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 verfallenes Prunkschlofs  aufzunehmen,  um  so  zu  sehen,  was  man  aus  
 diesen  Rudera  noch  machen  könne;  es  wird  wohl  nichts  Anderes  übrig  
 bleiben,  als  um  theueres  Geld  ein  neues  aufzubauen;  freilich  wird  man  
 meine Pläne  zu  den  übrigen  ad  acta  legen.  Auch  hier  zeigt  der Complex,  
 die  ganze Anlage  der  Garten-  und  Schlofsgebäude,  die  Seitengemächer  für  
 die Khelweti  und  die  persischen Orgien von dem Ungeheuern  einstigen Glanz  
 und  Comfort  der  Schahs.  In  einer  düsteren  Rumpelkammer  wies  man  
 mir  sechzig  Stück  frisch  abgezogener  und  mit  Stroh  ausgestopfter  Kopfhäute  
 von  vor  vier  Monaten  erlegten  Turkmanen  vor,  die  der  Prinz-Exgouverneur  
 dem  Könige  als  Zeichen  seines  thätigen  Wirkens  zusenden  
 wollte,  aber  zu  früh  entsetzt  wurde.  Kopf-  und  Barthaare  hafteten  noch  
 an  der  schwarzen  Borstenhaut  dieser  schrecklichen  Schädel  und  erregten  
 einen  widerlichen  Anblick,  Astrabad  liegt  in  einer  ausgedehnten Ebene  
 am  Fufse  eines  sehr  hohen  bewaldeten  Gebirges,  hinter  welchem  die  Felsenkuppen  
 anderer  Gebirge  hervorsehen.  Die  Ebene  ist  zerrissen,  ungeregelt  
 urbar  gemacht  und  daher  an  vielen  Stellen  sehr  sumpfig,,  übrigens  
 äulserst  fruchtbar.  Die  Orange  ist  hier  besonders  schmackhaft,  die  Ci-  
 trone  sah  ich  von  der  Gröfse  einer Cocusnufs,  sechs  Zoll  im Durchmesser.  
 Die  Stadt  ist  mit  Ringmauern  umgeben  und  hat  ein  se1.;  ödes  und  unscheinbares  
 Ansehen.  Die  Häuser  sind  aus  Lehm  gebaut  und  mit'Ziegeln  
 gedeckt;  der  düstere  Eindruck,  den  diese  Häusermassen  machen,  wird  
 nur  durch  den  grofsen  Bazar  und  unendlich  viele  Bethäuser  oder  offene  
 Moscheen  in  Etwas  gemildert.  Man  darf  keinen  Schritt  unbewaffnet  und  
 allein  vor  die  Thore  machen,  wenn  man  nicht  sein  Leben  u nd,  was  noch  
 schlimmer,  seine  Freiheit  in  die  Schanze  schlagen  will.  Selbst  des Nachts  
 dringen  die  Turkmanen  durch  in  der  Stadtmauer  angebrachte  Löcher  unversehens  
 herein,  um  Menschen  und  Vieh  zu  rauben.  Es  sind  hier  dreihundert  
 Artilleristen  in  Garnison,  die  schon  seit  zwei  Jahren  keinen  Sold  
 erhielten  und,  statt  gegen  die  Turkmanen  zu  operiren,  natürlich  die  ihrem  
 Schutze  befohlenen  Einwohner  in  jeder Weise  bestahlen.  Tiger,  Panther, 
   Leoparden  und  Hyänen  giebt  es  hier  in  Menge;  .Stachelschweine  
 sind  in  allen  Gärten  anzutreffen.  —  Die  Wohnung  des  gastfreundlichen  
 Consuls  ist  sehr  gut  gebaut  und  nach  europäischer  Art  eingerichtet.  Ein  
 prächtiger Garten  mit  Rosenbäumen  von  enormer Höhe  und  duftenden  blühenden  
 Jasminlauben,  mit  einem  Teiche,  in welchem  die  rings  umgebenden 
 Rosenbosquets  sich  abspiegeln,  ein  Pavillon,  ein  offener  persischer  Salon  
 gewähren  einen  angenehmen  Aufenthalt.  Die  Frau  des  Consuls  ist  eine  
 hübsche  Chaldäerin  aus  der  Provinz  U r m i a welche  russisch  und  etwas  
 französisch  spricht.  Der  Consul  beleuchtete  mir  zu  Ehren  jeden  Abend  
 sein  Haus,  Salon  und  den  Garten  mit  Fackeln,  und  sechs  Kosaken  brachten  
 unten  ein  Ständchen  von Nationailiedern,  während wir  oben  den  schäumenden  
 Bechern  wacker  zusprachen. 
