Nacht vom 27sten zum 28sten ein so anhaltender Schneefall, dafs die weifse
Winterdecke auf den Strafsen und Häuserdächern ohne zu schmelzen fufs-
hoch lag. Ein milderes Wetter, das sich am 29sten einstellte, verwandelte
den Schnee in Wasser; das feuchte Element vereinigte sich sofort mit der
Strafsenunterlage zu einer lehmartigen Masse, in welcher der gleitende Fufs
vergeblich einen festen Ruhepunkt zu fassen suchte. Es blieb mir ein wahres
Iiäthsel, wie die Bevölkerung, hauptsächlich aber die Damenwelt, im
Stande war, die angedeuteten Zustände des Strafsenterrains zu überwinden,
und ich bedauerte mehr als einmal die ängstlich von Stein zu Stein
hüpfenden und springenden, tief verhüllten Haremsgestalten, welche mit
Verlust eines oder beider gelben oder rothen Saffianstiefel nur mit Mühe
ein trockenes Plätzchen unter einer Hausthür erreichten. Dafür ist’s Winte
r, denkt man hier zu Lande und scheert sich den Kukuk um die Sorge,
seinen Leichnam mit Bequemlichkeit durch den Massenkoth der Strafse zu
schleppen, welcher alljährlich das ganze Europäerthum zur Verzweiflung
treibt. Nur in den verdeckten und überwölbten Bazaren herrscht einige
Trockenheit, wefshalb die Bevölkerung bei ihren Gängen, selbst auf die
Gefahr grofser Umwege hin, durch dieselben zu wandern pflegt. Die Kälte
hatte zwar nachgelassen, jedoch war sie immer noch empfindlich genug,
um einer europäischen Haut die Nähe eines warmen Ofens zu gönnen. Mit
dem Brennmaterial sah es freilich schlimm aus. Persien ist bekanntlich
ein holzarmes L a n d ,u n d so mufs denn das Brennholz, welches ohne Ausnahme
von Obstbäumen genommen wird, beinahe mit Gold aufgewogen
werden. Aus eigener Erfahrung kann ich versichern, dafs znr Heizung
meines kleinen Ofens eine tägliche Holzausgabe von einem Thaler nöthig
war, ohne dafs ich den Ofen öfters als zwei, höchstens dreimal heizen
liefs. Man könnte mit Leichtigkeit die beinahe zu Tage liegenden Kohlenlager
in der Nähe von Qazwin ausbeuten und dadurch ein billiges und
vortheilhaftes Feuerungsmaterial gewinnen, wenn nicht die unbegreifliche
Indolenz das Hindernifs wäre, eine so reiche Hülfsquelle dem öffentlichen
Nutzen zugänglich zu machen. Damit dies n i c h t geschieht, hat ein Minister
des Schah das betreffende Terrain gepachtet, mit anderen Worten,
die so reiche Quelle für Jedermann verstopft.
Eine besondere Neuigkeit gab im Anfang dieses Monats Stoff zu reichen
Betrachtungen über die unglückselige Verkehrtheit, europäische E rfindungen
auf persische Verhältnisse zu übertragen, und ich spreche um
so lieber davon, als sich wunderbarer Weise sogar in Europa in einer
französischen Druckschrift, deren Ursprung und Zweck ziemlich klar zu
Tage liegtj ein Echo davon hat vernehmen lassen. Es handelt sich um
nichts Geringeres, als um die Anlage einer Eisenbahn. Die Wege Persiens
sind zum grofsen Theil so entsetzlicher Natur, 'dafs trotz der Bewunderung,
welche ein Europäer den Muth hatte, S. M. dem Schah in Bezug
auf den Strafsenbau auszudrücken, ein Wagen nicht im Stande ist,
ohne Gefahr für sein Dasein weitere Strecken auf persischen Strafsen zurückzulegen.
Die grofse Handelsstrafse, welche von Tähriz nach Teheran führt, befindet
sich in einem Zustande, dafs es selbst den persischen Karawanen im
Winter bisweilen schlechterdings unmöglich ist, fortzukommen, und der Transport,
ja sogar die Sicherheit der Waaren selber, die wir mit eigenen Augen
mitten auf der Landstrafse tief im Koth haben stecken sehen, die gröfsten
Verluste an Zeit und Geld zu erleiden hat. Anstatt an einen regelrechten
Strafsenbau, an Chaussirung der geraden Wege in der Ebene, an Ueberbrük-
kung der Wassergräben und an Beseitigung der gefährlichen und schwierigen
Bergpassagen zu denken, beschäftigte man sich lieber mit dem Plane, eine
Eisenbahn anzulegen, welche natürlich die ersten Male — man denke sich
ein dahinbrausendes Keschtibukhar (Locomotive) und eine ganze Wagenreihe
(Kaleskébukhar) dahinter! — ein ungeheures Amüsement, ein nie dagewesenes
Tamaschd erregen muiste. Man hatte in Erwägung gezogen, dafs es zunächst
nothwendig wäre, eine kurze Probestrecke anzulegen und dazu die
einmeilige Entfernung zwischen Teherán und dem Wallfahrtsorte Schahza-
deh Abdiäazvm (s. Bd. I Seite 230)' gewählt. Es war überschlagen worden,
dafs die Anzähl der Pilger aus Teheran dorthin alljährlich so und so viele
Taüsende beträgt, dafs diese die schnelle und billige Reise der langsamen
und kostspieligeren Wanderung zu Pferde oder Esel vorziehen würden, und
dafs sich sonach mit der Zeit ein erklecklicher Gewinn" aus der Anlage
heraussteilen würde.' An die Bildung einer Actiengesellschaft zur Ausführung
derartiger Unternehmungen ist in Persien natürlich nie zu denken,
da kein Mensch Vertrauen in Societäts-Geschäften setzt, die ja nur unter
dem Schutz einer geregelten Regierungsform möglich sind, und die persischen
Zinsgeschäfte viel einträglicherer Natur bleiben. Somit war wie immer
der Kaiser die einzige Person, welche das Geld zu einem derartigen
Bau liefern konnte. Mit der Veranschlagung der Kosten zu einer vorläufigen
Pferde-Eisenbahn wurde unser biederer Tyroler Freund, Hr. v. Gä