nem Wesen unterschied ihn in auffälliger Weise von seinen Brüdern. Er
war bescheiden genug, mir seine Dienste mit der aufrichtigen Erklärung
anzubieten: dafs er von allem ein wenig verstände, liefs sich meine Zungezeigen
und betastete meinen Puls in der kunstgerechtesten Weise. Meine
Krankheit schien ihm bedenklich, weil viel Volks daran gestorben sei, hinwiederum
gab er mir den trostreichen Zuspruch, dafs es mitunter auch
nicht an Heilungen gefehlt habe. Zum Schlufs verordnete er mir als einziges
Medicament Ab-i-hindewaneh oder den zuckersüfsen Saft der persischen
Wassermelone, den ich so viel ich nur immer im Stande wäre trinken
sollte. Unter ändern Umständen würde ich dieses Recept als höchst gefährlich
von vornherein verworfen haben, in der verzweifelten L ag e ,'in
welcher ich mich befand, war mir schliefslich jedes Mittel recht und gut
und ich fing an, den kühlenden Saft der Wassermelone in langen Zügen
zu trinken. Ganze Flaschen wurden aufserdem damit angefüllt, um während
der Reise als medicinischer Trank zu dienen. War mir’s bereits
schlecht ergangen, so waren meine ausgestandenen Leiden doch in keiner
Art und Weise zu vergleichen mit den Höllenqualen, die in Folge des Trankes
meine Eingeweide z u ' zerreifsen schienen und mich immer näher an
den Abgrund des Todes führten. Ich hörte mein letztes Stündlein schlagen,
empfahl meine Seele Gott, schrieb mit zitternder Hand einen, meiner Meinung
nach den l e t z t e n Brief an meine Lieben in der Heimath und versank
in einen fast lethargischen Schlummer.
In aller Frühe des dreizehnten Octobers bewegte sich unsere Karawane
bereits - wieder aus dem Thore von Qaziün, um die Weiterreise bis zur
nächsten Station, Murghdb genannt, anzutreten. Ich klammerte mich an
die Mähne meines Pferdes krampfhaft fest, und liefs mich, sprach- und
theilnahmlos vor mir hinstarrend, von dem getreuen Thiere forttragen. Die
Reise dauerte sieben Stunden, führte durch ein wasser- und vegetations-
reiehes Bergland, in welchem wir zum e r s t e nma l e w il d wa c hs e nd e ,
wenn auch vereinzelt stehende Bäume entdeckten, die sich die ganzen
Abhänge entlang zogen, wie kugelrunde Orangenbäume aussahen und
deren Aeste mit rothen Fruchtbeeren reichlich besetzt waren. Etwa eine
kleine Stunde vor dem Menzile spaltet sich die Strafse nach zwei Richtungen.
Die Karawane hatte die linker Hand liegende eingeschlagen, wir
anderen den rechts ab führenden Weg, der uns schliefslich über eine 'niedrige,
aber felsige Bergkette hinweg nach dem wasserreichen Murghdb führte,
das am Eingänge einer grofsen Ebene ziemlich malerisch gelegen war. Hier
fängt der eigentlich k l a s s i s c h e Boden Persiens an; die Namen Pasargadä
und Persepolis gewinnen von hier an Fleisch und Blut, das Alterthum tritt
uns in deutlichen Spuren und ehrwürdigen Resten entgegen.
Murghdb, auch Mesehhed-Murghdb genannt, an dem gleichnamigen Wasser
gelegen, ist ein, wenn auch grofses, so doch elendes Dorf. Eine wenig schmeichelhafte
Seite im Charakter seiner Bewohner scheint der Mangel an Gastfreundschaft
zu sein, wenigstens hatten wir bei unserem Einzug keine Gelegenheit
gefunden, für bewiesene Gefälligkeit nach dieser Seite hin besonders
dankbar zu sein. Es gab einmal wieder eine Scene, die an die Isfahaner
und Wehschareher Prügeleien erinnerte. Unser nestorianischer Diener, Jahija,
war mit dem schmiegsamen Wekil-Baschi der Militärmacht unserer Karawane
vorangeritten, um nach gewohnter Weise, natürlich nur gegen Geld und gute
Worte, Quartier für uns Nachkommende zu bereiten, b e r Kedkhoda hatte
beide nach dem Posthause dicht am Eingang in das schmutzige Dorf gewiesen.
Nachdem die beiden Gesellen sich überzeugt hatten, dafs die
■Tsehaparkhaneh besetzt war, es auch wider Anstand und Sitte war, den
augenblicklichen Gast, einen fahrenden persischen Prinzen oder Schahzadeh,
ohne Weiteres auszutreiben, kehrten sie nach dem hochgelegenen Dorfe
zurück, um auf den Dächern der zunächst liegenden Hütten wegen eines
Unterkommens im Dorfe zu unterhandeln. Da erhob ein Dörfler die Hand,
bald ein zweiter, ein dritter, zuletzt die ganze Masse, Männer und Frauen,
und die beiden gesandtschaftliehen Couriere erhielten mit einem Male und
unerwartet so viel Schläge, dafs sie für lange Zeit daran genug haben
konnten. Als sie eben im Begriff waren, sich mit vorgehaltenen Armen
und Händen deckend, ihren Rückzug anzutreten, erschienen wir Europäer.
Unser Anblick mufste den Durchgebläuten ganz unerwartet neue Kraft
einflöfsen; wie gereizte und plötzlich losgelass.ene Hunde sprangen sie auf
ihre Bedränger los und entwickelten eine beispiellose Tapferkeit, die aber
von Seiten der Dörfler nicht unerwiedert blieb. Es entstand bald ein heilloser
Wirrwar. Das ganze Dorf eilte herbei, von unserer Seite stürzten
die persischen Diener, Tscherwadare, Knechte und Soldaten mit gezogenen
Messern in den Knäuel von Menschen und eine vollständige Schlacht würde
bei Murghab geschlagen worden sein, wäre es unserem Eltschi und seinem
braven Neffen nicht gelungen, mit geladenen Revolvern in die gährende
Masse einzudringen unter der Androhung, denjenigen niederzuschiefsen, der