
 
        
         
		reichten  mit  der  Bitte,  uns  sobald  wie  möglich  zur  Weiterreise  behülf-  
 lich  zu  sein. 
 Die  gastfreundschaftlichste  Aufnahme  wurde  uns  von  dem Commissair  
 zu  Theil,  der  uns  ein  europäisch  meublirtes  und  eingerichtetes  Zimmer  
 als  Aufenthalt  einräumte,  in  dem  wir  tausend  Dinge,  die  uns  sicher  in  
 Europa  nie  aufgefallen  waren,  entdeckten,  auf  das  angenehmste  durch  
 die Wohlthat  des  europäischen  Comforts  berührt.  Die Holzdielen,  die  fest-  
 schliefsenden  Glasfenster,  die  sauber  polirten  und  geschmackvoll  gearbeiteten  
 Meubel,  Alles  das  schien  uns  gänzlich  neu  zu  sein,  und  der  langentbehrte  
 Anblick  einer  europäischen  Wohnstätte  entzückte  uns  ebenso  
 sehr,  als  den  persischen Mehmenddr,  der  zum  ersten  Mal  ein  Frengi-Bnus  
 sah,  Alles  neugierig  betrachtete  und  befühlte,  und  in  ununterbrochener  
 Verwunderüng  die  lobenden  Worte:  „Beh,  beh,  beh! “  mit  ungläubigem  
 Kopfschütteln  zum  Besten  gab. 
 XVin.  Kapitel. 
 R e is e   d u r c h   d a s   a s i a t i s c h e   R u f s l a n d   z w i s c h e n   d em   S c h w a r z e n   u n d   d em 
 K a s p i s c h e n   M e e re .  . 
 Nachdem  wir Abschied  vom  Mehmenddr  und  unseren  persischen  Dienern  
 genommen,  die  uns  mit  thränendem Auge  Lebewohl  sagten  und  sich  
 mit  der Hoffnung  getrösteten,  uns  dereinst  an  dieser  Stelle  wiederzusehen,  
 hatten  wir  erst  die  Zeit  gewonnen,  uns  nach  den  getroffenen  Vorkehrungen  
 für  unsere Weiterreise  näher  umzusehen.  Unser  nächstes Reiseziel war  
 Tiflis,  von  wo  aus  wir  das  Schwarze  Meer  zu  erreichen  oder  die  grofse  
 Landreise  durch  ganz  Kaukasien  (Trans-  und  Ciskaukasien)  und  hernach  
 über Warschau  und  St.  Petersburg  zurückzulegen gedachten.  Die beschwerliche  
 Wanderung  zu Pferde  hatte  von  hier  an  ihr Ende  erreicht,  und wenn  
 auch  die  Wagen,  die  berüchtigten  russischen  Telega’s ,  kein  besonders  angenehmes  
 Reisevehikel  waren,  so  hatten  sie  doch  den  grofsen  Vortheil,  
 Mannschaft  und  Gepäck  mit  Hülfe  weniger  Pferde  auf  das  Schnellste  zu  
 befördern.  Die  beiden  verlangten  Telega’s  kamen  leider  erst  gegen  fünf 
 Uhr  Nachmittags  in  Dschulfa  von  Ordubad  her  an,  da  der  letztgenannte  
 Ort  die  eigentliche Poststation  an  der  russisch-asiatischen Grenze  ist.  Herr  
 v. Gr olma n  und  ich  nahmen  auf  dem  ersten Wagenkasten  auf einem  Theil  
 unseres  Gepäckes  Platz,  die  beiden  uns  begleitenden  deutschen  Diener  auf  
 dem  zweiten,  wir  riefen  noch  einmal  den  russischen  Beamten  herzlichstes  
 Lebewohl  zu  und  mit  lautem  Halloh  trieben  die  fahrenden  Tataren  das  
 klingelnde  Troikagespann  zum  eiligsten  Lauf  an.  Ein  strammer  Kosaken-  
 Unteroffizier  begleitete  uns  zu  Pferde  und  zeigte  sich  durch  sein  Benehmen  
 als  ein  civilisationsfreundlieher Unterthan  seines  grofsen Kaisers.  Eine  
 angebotene  Cigarre  acceptirte  er  freundlich  schmunzelnd  mit  einem  ko-  
 sakisch-französischen  „merschi  moschjö!“  Halbwegs  zwischen  Dschulfa  
 und  Nachitschewan  wurden  in  der  Nähe  der  einsamen  Kosakenstation  die  
 Pferde  und  die  militairische  Begleitung  gewechselt.  Statt  unseres  Unteroffiziers, 
   der  sich  militairisch  grüfsend  empfahl,  erhielten  wir  zwei  lanzenkundige  
 tatarische  Militairs,  von  denen  sich  der  eine  zu  unserem  Erstaunen  
 als  einen  zum Mohamedanismus  übergetretenen Polen  aus Warschau  
 zu  erkennen  gab.  Der  Mann  gehörte  mit  zu  den  wunderbaren Existenzen,  
 an  denen  der  Kaukasus  so  überreich  ist  und  deren  Dasein  aus  einer  ununterbrochenen  
 Kette  der  merkwürdigsten Schicksale  und Wechselfälle  besteht. 
   Auf  der  Weiterreise  durch  den  Kaukasus  hatte  ich  oftmals  Gelegenheit, 
   auf  polnische  Juden  und  geborene  Polen  zu  stofsen,  welche  in  
 den  grauen  russischen  Soldatenmantel  gesteckt  waren  und  bereits  seit einer  
 langen  Reihe  von  Jahren  in  Asien  ein  trauriges  Leben  fristeten. 
 Die  Sonne  war  bereits  längst  untergegangen,  als  wir  uns  auf  der  
 Strafse  vor  Nachitschewan  befanden,  ich  in  stille Betrachtungen  versunken,  
 deren  Hauptgegenstand  die  Erinnerung  an  die  tolle  Reise  von  Maran  nach  
 Kutdis  war.  Denn  die  Troika  flog  mit  reifsender  Schnelligkeit  dahin;  wir  
 wurden  gerüttelt  und .geschüttelt,  dafs  es  nur  eine  Art  hatte,  von  der  
 einen  Seite  nach  der  ändern  geschleudert,  hielten  uns  krampfhaft  umschlungen, 
   um  uns  gegenseitig  vor  einem  jähen  Sturze  zu  schützen,  und  
 waren  in  der  Lage,  welche  ein  poetisches Wort  mit  dem  Ausdruck  „Hangen  
 und  bangen  in  schwebender Pein“  auf  Seelenzustände  angewendet  hat.  
 Dazu  liefs  sich  das  Wetter  ,trübe  an,  nnd  trotz  des  herrlichen  Regenbogens, 
   der  die  bunte Himmelsbrücke  vom  Schlangenberge  aus  bis  zum  persischen  
 Hochgebirge  ausspannte,  fiel  gegen  Abend  ein  so  bedeutender  Re-  
 gengufs,  dafs  wir  bis  auf  die  Haut  durchweicht  wurden.  Vor  d§m  rein