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   Eine  minder  ausgedehnte  Hochfläche  als  die  von  Sultanabad  ist  
 breitete  sich  in  todten  Zügen  vor  uns  aus,  durch  nichts  bemerkenswerth  
 als  durch  den  Anblick  eines  ziemlich  baumreichen  Dorfes,  das  bereits  aus  
 weiter  Ferne  sichtbar  ist  und  uns  als  das  Menzil  für  den  heutigen  Tag,  
 d.  18.  September,  bezeichnet  wurde.  Wir  schlugen  die  südöstliche  Richtung  
 ein,  unter  einem  Winkel  von  etwa  1 0 ° ,  und  erreichten  gegen  zehn  
 Uhr  Vormittags  das  Dorf.  Auf  unserer  Reise  fiel  es  besonders  auf,  und  
 diese  Bemerkung  hatten  wir  schon  häufig  Gelegenheit  zu  beobachten,  dafsj  
 an  verschiedenen  Stellen  der  steinigen  Strafse,  entweder  auf  grofsen  freiliegenden  
 Felsstücken  oder  auf  dem  flachen Boden  kleine  Steine  von Menschenhand  
 zu  spitzen  Pyramiden  aufgepackt  sind,  die  offenbar  eine  Bedeutung  
 als  Male  haben  müssen.  Unsere  persische  Begleitung  bezeichnete  sie!  
 regelmäfsig  als  Qädäm-gdh  oder  Gedenkzeichen  der Ankunft  eines  Reisenden  
 ohne  jenen  Nebensinn,  der  aus  den  persischen Wörterbüchern  heraus-  
 gemuthmafst  werden  könnte. 
 Das Dorf  führt  den Namen  Gilli  oder Gili,  der  nicht  etwa das R o s e n d 
 o r f   (güli),  sondern,  gerade  herausgesagt,  das  aus  D r e c k   erbaute  bezeichnet. 
   Gil  ist  im  Persischen  die  mit  Wasser  vermischte  Erde  (daher j  
 auch  die  Benennung  des  Gildn,  der  „Drecklandschaft“),  deren  man  sich  
 vor  allen  zum  Schwalbenbau  der  Häuser  bedient.  Ehe  wir  in  das  sehr  
 ärmliche  Dorf,  das  einem  Ser-heng  oder  Obersten  gehört,  einritten,  zogen  
 wir  an  sauber  angelegten Melonenfeldern vorüber,  woselbst die Bauern  eben I  
 mit  der Ernte  beschäftigt waren.  Sie  beeilten sich natürlich  unserem Eltschi j  
 die  schönsten  als  Pischkesch  anzubieten.  Die  überreifen  Früchte  waren  I  
 saftig  und  so  süfs  wie  Zucker,  und  noch  heutigen  Tages  müssen  wir  mitl  
 Vergnügen  bekennen,  nie  im Leben  so  ausgezeichnete Früchte  genossen  zu j  
 haben.  Wie  die  Melonen,  so  waren  auch  angebotene Weintrauben,  besonders  
 eine  dunkelgefärbte Art,  von  nie  gesehener Gröfse,  und  die  einzelnen  j  
 Beeren  so  ^saftig  und  von  so  angenehmem  Geschmack,  dafs  sich  die  ge-1  
 sammte  Enropäerschaft  nicht  enthalten  konnte,  von  der  verbotenen Frucht I  
 zu  naschen. 
