annehmen zu wollen, nahm er herzlichen Abschied. Die Karawane rückte
den Engpafs hinauf; noch einmal warf ich oben von seiner Höhe einen
Blick über das so malerisch gelegene Schiräz und befand mich bald wieder
an der murmelnden Roknabdd-Qnelle in dem traurigen Thale. vor Schiräz.
Kaum hatte die Karawane den Quell im Rücken, so verfinsterte sich
der ganze westliche Himmel durch Regenwolken, die bis dahin stechende
Sonne verschwand hinter einem dichten Nebelschleier, und ein kühler Wind
erhob sich, um die angenehmste Frische zuzufächeln. Zum Regen kam es
jedoch nicht. Auf unserem Wege nach der ersten Station Zergun begeg-
neten wir vielen Dörflern, die mit den langen persischen Gewehren oder
mit Stöcken bewaffnet werden, an deren oberem Ende ein metallener ausgezackter
Knopf angebracht war. Sie trieben ihre Esel vor sich hin, um
deren Last, aus Getreide (gendum) und Melonen bestehend, den Schiräzern
zum Verkauf anzubieten. In Zergun sah es nicht anders als vor den wenigen
Tagen aus, als wir dort die letzte Rast vor Schiräz hielten. Ich
nahm mein Menzil in dem Posthause, wo ich ein Zimmer im Erdgeschofs
bezog, und brachte hier den Rest des Tages (um vier Uhr Nachmittags
waren wir angekommen) und die darauf folgende Nacht zu. Auf dem Hofe
des Tschaparkhaneh fiel mir der Brunnen auf, aus dem die Leute mittelst
eines Drehrades und Gefäfses das Wasser schöpften. Schon in Schiräz
waren mir diese Brunnen bemerkenswerth geschienen.
Am 25. October erprobte der Herr Tscherwadar meine Geduld einmal
wieder in der härtesten Weise. Nachdem er mich um vier Morgens aus
meinem Lager hervorgebrüllt hatte, liefs er mich zwei volle Stunden, bis
znm Sonnenaufgang warten, ehe es ihm beliebte, die Karawane packen
und aufbrechen zu lassen. Die Luft war gradezu kalt zu nennen. Nase,
Füfse und Hände froren auf das empfindlichste. Obgleich die Sonne zwei
Stunden später anfing ein wenig zu wärmen, so liefs sich der Reisepelz
dennoch sehr gut ertragen.
Nach einem Ritte von anderthalb Stunden befand ich mich vor der
Brücke vom Pul-e-hhdn. Auf dem jenseitigen Ufer stationirte immer noch
die Cholera-Wache. Sie salntirte mit den Worten khaber-ddd und gab die
Auskunft, dafs die Cholera nicht in Siwend, wohl aber in dem Dorfe Seiddn
(Seidün) sei, das wir diesmal auf unserer Reise zu vermeiden hätten. Auf
dem Ritte über die zwei Stunden breite Ebene von Merddscht schlugen wir
die Richtung der Ruine von Persepolis ein, um das eine Viertelstunde südwärts
davon ab gelegene Menzil Kenareh, ein höchst bescheidenes Dorf
ohne Kal’a, zu erreichen. Ich war mit dem deutschen Kammerdiener des
Ministers der Karawane vorangeritten, hatte aber den Weg verfehlt, und
so geriethen wir in ein wahres Labyrinth von Gräben mit und ohne Wasser,
die wir mit den Pferden durchwateten oder durch einen kühnen Sprung
überwanden. Wir befanden uns zuletzt in der Nähe eines Dorfes, in welchem
an fünfzig bis sechszig Leute auf dem Dache eines grofsen Hauses
versammelt waren, wie es schien, um über irgend einen hochwichtigen
Gegenstand Rathes zu pflegen. Sie waren gütig genug, uns den zu machenden
Umweg anzuzeigen, um Kenareh zu erreichen, wohin wir endlich nach
einem vierstündigen Marsche von Zergun aus gelangten. Der Tscherwadar
gab als Entfernung beider Localitäten fünf Fersach a n , mit Rücksicht auf
die Zeit, den von uns gemachten Umweg mit eingerechnet, konnten es
höchstens nur drei persische Meilen gewesen sein.
Auf den bebauten Feldern der Ebene von Merddscht hatte man bereits
das Getreide mit der Sichel abgeschnitten, aber bis zu einem und einem
halben Fufs Höhe im Stroh stehen lassen. Schaaren wilder Gänse safsen
auf dem Boden zwischen den hohen Stoppeln, in geselliger Gemeinschaft
mit grofsen, blauschwarz glänzenden Krähen oder Raben, in deren Verfolgung
sich unser Jagdhund vergeblich abhetzte.
Meine Wohnung in dem elenden Dorfe schlug ich in der Hütte eines
biederen Alten auf. Er hatte mir sehr gefällig das gröfste Gemach eingeräumt,
dessen einziger Schmuck aufser dem russigen Ueberzug zwei Thü-
ren und zwei zugestopfte Fensteröffnungen waren. Die Leute im Dorfe
versammelten sich in Menge, um meine fränkische Figur anzugaffen, andere
kamen, um mir Alterthümer aus „Dschemschid?s“ Zeit anzubieten. Leider
fand sich wenig. Interessantes unter den Münzen und geschnittenen Steinen,
so dafs die Ausbeute nur eine sehr mäfsige war.
Kaum hatte sich der äufserste Rand der Sonnenscheibe am 26. October
über dem Horizont erhoben, so zog unsere Karawane bereits aus dem Dorfe
Kenarih in gewohnter Ordnung aus, um Angesichts der malerisch beleuchteten
Ruinen von Persepolis beim hellen Klange der Schellen und Glocken
der Leitthiere in munterem Schritt über die Felder hinweg den Weg
nach- der nächsten Station Siwend einzuschlagen. Die Kälte war in der
Frühe des Tages nicht gering. Die Zähne klapperten uns im Munde vor
Frost und unsere Perser, weniger dicht und warm gekleidet als wir Eu