herzigkeit von bekannten Mohamedanern versagt, von einem unbekannten
Christen aber so opferfreudig gewährt sei.
Nauruz stand endlich vor der Thiir. Welch ein Zauber liegt für den
Perser in diesem kurzen Worte verborgen, wie strahlt sein Angesicht freudiger,
wie schlägt sein Puls schneller, wenn ihm mit dem Nauruz Dank
und Lohn verheifsen wird, wie läfst ihn die Hoffnung auf den Zukunfts-
Naurüz das Ungemach der Gegenwart leicht und gern ertragen, und wie
sehnt er sich, ungeduldig über den Schneckengang der Tage des Jahres
voll Mühe und Qual, nach dem endlichen Erscheinen des herrlichen Nauruz,
dem poetischen Schlufspunkte der langen Prosa des gewöhnlichen
Alltagslebens!
Welch ein räthselhaftes Wort mufs das sein, um solchen Reiz auszu-
iiben, so fragt Ihr, die Ihr nie in Persien gewesen seid und gesehen habt,
wie vor der Frühlingsnachtgleiche die ganze Bevölkerung auf den Beinen
ist, in den Bazaren umherstreift, hier mustert und prüft, dort handelt und
einkauft, hier bestellt, dort abholt, mit einem Wort, sieh so kauflustig herumtummelt,
als ob das liebe Christfest vor der Thür wäre. Die Kaufleute,
vor allen die speculativen Köpfe der europäischen Händler wissen’s ganz
genau, wie es dem Perser vor Nauruz so kauflustig zu Muthe ist, denn
das ist der Zeitpunkt ihrer ergiebigsten Ernte im ganzen langen Jahre,
und ihre reichsten Karawanen ziehen einen Monat vor Nauruz in die persischen
Hauptstädte ein.
Nauruz — das Wort ist so uralt als der damit bezeichnete Zeitpunkt
— heifst soviel als der n e u e Tag. Es ist der frohe „königliche“ Tag,
der Neujahrstag des altpersischen Sonnenjahres, der mit dem Augenblicke
beginnt, in welchem die Sonne nach der stürmischen winterlichen Jahreszeit
in die „Burg“ oder das Zodiakalzeichen des Widders tritt und der
holde Frühling mit seinem Rosenflor die Einkehr in Iran feiert. Wonne
und Freude erfüllt aller Herzen, der Nachbar beglückwünscht den Nachbar
ohne Unterschied des Ranges, denn der herrlichste Tag des ganzen
Jahres verlangt altersgraues Recht, das er seit mehr denn zwei Jahrtausenden
von Jahren im reinen Lande des Lichts so unvertilgbar behauptet
hat. Weder Religion noch Wechsel der Herrscherhäuser ist bis auf den
heutigen Tag im Stande gewesen, die herkömmliche Nauruz-Feier aus der
Gewohnheit zu verwischen, ja sogar mitten in der mondsüchtigrn Gesellschaft
mohamedanischer Tage des lunaren Jahres, nach dem die Gläubigen
des Propheten ihre Tage zu zählen und zu berechnen pflegen, hat der altheidnische
Nauruz-Jahresanfang seine Stelle als glanzvollste Spitze des untergegangenen
Sonnenjahres glücklich und bleibend erhalten.
Wenn es wunderbar erscheinen mufs, dafs bei einem Volke, welches
durch so viele Wechselschläge des Schicksals im Verlaufe der Geschichte
den gewaltigsten Umwandelungen unterworfen wurde, eine so vereinzelte
Spur der alten Zeit aus den Sitten und Gewohnheiten nicht hat verwischt
werden können, so ist es noch viel auffallender, dafs die Art der Feier,
selbst bis auf begleitende kleine Nehenumstände hin, sich in getreuen Zügen
von Alters her unwandelbar bewahrt hat. Altes Persertbum, alter
Lichtcultus hat nirgends so unverkennbar sein Dasein in der Ueberliefe-
rung behauptet, als an diesem merkwürdigen Festtage.
Die persischen Astrologen, welche mit der Abfassung des mohame-
danischen Kalenders bis zur Bestimmung der guten und bösen Tage hin
beschäftigt sind — gar wichtige, einflufsreiche Leute, wenn sie im Dienst
des „Mittelpunktes des Weltalls“ oder der Schahzadehs (Prinzen) die glücklichen
und schlimmen Stunden im voraus anzeigen — zerbrechen sich mit
langen Berechnungen den Kopf, um auf die Secunde genau den Eintiitt
der Sonne in die „Burg“ oder das Thierkreiszeichen des Widders ihren
Landsleuten für das bevorstehende Kalenderjahr anzuzeigen. Der alte Pto-
lemäus, die indischen Tafeln und europäischen Kalendarien werden zu
Rathe gezogen, um den europäischen Astronomen zu beweisen, wie der
persische Münedschim (Astrolog)' allein im Stande ist, den Punkt der Frühlingsnachtgleiche
haarscharf g e na u zu bestimmen.
Der Theil der Bevölkerung, welcher die' alten Traditionen gewissenhaft
hegt und befolgt, verfehlt nicht, zum Naurüz-Fest in kleinen Gärten
solche Blumen zu pflanzen, deren Ñamé mit einem S beginnt, und sie haben
hierin, ohne eff zu wissen, eine uralte heidnische Gewohnheit befolgt,
welche in den sogenannten Adonisgärten in lieblicher Symbolik das Fest
der wiedererwachenden Natur, der Geburt des Frühlings, nach dem langen
Winterschlafe alljährlich feierte. Auch die Derwische pflegen bisweilen neben
ihrem Zelte vor den Thüren der Vornehmen derartige ephemere Gärtchen
anzulegen. In den Bazaren herrscht ein reges Treiben und Leben,
die Buden werden mit Blumen, Bildern nnd Goldflittern geschmückt und
Zuckerwerk in allen Formen und Farben bedeckt abwechselnd mit den
übrigen Waaren und in gefälliger Gruppirunig die Bretter der Verkaufsbuden.