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 Winterdecke  auf  den  Strafsen  und Häuserdächern  ohne  zu  schmelzen  fufs-  
 hoch  lag.  Ein  milderes Wetter,  das  sich  am  29sten  einstellte,  verwandelte  
 den  Schnee  in  Wasser;  das  feuchte Element  vereinigte  sich  sofort  mit  der  
 Strafsenunterlage  zu  einer  lehmartigen Masse,  in welcher  der gleitende  Fufs  
 vergeblich  einen  festen Ruhepunkt  zu  fassen  suchte.  Es  blieb mir  ein wahres  
 Iiäthsel,  wie  die  Bevölkerung,  hauptsächlich  aber  die  Damenwelt,  im  
 Stande  war,  die  angedeuteten  Zustände  des  Strafsenterrains  zu  überwinden, 
   und  ich  bedauerte  mehr  als  einmal  die  ängstlich  von  Stein  zu  Stein  
 hüpfenden  und  springenden,  tief  verhüllten  Haremsgestalten,  welche  mit  
 Verlust  eines  oder  beider  gelben  oder  rothen  Saffianstiefel  nur  mit  Mühe  
 ein  trockenes  Plätzchen  unter  einer  Hausthür  erreichten.  Dafür  ist’s Winte 
 r,  denkt  man  hier  zu  Lande  und  scheert  sich  den  Kukuk  um  die  Sorge,  
 seinen  Leichnam  mit  Bequemlichkeit  durch  den  Massenkoth  der Strafse  zu  
 schleppen,  welcher  alljährlich  das  ganze  Europäerthum  zur  Verzweiflung  
 treibt.  Nur  in  den  verdeckten  und  überwölbten  Bazaren  herrscht  einige  
 Trockenheit,  wefshalb  die  Bevölkerung  bei  ihren  Gängen,  selbst  auf  die  
 Gefahr  grofser Umwege  hin,  durch  dieselben  zu  wandern  pflegt.  Die Kälte  
 hatte  zwar  nachgelassen,  jedoch  war  sie  immer  noch  empfindlich  genug,  
 um  einer  europäischen Haut  die Nähe  eines  warmen Ofens  zu  gönnen.  Mit  
 dem  Brennmaterial  sah  es  freilich  schlimm  aus.  Persien  ist  bekanntlich  
 ein  holzarmes L a n d ,u n d   so  mufs  denn  das Brennholz,  welches  ohne Ausnahme  
 von  Obstbäumen  genommen  wird,  beinahe  mit  Gold  aufgewogen  
 werden.  Aus  eigener  Erfahrung  kann  ich  versichern,  dafs  znr  Heizung  
 meines  kleinen  Ofens  eine  tägliche  Holzausgabe  von  einem  Thaler  nöthig  
 war,  ohne  dafs  ich  den  Ofen  öfters  als  zwei,  höchstens  dreimal  heizen  
 liefs.  Man  könnte  mit  Leichtigkeit  die  beinahe  zu  Tage  liegenden Kohlenlager  
 in  der  Nähe  von  Qazwin  ausbeuten  und  dadurch  ein  billiges  und  
 vortheilhaftes  Feuerungsmaterial  gewinnen,  wenn  nicht  die  unbegreifliche  
 Indolenz  das  Hindernifs  wäre,  eine  so  reiche  Hülfsquelle  dem  öffentlichen  
 Nutzen  zugänglich  zu  machen.  Damit  dies  n i c h t   geschieht,  hat  ein  Minister  
 des  Schah  das  betreffende  Terrain  gepachtet,  mit  anderen  Worten,  
 die  so  reiche  Quelle  für  Jedermann  verstopft. 