 Die  Leute  in  Gili,  wo  wir  eine Art  von Karawanserai,  so  ärmlich  wie  I  
 das  ganze  übrige  Dorf,  als  Quartier  bezogen,  so  wie  die  ganze Bewohner-  -  
 schaft  der  letzten Stationen  unserer Reise  bis  hieher,  sprachen  in  Persisch  j  
 zu  uns  mit  einigen  dialektischen  Abweichungen  von  der  gewöhnlichen  ] 
 Persische  Aerzte. 17 
 Mundart.  Erst  unmittelbar  vor  Hamadan  hört  man  von  den  Dörflern  das  
 Türkische  als  Umgangssprache  reden.  In  Gili  wie  bereits  auf  den  vorhergehenden  
 Stationen  hatten  wir  als  Europäer  die  Aufmerksamkeit  einer  
 Menge  kranker  Personen  auf  uns  gezogen,  welche  uns  mit  der  Bitte  bestürmten, 
   ihnen  Arzneien  zur  Vertreibung  ihrer  körperlichen  Leiden  zu  
 schenken.  In  den  meisten  Fällen  waren  die  Leute  vom  Fieber,  von  der  
 Wassersucht  und  vom  Rheumatismus  geplagt.  Die  Heilkunst  wird  in  diesen  
 Gegenden  von  persischen  oder  von  jüdischen  Aerzten  betrieben,  die  
 einb Art  von Schäfer-Praxis  besitzen,  wobei  es natürlicherweise unvermeidlich  
 ist,  dafs  viele  Mifsgriffe  geschehen.  Merkwürdig  bleibt  es,  dafs  viele  
 Frauen  in  Persien  sich  ausschliefslich  mit  der  Heilung  von  Augenkrankheiten  
 beschäftigen  und,  wie  uns  von  europäischen Aerzten versichert worden  
 ist,  ganz  glückliche  Kuren  zu  Wege  bringen.  Kindisch  und  abergläubisch  
 ist  der  persische  Kranke  im  höchsten  Grade,  und  nicht  eher  zu  
 bewegen  einen Arzt  zu Rathe  zu  ziehen  oder  eine  vernünftige  Diät  zu  befolgen, 
   ehe  nicht  sein  Uebel  den  höchsten  Grad  erreicht  hat.  Aeufserst  
 belustigend  —■  wenn  es  gestattet  ist  bei Besprechung  von Krankheiten  die-  
 seni Ausdruck  zu  gebrauchen  —  ist  das  Benehmen  der  Freunde  und  des  
 Arztes  dem  Kranken  gegenüber.  So  lange  Jemand  auf  dem  Krankenbette  
 liegt,  erklärt  der Arzt  der  Familie  desselben,  dafs  seine  Krankheit  heilbar  
 sei,1' den  Freunden  desselben  dagegen,  das Uebel  gehöre  zu  den  schwierigsten  
 Fällen  seiner Praxis,  sei  unheilbar  und  der Kranke  würde, wahrscheinlich  
 das  Zeitliche  segnen.  Stirbt  der  Kranke  in  der  That,  so  entschuldigt  
 sieh  der Arzt bei  der Familie,  dafs  er  ihr  aus Zartgefühl  den  schlimmen  Zu-  
 ständ  ihres Verwandten verschwiegen und nur den Freunden  desselben  seine  
 Lage  angezeigt  habe.'  Kommt  der  Kranke  durch,  so  rühmt  er  sich  
 denFamilie gegenüber  mit  einem  „Ich  sagte  es  ja  voraus!“,  bei  den Freunden  
 des Kranken,  denen  er  das  Sterben  verhiefs,  wächst  sein Ruhm  natürlicherweise  
 durch  die  glückliche  Heilung  eines  so  «clatant  schwierigen  
 j^Bes;  Der  arme  Kranke  dörweil  mufs  unter  Stöhnen  und  Aechzen  wahre  
 Pferdeküren  überstehen,  wobei  sich  der  persische Charakter  in  der schärf-  
 6t|n   Weise  offenbart.  Hat  nämlich  die  leidende  Person  n u f  einigermafsen  
 die  Mittel,  wohlthätig  zu  sein,  so  faRen  ihm  mit  einem  Male  vergangene  
 alte  Sünden  ein  und  er  fafst  den Entschlufs,  den  lieben  Herrgott  in  bester  
 * i s e   zu  besänftigen.  Die  Armen  werden  eingeladen,  gespeist  und  beschenkt; 
   die  Folge  davon  ist,  dafs  die  Bewirtheten  für  den  Kranken  laute 
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