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 an  ihrer  Ruhestätte  ihre  Verehrung  auszudrücken.  Eine  Stadt  mit  so  vielen  
 Heiligen  mufs  natürlicherweise  in  einem  ganz  besonders  heiligen  Gerüche  
 stehen,  der  sich  vor Allem  darin  zeigt,'  dafs  sie  keinem  Christen  
 Herberge  gewährt  und  dafs  das Geld,  welches  ein  Christ  für  eine  gekaufte  
 Waare  im  Bazare  zahlt,  von  dem  Kaufmann  nur  in  einer  Wasserschüssel  
 empfangen  wird.  Nach  persischer  Vorstellung  hat  das  feuchte  Element  
 die  löbliche  Eigenschaft,  die  an  dem  Geldstück  klebende  christliche  Unreinheit  
 vollständig  abzuwaschen.  Ich  weifs  nicht,  ob  die  Sache  begründet  
 ist,  dafs  sich  neben  den  Heiligen  von  Qurn  die  lebenden  Bewohner  der  
 Stadt  durch  eine  hervorstechende  Anlage  zur  Spitzbüberei  auszeichnen.  
 Jedenfalls  ist  dies  nicht  unwahrscheinlich,  da  in  allen  Wallfahrtsstätten  
 Persiens  und  vielleicht  auch  in  manchen  anderen  Ländern  der Welt  die  
 kaufmännische  Spekulation  mit  der Heiligkeit  Hand  in  Hand  geht. 
 In  Qurn,  woselbst  nach  den  Versicherungen  der  Leute  zur  Zeit  unserer  
 Anwesenheit  die  Cholera  stark  aufgetret.e# war,  beträgt  die  Bevöl 
 kerung  kaum  10,000  Seelen. 
 Unser  Aufenthalt  in  dem  Posthause  aufserhalb  der  Stadt  war  durch  
 nichts  Besonderes  bemerkenswerth,  als  durch  die  Erfahrung,  dafs  die Perser  
 zwei  Arten  von  Turtel-  oder  Trommeltauben  zu  essen  anstehen,  und  
 zwar  aus  dem  triftigen  Grunde,  weil  die  eine  ihrer  Meinung  nach  ja   hu!  
 d.  h.  „ 0   Gott!“  (wörtlich  „0 E r“) .—  die  andere  ja   kerim!  d. h.  „0 Allbarmherziger!“ 
   turtelt. 
 Trotz  der  Sehnsucht  unserer  Perser,  in  der  heiligen  Stadt länger  zu  
 weilen,  liefs  ich  dennoch  am  nächsten  Tage,  dem  29.  November,  die  Karawane  
 aufbrechen,  wiewohl  sich,  angeblich  durch  Schuld  des  Tscherwa-  
 ddrs,  die  Abreise  bis  gegen  9  Uhr  Morgens  verzögerte.  Der  Regen,  welcher  
 die  ganze  Nacht  hindurch  gedauert  hatte,  hörte  auf,  und  wenngleich  
 der Himmel  ein  drohendes  Wolkennetz  ausspannte ;  so  legten  wir  dennoch  
 den  vier Fersach  langen Weg  bis  zum  nächsten Menzile  mit  trockener Haut  
 zurück.  Die  Karawanenstrafse  führt  zunächst,  aufwärts  steigend,'auf  den  
 Kamm  eines  niedrigen Höhenzuges,  von  dem  aus wir  eine  prachtvolle Aussicht  
 nach  dem  im Norden  liegenden,  von  oben  bis  unten  mit  glänzendem  
 Schnee  bedeckten  Elburs  hatten.  Der  Anblick  dieser  mächtigen  Felsenmasse  
 in  ihrem  Winterkleide  war  für  uns  so  neu,  dafs  wir  den  alten  bekannten  
 Riesennachbar  von  Schimran  kaum  wiedererkannten.  Er  schien 
 so  nahe  zu  liegen,  als  könnten  wir  ihn  nach  einem kurzen Ritte  erreichen.  
