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 menschlicher  Wohnungen.  In  dichter  Nähe  davon  erinnern  rechts  und  
 links  vom  Wege  liegende  Todtenäcker  alten  Datums  an  die  einstigen  Be-i  
 wohner  dieser  Stätte,  die  hier  auf einsamem,  traurigem,  wüstem Felde  den  
 langen  Todesschlaf  ruhen.  Nicht  weit  davon  ab  legt  sich  ein  breites? und  
 tiefes,  mit  zahllosen  Steinen  besäetes  Flufsbett  quer  vor  die  Stadt.  Es  ist  
 das  der Rudekhaneh-Harün,  über  den  eine  persische  Steinbrücke,  von  dreil  
 Bögen  gestützt  und  in  der  bekannten  halsbrecherischen Manier  ausgeführtj  
 nach  dem  jenseitigen  Ufer  hinübergeleitet.  Die  kellerartigen  Gänge  undl  
 Räumlichkeiten  linker Hand  am Ufer  des  jetzt  vollständig  trocken gelegten!  
 Flufsbettes  sind  uns  bis  auf den heutigen Tag  eine  räthselhafte  Erscheinung!  
 geblieben.  Grofse,  abgetretene  Steinplatten  mit  den  Resten  schöner  Ornamente  
 und Schriftzüge,  die  sich  vermauert  in  der Brücke  und  an  verschie-f  
 denen Stellen  am Wege  vorfanden,  deuten  auf alte,  glanzvollere Zeiten  hin,]  
 als  diejenigen  sind,  deren  sich  heutigen  Tages  die  Geschichte  Gülpaigänil  
 rühmen  kann. 
 So  malerisch  die  Stadt  von  weitem  erschien,  in  so  trauriger,  so  elen-l  
 der  Gestalt  trat  sie  in  der  Nähe,  zumal  bei  der  drückenden  Hitze,  und  
 den  vom  sechsstündigen  ununterbrochenen Marsche  ermüdeten Pilgern  entf  
 gegen.  Das  alte  Lied  von  den  persischen  Städten  wiederholte  sich  auchl  
 hier  in  neuer,  wenig  veränderter  Auflage.  Wo  man  hinsieht  und  hintrittl  
 da  ist  alles  zerfallen,  zerborsten,  vermodert,  versengt,  verbrannt,  sich  inl  
 feinste  Staubtheilchen aufiösend,  die  eben nicht als Augenbalsam  zu  empfeh-l  
 len  sein  dürften.  Wir  hatten  grofse  Mühe,  für  den  heutigen  Tag  ein  passendes  
 Quartier  zu  finden,  da  der  ganze Ort  sich  zur  Zeit  unserer Ankunft!  
 in  grofser  Aufregung  befand-,  welche  den  gröfsten  Theil  der  Einwohner  inl  
 das  Freie-geführt-hatte.  Es  sollte  nämlich  die  feierliche Ehrenrqckbeklei-I  
 dung  und  die  Einholung  des  Prinz - Gouverneur’s  Statt  linden,  und  da  er-|  
 klärte  es  sich  wohl  sehr  natürlich,  wenn Jung  und Alt  sich  auf den Beinen!  
 befand,  um  dieser  ächt  persischen  Ceremonie  in  aller  Ausführlichkeit  bei-l  
 zuwohnen.  Mit  der  Feierlichkeit  verhält  es  sich  folgendermafsen.  'Will  
 S.  M.  der  Schah  einen  Perser  seiner  Verdienste  halber  recht  ehren,  sol  
 sendet  er  ihm  durch  einen  Boten  ein  Ehrenkleid  (khel'dt),-  meist  in  Form!  
 eines  ziemlich  kurzschöfsigen  Rockes  mit  halben  Aermeln  von  Kaschmir-I  
 shawl-Stoff  gefertigt,  das  der  Betreffende  vor  dem Weichbilde  seiner Stadtl  
 an  einer  bestimmten  Stelle  anzieht,  um  sich  hernach,  mit  demselben  be-l 
 kleidet  in  feierlicher  Begleitung  hoch  zu  Rofs  heimkehrend,  der  verwunderten  
 Strafsenwelt  öffentlich  zu  zeigen. 