 Ein  Paar  ganz  kurze  Ausflüge  von  circa  200 Klafter  belehrten  mich,  
 dafs  die  Gefahr  aufserhalb  der  Stadtmauern  wirklich  nicht  zu  verachten  
 sei,  denn  sechs  Diener,  sechs  Kosaken,  bis  an  die  Zähne  bewaffnet,,  bildeten  
 den  Vor-  und  Nachtrab,  und  wir,  ebenfalls  mit  dem  Revolver  im  
 Gürtel,  wanderten  im  Centrum  an  der  Seite  der  reitenden  Frauen  bis  an  
 den  bestimmten Platz,  wo  eine  herrliche Aussicht  und  ein  guter  Imbifs  uns  
 Alles  vergessen  liefs.  Nach  einigen  Tagen  nahm  ich  herzlichen  Abschied  
 und  ritt  mit  einem  russischen  Marine-Arzt,  der  hier  auf Besuch  war,  nach  
 der  acht  Meilen  von  hier  am  Meere  gelegenen  Kriegsstation  Ghez  denselben  
 Weg  zurück,  den  ich  gekommen  war.  Nach  einem beschwerlichen Ritt  
 in  anhaltendem  Regen  kamen  wir  müde  an  und  nahmen  in  einem  kleinen  
 russischen  Wachtschiffe  Nachtquartier,  wo  uns  zwei junge  Marine - Offiziere  
 herzlich  bewirtheten  und' wir  bis  spät  in  der  Nacht  beisammen  blieben. 
 Zwei Stunden vom Meeresufer  liegt  eine  kleine  verödete Sandinsel Schv-  
 radeh *),  etwa  250 Klafter  lang  und  60 Klafter  breit,  persischen Eigenthums,  
 auf welcher die Russen  sich  seit  zwanzig Jahren festgesetzt haben,  theils  um  
 persisches  Terrain  zu  occupiren,  theils  um  die  Küsten  und  die  russischen  
 Kauffahrer  vor  den  argen Freibeutereien  der Turkmanen  zu  schützen.  Die  
 Insel,  übrigens  nicht  befestigt,  liegt  traurig  und  verlassen  wie  St. Helena  
 oder  Perim  da,  ein  wahres  Exil  und  ein  richtiger  Vorgeschmack  für  Sibirien. 
   Zwei  Dampf-  und  mehrere  Segelschiffe  haben  den  Wacht-  und  
 Streifdienst;  vierzig  bis  fünfzig 'Offiziere  und  der  Commandant,  ein  sehr  
 lieber  Mann,  verbringen  die  Zeit  übrigens  ziemlich  gut.  Die  Offiziere  
 sind  theils  aus  der  kaiserlichen,  theils  aus  der  Handels-Marine  der  russisch  
 - amerikanischen  Colonien  gezogen.  Astrachan  liegt  am  entgegengesetzten  
 Ende  des  Kaspischen  Meeres,  acht  Tagereisen  zu  Wasser  von  
 hier.  Das  Meer  hat  keine  Ebbe  und  Fluth,  leidet  aber  viel  an  Stürmen. 
 *)  Aschuradlh. Br.