusehen.  Leider  
 schlug  man  wie  gewöhnlich  den  verkehrten  Weg  ein.  Man  nahm,  nach  
 eingeholtem  Rathe,  ungewöhnliche  Anläufe  und  liefs  in  aller  Eile  auf  Allerhöchsten  
 Befehl  aus  dem  Französischen  in  das Persische  Reorganisations-  
 Pläne  übersetzen,  abschreiben,  vertheilen,  Alles  nur  dazu  gut,  um  das  
 geduldige  reformatorische  Papier,  unter  die  Diwankissen  zu  schieben  und  
 damit  vorläufiger  Vergessenheit  anheimzustellen.  Man  dachte  und  denkt  
 nicht  daran,  dafs  die  Uhr  der  Weltgeschichte  ruhig  ihren  regelmäfsigen  
 Gang  weitergeht  und  nicht  danach  fragt,  ob  die  persische  Uhr  ein  Paar 
 Stunden  im  Rückstände  ist. 
 Am  25.  Januar  stellte  sich  nach  einem  furchtbaren  Winde  eine  eisige  
 Kälte  ein;  das  Haus  schien  in  seinen  Grundvesten  zu  wanken,  und  die  
 persischen  Fenster  klirrten  und  klapperten  die  ganze Nacht  hindurch.  Am  
 Abend  des  vorhergehenden  Tages  zeigten  Kanonenschüsse  von  der  Cita-  
 delle  her,  aufsteigende  Raketen,  Leuchtkugeln  und Montgolfieren  der  nicht  
 besonders  festlich  gestimmten  .Bevölkerung  den Vorabend  des Geburtstages  
 A li’s,- „über  dem  der Friede  sei“,  an.  Am  25sten  fand  das  eigentliche  Fest  
 statt.  Der  König  hielt  ein  öffentliches  Seldm,  zu  welchem  aus  relgiösen  
 Rücksichten  von  den  Vertretern  der  europäischen  Gesandtschaften  nur  der  
 türkische  eingeladen-und  zugelassen  wird.  Die  roth  gestiefelten  und  be-  
 turbanten  Grofsen  stellen  sich  dabei  dem  Könige  v or,  der  in  Pracht  und  
 Herrlichkeit  auf  seinem  Pfauenthron  s itz t,  und  drücken  ihm  ihre  Glückwünsche  
 aus.  Einer  von  ihnen  hält  für  das  Selamet  oder  das  Wohl  des  
 Königs  eine  erbauliche  Rede,  hierauf  wird  geschossen,  die  Truppen  salu-  
 tiren  und  Musik  ertönt.  Seine  Majestät  läfst  sich  inzwischen  seinen  goldenen, 
   mit  Diamanten  und  anderen  Edelsteinen  reich  besetzten  Staats-  
 kaliun  reichen,  raucht  ein  Paar  Züge  daraus  und  setzt  die  Pfeife  nieder.  
 Dies  ist  das  Zeichen,  dafs  das  offizielle  Seldm  zu  Ende  ist.  Der  zweite  
 Akt  der  Feier  ist  allgemeinerer  Natur.  Der  Schah  erscheint  auf  dem  Balkon  
 (halakhaneh)  seines Palastes,  nach  dem  Burgplatz  hinaus,  auf  welchem  
 inmitten  der  versammelten  schaulustigen  Menge  Teherans  Seiltänzer,  Tänzer, 
   Sänger,  Ringer  u.  s.  w.  eine  Stunde  lang  vor  Sr.  Maj.,  wie  man  in  
 Persien  sagt,  „T^mascha“  machen,  d.  h.  ihre  Leistungen  produciren.  Der