Dschulfa. Die armenische Bevölkerung hierselbst bildet den Rest der einst
von Schah Abbas dem Grofsen aus den Gegenden von Nachitschewan und
Dschulfa, in der Nähe des Araxes-Flusses, nach Isfahan übergesiedelteu
christlichen armenischen Gefangenen. In Isfahan werden wir Gelegenheit
haben, auf dieselben weitläuftiger zurückzukommen.
Noch bevor wir das Menzil erreichten, hatten wir das Schauspiel zweier
Hirten, welche einen grofsen, von ihnen erschlagenen Wolf anschleppten,
der aus ihren Heerden sieben Schafe und Ziegen gemordet hatte und beim
Angriff auf das achte Thier so eben seinen Garaus" erhielt. Wölfe giebt
es hier in grofser Zahl, nicht minder die weit gefährlicheren Leoparden,
die indefs von e in em Jäger aufgesucht und getödtet zu werden pflegen.
Khumein ist eine grofee, am Fufs der Berge lang ausgedehnte Ortschaft
mit üppigem Baumwuchs und prangenden Gartenanlagen. Ehe man
in dieselbe einzieht, passirt man eine Strafse, welche mit Scherben und
Trümmern in reichlicher Fülle bedeckt ist. Die Einwohner haben ihre
Sagen darüber und erzählen von einer alten und grofsen Stadt (Humajun
d. h. „die Königliche“, wohl nur des Anklangs* halber an Khumein so getauft),
die mit Mann und Maus Gottes Zorn in Ruine verwandelt haben soll.
In Anbetracht der angenehmen Lage zog es unser Eltschi vor, in einem
Garten vor dem Orte sein Menzil zu nehmen, als in der Stadt selber ein
Quartier zu suchen. So bezogen wir denn das offene Gartenhaus eines
persischen Serheng, das in einem frucht- und blumenreichen Garten, mit
schönen schattigen Bäumen, wie ein einsam stehender viereckiger Thurm
in die Höhe stieg. Eine untere Etage war nicht vorhanden, denn der Weg
führte wie durch ein Portal mitten .durch das Haus, und die obere Etage
gewährte keinen anderen Schutz gegen Sonne und Wind als den des flachen
Daches, das sich auf die vier Eckpfeiler stützte. Sonst war keine Wand,
keine Zimmerabtheilung oder dem ähnliches vorhanden. Der Herr Oberst
pflegte hier, wie uns mitgetheilt wurde, seinen Thee zu trinken und in der
gröfsten Tageshitze sich von den Winden umwehen zu lassen. Trotz der
kühlen Aussichten und grade deshalb, weil die hohe Lage des oberen Gartensalons
Kühlung versprach, hatte unser Minister es vorgezogen, sein
Menzil in der Mitte des luftigen Baues aufzuschlagen. In Rücksicht auf
meinen leidenden Zustand wählte ich eine trockene Stelle im Blumengarten,
um Zelt und Feldbett aufstellen zu lassen^ ohne zu ahnden, welchem
B&ulichen Abenteuer ich durch diese Wahl meiner Schlafstelle entgegengehen
sollte. ■’ . tt
, Die Ankunft der fremden Sefaret oder Gesandtschaft hatte die Honoratioren
des Ortes, unseren herrlichen Wirth mit einbegriffen, aus ihren
Wohnstätten hervorgelockt und es dauerte gar nicht lange, so war die luftige
Höhe des Gartenhauses mit einer grofsen Zahl persischer Herren und Diener
bevölkert, welche den Gefühlen der Höflichkeit in bekannter Weise
einen thatsächlichen Ausdruck verliehen. Zuckerwerk, Theepakete, Früchte,
vor allen wässerige Melonen, Weintrauben, Pfirsiche und ganz vorzügliche
Granatäpfel wurden auf riesigen Mu'edschemüKs oder Tellern herangeschleppt
und auf den Boden gestellt, den man in möglichster Eile mit Teppichen
belegt hatte, und bildeten die nächste Vermittelung gegenseitiger freundschaftlicher
Beziehungen. Der Kedkhoda mit einigen vornehmen Khumeinern
liefe sich’s nicht nehmen, seine besondere Freude über die Ankunft der
fremden Prüs auszusprechen und der Herr Oberst, in Begleitung der Sultane
oder Hauptleute seines Bataillons, hatte sich, ein Elegant erster Gröfee, in
froschgrüne und rosenrothe Nizdm-Tracht geworfen und seine Begrüfeung
militärisch - cordial vorgebracht. Er stellte gastfrei sein ganzes Haus zu
Gebote, sogar Gerste und Stroh für die Pferde und Maulthiere, doch lehnte
unser Eltschi ein so freundliches Anerbieten höflich ab, da wir nur gegen
baare Bezahlung unsere Bedürfnisse zu entnehmen pflegten. Der Oberst,
lebhaft-munter, beweglich wie ein Fisch im Wasser, konnte füglich als ein
Muster von Schönredigkeit gelten. Als ihm Hr. v. Minutoli unter anderem
bemerkte, dafe er mit einem Firman S. M. des Schah versehen sei, ent-
gegnete der höfliche Serheng ■ „Ew. Excellenz sind mir jedenfalls ohne Firma
® lieber. Er würde mich zwingen, Ihnen zu dienen; so bin ich freiwillig
so glücklich,'Sie als Gast hei mir aufzunehmen.“ Das Ende der Unterhaltung
wurde durch, die gelegentliche Notiz herbeigeführt, dafe Uhren, gute
europäische Gewehre und Revolver gar nicht in Khumein zu haben seien.
Der Herr Oberst mufete auch eine besonders w ic h tig e Person sein.
Wenigstens nahm er gegen Abend seinen Platz in der Nähe unseres Schlaf-
thurmes, holte sein Kalemdän oder Schreibgefäfe hervor, item eine Rolle
Papier, und fing nun an Depeschen nach allen Himmelsgegenden hin zu
dictiren. Kommende Diener brachten ihm einen Brief nach dem ändern,
und fast schien es, als habe der eifrige Herr nur der persischen Sitte Rechnung
getragen, die es erheischt, in der Anwesenheit eines Gastes durch