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 zu  linguistischen  Studien  zu  sammeln.  Hr.  v.  Dor n   hatte  nach  zehnmonatlicher  
 Abwesenheit  von  der  Heimath  sich  dieser  Aufgabe  glücklich  
 entledigt,  eine  unendliche  Fülle  linguistischen  Apparates  gesammelt  und  
 eine  Menge  antiker  Inschriften  copirt,  welche  mit  Nächstem  einer  Publi-  
 cation  entgegensehen.  Sein  letzter  Abstecher  sollte  Schirtoan  sein,  von  
 hier  aus  gedachte  er  die  Stadt  Baku  mit  ihren Feuertempeln  zu  erreichen,  
 um  sich  auf  einem  russischen  Kriegsdampfer  nach Astrachan  einzuschiffen.  
 Mit  diesen  Herren  befand  sich  aufserdem  ein  deutscher  Naturforscher,  
 dessen  Namen  zu  vergessen  ich  so  gewissenlos  war.  Da  wir  von  dem  
 Postmeister  nach  gewohnter  Weise  keine  Pferde  erhielten,  so  zogen  wir  
 es  vor,  in  aller  Hast  unsere  letzten  Erlebnisse  und  Beobachtungen,  gegenseitig  
 mitzutheilen,  wobei  ein  Schlauch  rothen  Kachetiners,  Tifliser  Ursprungs, 
   aus  dem  Wagen  des  Generals  die  nöthige  Stärkung  gewährte,  
 und  hätte  der  Postmeister  nicht  von  selber  die  Ankunft  frischer  Pferde  
 angekündigt,  so  glaube  ich,   wären  wir  noch  am  Abend,  versteht  sich  bei  
 ausgeleertem. Schlauche,  zusammengesessen. 
 Je   näher  man  dem  Herzen  der  kaukasischen  Provinz  der  Stadt  Tiflis  
 kommt,  je   grüner  und  üppiger  wird  die  Vegetation.  Hatten  wir  bisher  
 türkische,  armenische  und  russische  Laute  vernommen,  so  fing  von  nun  
 an  auch  das Georgische  seine  besondere  Berechtigung  zu  verlangen.  Unter  
 der  vielfach  gemischten  Bevölkerung  begegneten  wir  zahllosen  Juden,  wie  
 z.  B.  in  der  Station  Sarwan,  woselbst  sogar  unsere  Kutscher  vom  Stamme  
 Israels  waren.  Das Wetter  war  den Tag  über  trübe gewesen,  gegen Abend  
 entluden  sich  in  der  Ferne  Gewitter,  während  über  unseren  Häuptern  ein  
 klarer  Mondschein  glänzte. 
 Wie  froh  waren  wir,  als  die  grünen  Gärten  und  weifsen  Villen  der  
 Vorstadt  von  Tiflis  an  uns  vorüber  flogen,  als  wir  in  die  engen  Strafsen  
 der Stadt  einzogen,  woselbst  in  der  nächtlichen Stille  tiefe Ruhe  herrschte,  
 und  als  wir  nun  endlich  über  den  grofsen  Platz  die  Richtung  nach  dem  
 Hôtel  du  Caucase  einschlugen,  wo  noch  eine  Menge  Droschken  später  
 Gäste  harrten,  die  in  den  hell  erleuchteten  Zimmern  Billard  spielten  odèr  
 beim  Kachetiner  die  Mühe  und  Plage  des  Tages  vergafsen.  Die  Begierde  
 und  Ungeduld,  in  das  wohlbekannte  französische  Hôtel  einzuziehen  und 
 das  Nomadenleben  auf  ein  Paar Tage  mit  europäischer Gasthauswirthschaft  
 zu  vertauschen,  war  so  unbeschreiblich  grofs,  dafs  ich  bei  unserm Eintritt  
 in  Tiflis  fast  dem  Kutscher  zürnte,  welcher  plötzlich  die  Troika  zum  Stehen  
 brachte,  um  dem  russischen  Gesetz  zu  genügen,  welches da vorschreibt,  
 vor  einer  Stadt  den  Pferden  die  klingelnden  Glocken  abzunehmen. 
 Bald  gehörten  auch  wir  zu  den  Gästen,  welche  es  sich  an  der  reich  
 besetzten  Tafel  im  Speisesalon  wohl  sein  liefsen,  so  dafs  wir  erst  nach  
 dem  Nachtisch  die  gehörige  Zeit  gewannen,  den  zufällig  anwesenden  Bekannten  
 von  der  Zeit  unseres  ersten  Aufenthaltes  her  gehörige  Auskunft  
 über  ein  ganzes  Heer  gestellter  Fragen  zu  gewähren.  Wieviel  Beefsteaks  
 wir  vorher  consumirt,  wieviel  Kachetiner  unsere  trockene  Zunge  benetzt  
 hatte,  davon  gab  uns  am  Besten  die  Wochenrechnung  des  Herrn  Wirthes  
 Zeugnifs. 
 ln  Tiflis  hatte  sich  seit  unserer  Abwesenheit  Manches  geändert.  Der  
 Statthalter  des  Kaukasus,  Fürst  Ba r i a t i n s k y ,   hatte  vor  wenigen  Tagen  
 seine  Residenz  verlassen,  um  sich  über  Kutais  zur  Heilung  seiner  gichti-  
 schen  Leiden  nach  europäischen  Badeorten  zu  begeben.  Die  Krankheit  
 hatte  den  russischen  Löwen  des  Kaukasus  so  gebrochen,  dafs  er  nicht  
 mehr  im  Stande  war  zu  gehen  und  nur  mit  den  allergröfsten  Schmerzen  
 von  einem  Orte  zum  ändern  getragen  werden  konnte.  Seine  Stelle  vertraten  
 Hr.  v. Kr u s e n s t e r n   als  Civil - Gouverneur  und  der  General  v. Or-  
 bel iano  als Militair-Gouverneur.  Der  diplomatischen Kanzlei,  welche  zum  
 Empfange,  fremder  Gesandten  und  fürstlicher  Reisenden  ein  besonderes  
 Haus  zur  Verfügung  erhalten  hatte,  stand  Hr.  v.  Te n g o b o r s k i   vor,  auf  
 dessen  Bekanntschaft  ich  unendlich  neugierig  war,  da  er  durch  zwölfjährigen  
 Aufenthalt  in  Persien,  wovon  er  drei  Jahre  als  russischer  Consul  
 in  Rescht  zugebracht  hat,  den  Charakter,  die  Sitten,  Gewohnheiten  und  
 die  Sprache  dieses  Volkes  so  urgründlieh  wie  wenige  studirt  hat.  Unser  
 preulsischer  Landsmann  Hr.  v. Bün t i n g   war  als Major  zu  einem Schützencorps  
 nach  der  Linie  commandirt  worden  und  hatte  bereits  Tiflis  verlassen. 
   Unser  liebenswürdiger  Freund  Hr. Graf ,   der  frühere  russische  Dra-  
 goman  der Gesandtschaft  S. M.  des  Kaisers,  hatte  als  Staatsrath  eine  Stellung  
 hierselbst  erhalten.  Der  französische  General-Consul  Baron  F i n o t ,   
 der  gefeierte  Freund  des  französischen  Schriftstellers  Al e x a n d e r   Du mas, 
   war  immer  noch  derselbe  geblieben,  d.  h.  unverwüstlich  an  Humor  
 und  Laune.  Wenn  ich  noch  zu  meinen  Freunden  aus  Teheran  den  Com