führt worden und es begann von dieser Zeit an der lithographirte Druck
der Hauptwerke der persischen Litteratur. Diese Art der Vervielfältigung
geistiger Productionen war dem sonst in Europa üblichen Typensatz der
Bücher um so mehr vorzuziehen und verdiente sich um so mehr den allgemeinen
Beifall der lesenden Perser, als den Bewohnern des Morgenlandes
die steifen, form- und schwunglosen Buchstaben der orientalischen
Bücher-Diuckschrift europäischer Officinen nie recht behagt hahen, während
auf dem Wege lithographischer Darstellung den persischen Gewohnheiten und
Liebhabereien für eine elegante, schwungreiche, dem Auge gefällige Schrift
vollständig Rechnung getragen werden konnte. Die modernen Meister im
Fache des Schönschreibens .fingen an auf Stein zu schreiben und siehe da!
die ersten Versuche hatten so günstige Erfolge, dafs ein Werk nach dem
andein aus den Druckereien in Täbriz, Teheran, Isfahän u. s. w. hervorging
und das Geschäft der Buchhändler und Buchbinder einen ganz neuen
Aufschwung erhielt. Wir haben während unseres Aufenthaltes in Persien
die Mehrzahl der bis auf die neuste Gegenwart hin gedruckten Werke,
gröfsere und kleinere, gesehen und können versichern, dafs die Zahl derselben
weit über d r e i h u n d e r t Autoren angeht. Ein gut Fünftheil davon
ist in der gelehrten Sprache, dem Latein des Morgenlandes, d. h. arabisch
abgefafst und.behandelt auch meist gelehrte Gegenstände, vor allen
das Studium der Religion, der Auslegung des Korans und der Jurisprudenz.
Die andere, bei weitem überwiegendere Partbie behandelt die schöne
Litteratur, von den älteren Hauptdichtern und Schriftstellern an bis zu
den modernen hommes de lettres hin , ferner die belehrende Prosa, an
ihier Spitze die zahlreichen Chroniken oder NämeKs, welche die Geschichte
ganzer Völker, Dynastien und einzelner Könige, meist poetisch
und mit bilderreichem Wortschwall ausgeschmückt, darstellen. Mirkhond’s
berühmte und schon vorher citirte mehrbändige Universalgeschichte Ranzet
e'-se/a ist in dieser Beziehung jedenfalls das bedeutendste und umfangreichste
historische Werk, welches die lithographische Presse verlassen hat.
Während in ganz Persien die vollständigen Diwane oder Auszüge und
Anthologien der Hauptdichter, sowie gröfsere prosaische Werke die aufheiternde
oder ernste, zum Nachdenken auffordernde genufsreiche Lectüre
bilden, haben wenig umfangreiche und leicht geschriebene Volksbücher
den Zweck zn unterhalten, selbst auf Kosten des Wohlanstands und der
guten Sitte. Es Lat sich bis zu einem persischen Don Quixote hin eine
Art von Volksroman, halb Prosa halb Poesie,, entwickelt, der von dem
gewöhnlichen Theile der Bevölkerung mit grofsem Eifer gelesen wird und
in vielen Beziehungen unseren Volksbüchern (Geschichte vom gehörnten
Siegfried, von den vier Haimonskindern, Kaiser Rothbart, Till Eulenspiegel
u. s. w.) passend an die Seite gestellt werden kann. Khosru und Schirin,
Jussuf und Zvleikha, Madschnun und Leile1 d ie s ieben Sc hön he i t e n
und dem Aehnliches bilden unerschöpfliche Themata, die durch gleich
kunstlose Vignetten illustrirt sind als wir sie in unseren gewöhnlichen
Volksbüchern antreifen.
Wie sich ein bedeutender Theil ausgezeichneter persischer Handschriften
bereits seit längerer Zeit in den greiseren europäischen Bibliotheken
befindet, so haben auch die persischen Druckschriften und Bücher allmä-
lig angefangen in hinzeinen Sammlungen nach Europa zu kommen.. Das
Meiste in dieser Beziehung haben sich bisher Franzosen und Engländer
angelegen sein lassen. Die preufsische Mission hat auch ihrerseits nicht
verfehlt nach dieser Seite hin den Interessen des Vaterlandes gerecht zu
werden und eine beinahe vollständige Sammlung der persischen Druckwerke,
erworben und nach der Heimath übergeführt.
Neben der geschriebenen und gedruckten Litteratur lebt eine Art von
Poesie im Munde des Volkes, deren Sprache (härf-e-awam) und Inhalt
eben nicht eine Glanzseite der persischen Geisteserzeugnisse bildet, vielmehr
dahin gehört, wo sie geboren wird, ich meine nach dem Bazar und
nach der Gasse. Ich habe bereits im ersten Bande dieser Reisebeschrei-
bung (S. 389 fl.) eine Probe dieser ' Art von Poesie gegeben und mufs von
Neuem darauf verweisen, aus dem einfachen Grunde, weil die übrigen
zü meiner Kenntnifs gelangten Volkslieder mir beim blofsen Lesen schon
eigenthümliche Bedenken erregen;
Viel höher stehen die öffentlich auf der Strafse vor einem anwesenden
Volkshaufen oder in den Privatwohnungen vor einem aüsgewählten
Kreise vorgetragenen Geschichten, -durch welche die Derwische ihre Zuhörer
zu erbauen, zu unterhalten oder zu erheitern pflegen. Bald nämlich
liegt ihrem Inhalte die Märtyrer-Legende zu Grunde, bald ein Stoff, welcher
mit persischem Zuschnitt den anmuthigen Erzählungen aus dem arabischen
„Tausend und eine Nacht“ entlehnt ist, oder den historischen Roman
behandelt, bald endlich enthalten die Geschichten eigene, mit reichem
Witz ausgestattete Erfindungen, die gewöhnlich sehr spannend beginnen,