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 zu  den  Spieltischen  hin  in  jeder  Weise  augenscheinlichst  Sorge  getragen.  
 Trotzdem  der  Zug  als  Schnellzug  annoncirt  war,  so  bestand  er  dennoch  
 eigentlich  nur  aus  einem  fortgesetzten  Anhalten  vor  ein-  und  zweistündigen  
 Efs-Stationen  mit  militärisch  costiimirter  Personalbesetzung.  Die  Reisenden  
 nahmen  vor  glänzend  servirten  Tafeln  ihren  Platz,  und  die  Loco-  
 motive  setzte  sich  nicht  früher  in  Bewegung,  als  bis  der  letzte Mann  vom  
 Tische  aufgestanden  war. 
 So  weit  ich  es  beim  Tageslichte  bemerken  konnte,  nahm  die  Vegetation  
 nach  Norden  hin  an  Frische  und  Mannichfaltigkeit  ab.  Sich  weit  
 ausdehnende  dunkle  Nadelholzwaldungen,  langgestreckte  Seen,  grofse  Dörfer, 
   ans  grauen Holzhütten  mit Holzdächern  bestehend,  bildeten fortdauernd  
 die  Scenerie  neben  der  eisernen  Strafse.  In  der  Frühe  des  nächsten  Tages  
 (d.  2.  Juni)  war  St. Petersburg  sichtbar. 
 Ich  nehme  hiermit Abschied  vom Leser,  um  der langersehnten Heimath  
 zuzueilen.  Obgleich  die  Eisenbahn  von  St.  Petersburg  nach  Berlin  (Juni  
 1861)  noch  nicht  vollständig  fahrbar  und  die  bequemere  Seereise  deshalb  
 vorzuziehen  war,  so  schlug  ich  dennoch  den  Landweg  ein,  der  mir  noch  
 einmal  Gelegenheit  gab,  mitten  im  herrlichen  Frühlingsschmuck  der Landschaft  
 zwischen  Dünaburg  und  Köwno,  die  russische  Telega  zu  erproben. 
 Als  ich  endlich  die  schwarzweifsen  Grenzpfähle  meiner  Heimath  zum  
 erstenmale  wiedererblickte,  da  hätte  ich  vor  Freude  und  Rührung  vergehen  
 können  und  das Herz  schlug  mir  hörbar  in  der übervollen Brust.  Und  
 wie  ich  in  dem Gensd’armen  an  der Grenze  den  ersten  preufsisehen Landsmann  
 auf  dem  heimathlichen Grund  und  Boden  erkannte,  da wäre  ich  beinahe  
 aus  dem  Wagen  hinausgestürzt,  um  ihm  um  den  Hals  zu  fallen  und  
 mit  Thränen  zuzurufen,  dafs  auch  ich  ein  preufsisches  Landeskind  bin. 
 Lache  darüber,  wem  es  zu  lachen  beliebt!  J a ,  es  ist  etwas  Schönes,  
 etwas Herrliches  um  den Boden  der  Heimath,  um  das  Vaterland.  Tausend  
 zarte Erinnerungen werden  dem  Rückkehrenden mit einem Male  in  der Seele  
 wachgerufen,  treten  lebendig  vor  seine  Äugen  und  winken  ihm  aus  allen  
 Ecken  und  Enden  z u ,  von  den  Zeiten  der  Kindheit  an  bis  zu  dem  Augenblicke  
 der  letzten  Trennung  vom  heimischen  Heerde. 
 Aber  nicht  blofs  das Wiedersehen  des Vaterlandes  ergriff mich  so  tief;  
 das  Bewufstsein  nach  längerem  Aufenthalte  auf  asiatischer  Erde  unter  
 gesetz-  und  culturlosen  Massen  wieder  in  einem  Rechtsstaate  leben  zu  
 dürfen,  hätte  mich  so  begeistert,  dafs  ich  in  jenem  Gensd’armen  nicht  nur  
 den  Landsmann,  sondern  auch  das  verkörperte  Symbol  des  Gesetzes  und  
 der  Ordnung  erblickte.  Ich  hatte  von  nun  an  keinen  Sinn  mehr  für  alles  
 was  mich  umgab.  Eine  ganze  Welt  lag  ja   in  mir  selber. 
 An  einem  schönen  Junimorgen  sah  ich  Berlin  wieder.  Mein  erstes  
 Gefühl  umfafste  den  innigsten  Dank  gegen  den  Allmächtigen,  der  mich  
 auf  allen Wanderungen  so  sichtbar  behütet  und  beschirmt  und mir schliefs-  
 lich  das  unbeschreibliche  Glück  des  Wiedersehens  geschenkt  hatte. 
 Aber  ich  kehrte  allein  zurück!  —  Den  besten  Mann  der  preufsisehen  
 Mission  hatte  die  persische  Erde  für  sich  behalten.  Friede  seiner  Asche!