 Eine  besondere  Neuigkeit  gab  im  Anfang  dieses  Monats  Stoff  zu  reichen  
 Betrachtungen  über  die  unglückselige  Verkehrtheit,  europäische  E rfindungen  
 auf  persische  Verhältnisse  zu  übertragen,  und  ich  spreche  um 
 so  lieber  davon,  als  sich  wunderbarer  Weise  sogar  in  Europa  in  einer  
 französischen  Druckschrift,  deren  Ursprung  und  Zweck  ziemlich  klar  zu  
 Tage  liegtj  ein  Echo  davon  hat  vernehmen  lassen.  Es  handelt  sich  um  
 nichts  Geringeres,  als  um  die  Anlage  einer  Eisenbahn.  Die  Wege  Persiens  
 sind  zum  grofsen  Theil  so  entsetzlicher  Natur,  'dafs  trotz  der  Bewunderung, 
   welche  ein  Europäer  den  Muth  hatte,  S. M.  dem  Schah  in Bezug  
 auf  den  Strafsenbau  auszudrücken,  ein  Wagen  nicht  im  Stande  ist,  
 ohne Gefahr für  sein Dasein weitere  Strecken  auf persischen Strafsen  zurückzulegen. 
   Die grofse Handelsstrafse, welche  von Tähriz nach Teheran  führt,  befindet  
 sich  in  einem  Zustande,  dafs  es  selbst  den  persischen Karawanen im  
 Winter bisweilen schlechterdings unmöglich ist,  fortzukommen,  und der Transport, 
   ja   sogar  die  Sicherheit  der Waaren  selber,  die wir mit  eigenen Augen  
 mitten  auf  der  Landstrafse  tief  im  Koth  haben  stecken  sehen,  die gröfsten  
 Verluste  an  Zeit  und  Geld  zu  erleiden  hat.  Anstatt  an  einen  regelrechten  
 Strafsenbau,  an Chaussirung der geraden Wege in der Ebene,  an Ueberbrük-  
 kung der Wassergräben und  an Beseitigung der  gefährlichen  und  schwierigen  
 Bergpassagen  zu  denken,  beschäftigte  man  sich  lieber  mit  dem  Plane,  eine  
 Eisenbahn  anzulegen,  welche  natürlich  die  ersten  Male  —  man  denke  sich  
 ein  dahinbrausendes Keschtibukhar  (Locomotive)  und  eine  ganze Wagenreihe  
 (Kaleskébukhar)  dahinter! —  ein  ungeheures Amüsement,  ein  nie  dagewesenes  
 Tamaschd  erregen  muiste.  Man  hatte  in Erwägung  gezogen,  dafs  es  zunächst  
 nothwendig  wäre,  eine  kurze  Probestrecke  anzulegen  und  dazu  die  
 einmeilige  Entfernung  zwischen  Teherán  und  dem  Wallfahrtsorte  Schahza-  
 deh Abdiäazvm  (s. Bd.  I  Seite  230)'  gewählt.  Es  war  überschlagen  worden,  
 dafs  die Anzähl  der  Pilger  aus  Teheran  dorthin  alljährlich  so  und  so  viele  
 Taüsende  beträgt,  dafs  diese  die  schnelle  und  billige  Reise  der  langsamen  
 und  kostspieligeren Wanderung  zu Pferde  oder Esel  vorziehen würden,  und  
 dafs  sich  sonach  mit  der  Zeit  ein  erklecklicher  Gewinn" aus  der  Anlage  
 heraussteilen  würde.'  An  die  Bildung  einer  Actiengesellschaft  zur  Ausführung  
 derartiger  Unternehmungen  ist  in  Persien  natürlich  nie  zu  denken,  
 da  kein  Mensch  Vertrauen  in  Societäts-Geschäften  setzt,  die  ja  nur  unter  
 dem  Schutz  einer  geregelten  Regierungsform  möglich  sind,  und  die  persischen  
 Zinsgeschäfte  viel  einträglicherer  Natur  bleiben.  Somit  war  wie  immer  
 der  Kaiser  die  einzige  Person,  welche  das  Geld  zu  einem  derartigen  
 Bau  liefern  konnte.  Mit  der  Veranschlagung  der  Kosten  zu  einer  vorläufigen  
 Pferde-Eisenbahn  wurde  unser  biederer  Tyroler  Freund,  Hr.  v.  Gä