ten deutschen Industrie-Artikeln auf diroctem Wege in Persien Eingang zu
verschaffen, ist eine Frage, die von vorn herein dahin beantwortet werden
mul's, dafs, mit Berücksichtigung aller vorher aufgeführten Umstände, auf
die Gefahr grofser Verluste und kleinen Gewinnes hin, der Versuch zu
wagen ist. Der gefährlichste Gegner bleibt immer die Concurrenz, die
nicht nur in der europäischen Handelswelt, sondern noch vielmehr in den
schlauen und gewandten Persern und Armeniern ihre Vertreter findet.
Die persische Bevölkerung, über ein Areal ausgebreitet, welches d o p p
e l t so grofs als D e u t s c h l a n d i s t , der Kopfzahl n a c h s i e b e n mal
g e r i n g e r al s die d e u t s c h e Be v ö l k e r u n g , besitzt weder im
Ackerbau noch in der eigenen Industrie besondere Hülfsquellen des Erwerbes
und ist ärmer als man sich darüber in Europa Vorstellungen machen
sollte. Der Grofshandel ist ein sehr beschränkter und jede Unternehmung,
im grofsen Mafsstab angelegt, eine verfehlte Speculation. Die
in T abrís ansässigen europäischen Kaufleute begnügen sich mit einem geringen
Gewinne, da hier der Satz gilt, dafs die Masse es einbringen mufs.
Auch der persische Kaufmann ist mit ganz kleinem Gewinne zufrieden und
verkauft die Waare auf dem Bazare oftmals billiger, als er dieselbe dem
europäischen Kaufmann bezahlt hat. Dagegen, da in Persien alles auf Termin
geliefert wi rd, berechnet und nimmt er die Zinsen des Kaufpreises
(gewöhnlich 12 pCt.) im Voraus.
Wäre der gesammte Handelsverkehr, wie er sich vor allen in Täbriz
centralisirt hat, nur allein auf Persien beschränkt, so würden voraussichtlich
die europäischen Kaufleute sehr bald ihre Comptoire schliefsen oder
nur in sehr geringen Quantitäten den nothwendigsten Importhandel betreiben.
Persien ist aber andererseits dasjenige Land, auf dessen Karawanen-
strafsen der Transit-Verkehr Statt findet, der weit über die persische Grenzen
hinausgeht. Von den über Täbriz nach Rufsland importirten Waaren
habe ich bereits gesprochen. Hier sei noch die grofse Strafse erwähnt,
welche von Täbriz aus über Teheran und Meachhed durch Khorassän bis
nach der Bucharei geht und auf welcher in friedlicheren Zeiten, als sie
gegenwärtig in der vom Krieg mit den Turkomanen heimgesuchten persischen
Provinz Khorassän vorliegen, lange Karawanenzüge europäische Waaren
(vor allen weifse Shirtings) nach dem Osten Asiens befördern.
Schlagen wir die kauflustige Bevölkerung dieser Theile Asiens mit der
persischen Bevölkerung auf die Gesammtzahl von 10 Millionen Köpfen an,
so läfst sich die Consumptionsfähigkeit Persiens und der Nachbarländer
im Osten leicht durch eine Ziffer darstellen. Da die alljährliche Einfuhr
europäischer Erzeugnisse circa 50 — 60 Millionen Francs oder 16 Millionen
Thaler (hier, wie überall wo es sich um Statistik' in Persien handelt,
können nur approximative Angaben vorgelegt werden) beträgt, so
fallen auf den Kopf fünf bis sechs Francs, eine Summe, welche nach kaufmännischen
Begriffen geradezu nicht s heifst. Die europäische Speculation,
die sich auf den Import europäischer Waaren beschränkt, hat zumal
in kriegerischen Zeiten oder in Theuerungsjahren die gröfste Aussicht,
starke Ausfälle und Verluste zu erleiden. Es ist bekannt, dafs die griechischen
Häuser zu Täbriz im Jahre 1860 bis zu ihrem halben Vermögen
eingebüfst haben.
Nach diesen Auseinandersetzungen tritt als Einwurf die Frage entge-
gegen, woher das Drängen Persiens, mit Europa Freundschafts- und Handelsverträge
abzuschliefsen und commercielle Verbindungen zu eröffnen,
die für die Mehrzahl europäischer Staaten geradezu illusorischer Natur sind,
da ihnen die persische Regierung bis jetzt nur sehr geringen Vorschub gewährt
hat uud die Consumption eine so winzige ist?
Die Frage dürfte leicht beantwortet werden.
Weniger um des Handels willen , als vielmehr aus politischen Rücksichten
scheint Persien jene Verträge abgeschlossen zu haben. In seiner iso-
lirten Stellung bald von Rufsland, bald von England abhängig, fühlte Persien
das Bedürfnifs aus jener Stellung herauszutreten und durch Freund-
schaftsverbiudungen mit den bedeutendsten europäischen Staaten sich den
Weg zur politischen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu bahnen. Das
Princip der Intervention hatte im Krimkriege der Türkei zu gute Dienste
geleistet, als dafs Persien nicht auf der Stelle erkannt haben sollte,
dqls das drohende Verhängnifs von Iran nur durch-rechtzeitige Verbindungen
mit Europa abgelenkt werden könnte, und dafs der erste und
einfachste Schritt hierzu der Abschlufs von Freundschafts- und Handels-
tractaten sein müsse.
So lange daher, durch gründliche Verbesserung der bis jetzt bestehenden
Verkehrsmittel, durch Gewährung vollständigster Sicherheit des Eigenthums,
durch ernstliche Reformen in den Zuständen der Douane-Verhält