 Von  der  Höhe  aus  steigt  man  in  eine  grofse  wüste  Ebene  nieder,  deren  
 einziger  Ruhepunkt  für  das Auge  das  einsam  stehende  Haus  eines  Kahun-  
 fvrüsch  oder  Kaliunhändlers  bezeichnet.  Wir  machten  bei  demselben  Station, 
   tranken  mehrere  Gläser  Zimmetthee,  rauchten  den  angebotenen  Ka-  
 Uun,  und  waren  verwundert,  in  einiger  Entfernung  von  dem  Orte  unseres  
 Haltes  mitten  in  der Wüstenei  kleine Dorffestungen  zu  entdecken,  die  sich 
 vorher  unseren  Blicken  verborgen  hatten. 
 Auf  dem  aufgeweichten  Wege,  in  dem  unsere  Pferde  bisweilen  fufs-  
 tief  einsanken,  begegneten wir  vielen  Karawanen  mit  Getreidesäcken,  die  
 als  M a l - i-P a d is e h a h ,  d .h .  Eigenthum  des  Schah  bezeichnet  wurden. 
 In  der  Ferne  leuchtete" uns  am.Fufse  eines  ziemlich  hohen Bergzuges,  
 den  wir  am  folgenden Tage  überschreiten  sollten,  das weifs  glänzende Menzile  
 in Gestalt  eines  viereckigen  Kastens  deutlich  erkennbar  entgegen.  Wir  
 erreichten  es  nach  einem  Ritte  von  vier  und  einer  halben  Stunde,  nachdem  
 wir  über  einer  auf  zehn  Bogen  ruhenden  steinernen  Brücke  ’einen  
 Flufs  mit  tiefem Bette  passirt  hatten.  Der Ort  führt  den Namen P u l - i - d e l -   
 la k ,  d.  h.  Bartscheerersbrück,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  -weil  ein  Bart-  
 scheerer  in  alten  Tagen  denselben  durchwaten  wollte,  bei  diesem  Unternehmen  
 jedoch  den  Boden  unter  den  Füfsen  verlor  und,,  von  der  Fluth  
 weggerissen,  ertrank.  Um  seinen  Nachfolgern  ein  ähnliches  Schicksal  zu  
 ersparen,-  sei  man  auf  den  weisen  Gedanken  gekommen,-über  den  Flufs  
 eine Brücke'zu  legen.  * So  erzählte  mir  der Postmeister  des Ortes mit einer  
 Miene,  als  habe  er  mir  das  wichtigste  historische  Factum  mitgetheilt. 
 Die  gegenwärtige Brücke  ist  übrigens  nicht  die  erste,  welche  die  beiden  
 Flufsufer  mit  einander  verband;.  Die  Rudera  einer  alteren  tauchen  
 in  Gestalt  vier  massiver  Bögen  aus  dem  Flufsbett  hervor  und  gehören  viel  
 wahrscheinlicher  zur  Pseudo - Geschichte  des  unglücklichen  Bartscheerers.  
 Der  Flufs  selber,  Salzwasser,  war  zur  Zeit  unserer  Anwesenheit  nicht  bedeutend, 
   mufs  jedocb,  nach  seinem  Bette  zu  urtheilen,  zeitweise  sehr  anschwellen. 
   Es  ist  der  sogenannte Khonsar-rud,  der nach R i t t e r   als  die  östliche  
 Fortsetzung  des  Kara-tschai  oder  Schwarzwassers  angesehen  wird. 
 Das  Posthaus  von  P u l - i - d e l l a k ,   die  einzige  menschliche  Stätte  m  der  
 ganzen  Gegend,  macht  einen  sehr  traurigen  Anblick  am  Eufse  unwirth-  
 licher Berge.  Die Einsamkeit  und  Abgeschiedenheit  desselben  hinderte  in-  
 defs  nicht,  dafs  mir  ein  höflicher  Perser  eine  Schachtel  saftig  schmecken-  
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