 ■  Der  Prinz - Gouverneur,  dem  heute  eine  solche  Ehre  zu  Theil  werden  
 sollte,  befand  sich  eben  draufsen,  wo  die  Geremonie  Statt  fand,  die  vornehmsten  
 Gülpaiganen  mit  ihm,  so  dafs  wir  von  besonderem  Glücke  sprechen  
 konnten,  als  ein  Jude  artig  genug  war,  uns  in  seiner  freilich  ärmlichen  
 Behausung  vor  der  Stadt  ein  Unterkommen  zu  gewähren. 
 ■ E tw a   zwei  Stunden  vor  Sonnenuntergang  beschlossen  wir  einen  Spaziergang  
 durch die  Stadt zu unternehmen,  wobei uns  der  jüdische Hauswirth  
 als Begleiter  diente.  -  Gülpaigän  ist  auch  im  Innern  ein  ruinirtes,  abscheuliches, 
   stinkendes  Menschennest.  Hier  steht  ein  einigermafsen  erhaltenes  
 Wohnhaus,  daneben und gegenüber  liegen  zehn  andere  in Erdklumpen,  vom  
 Regen  halb  verschwemmt,  zwischen Leichenäckern,  deren  Steine  wüst  und  
 verworren  durcheinanderliegen.  Linker Hand  von  der Gasse,  die  nach  dem  
 elenden Bazar  der Stadt  führte,  machte  sich  einzig  und  allein  ein  Todten-  
 acker,  obwohl  gering  an  Umfang,  durch  die  Schönheit  seiner  Grabsteine  
 bemerkbar,  noch  mehr  aber  durch  die  Anwesenheit  zweier  Granitlöwen,  
 welehe  in  einer  gewissen Zeit  der  persischen Geschichte  als  beliebte Grabdenkmäler  
 gegolten  haben  müssen,  da  sie  sich  nicht  selten  auf  älteren  
 Todtenackern  vorfinden.  Sie,  wie  es  nach  einigen Andeutungen bei R i t t e r   
 vermuthet  werden  könnte,  in  die  Zeiten  der  älteren  persischen  Geschichte  
 zu  versetzen,  dazu  fehlt jede Veranlassung.  Die Granitlöwen  von  Gülpaigän  
 sind  in  einem  barbarischen Style  gehalten,  jeder  trägt  einige Reihen  arabischer  
 oder  persischer  Schriftzeichen  und  an  der  linken  Seite  des  Leibes  ist  
 ein gewaltiger krummer Säbel eingemeifselt.  Solche Grabdenkmäler in Löwengestalt  
 müssen,  wie  sich leicht ahnen läfst,  Personen  geweiht  gewesen  sein,  
 die  sich  durch  kriegerische  Thaten  besonders  hervorgetban  hatten.  Auch  
 in  der  gleich  näher  zu  erwähnenden  Stadt  Khonsdr  fanden  wir  auf  einem  
 der  zahlreichen'Leichenäcker  derartige  Löwendenkmäler  vor,  die,  so  hat  
 es den Anschein,  in diesen Gegenden besonders beliebt gewesen  sein müssen.  
 Kaum  hatten  wir  die  steinernen Löwen  im Rücken,  als  uns  auf dem Gange  
 durch  die  enge  Gasse  in  der  Richtung  nach  dem  Bazar  hin  eine  dichte,  
 undurchdringliche  Staubwolke  entgegenwirbelte,  deren  realster  Kern  sich  
 in  nächster  Nähe  in  den  sonderbarsten  Menschenknäuel  auflöste.  Wir  
 drückten  uns,  so  gut  es  angehen  wollte,  mit  dem  Rücken  an  die  eine  
 Maüerwand  der  Gasse  und  hatten  die  unverhoffte Ehre,  den Gouverneur  in