Europa nicht mehr beliebt ist, so ist dennoch ihr Werth in Persien so
unverändert geblieben, dafs selbst die Fetzen achter Shwals mit Gold aufgewogen
werden und gradezu als kleine Münze gelten. Das Miskal davon wird
mit zehn Schahi (etwa zwei Silbergroschen) bis zu zwei und einem halben
Qran bezahlt. Juden betreiben vor allen das Geschäft des Verkaufs, das
ziemlich erspriefslich ist, da die Perser die Kanten ihrer Röcke mit jenen
kleinen Stücken zu besetzen pflegen. Ganze. Shwals variiren je nach der
Güte im Preise von zwanzig bis drei- und vierhundert Ducaten. Ein besonderes
Kennzeichen der ächten von den unächten besteht darin, dafs die
ersteren nicht etwa aus e in em Stücke bestehen, sondern aus mehreren
zusammengestickt sind, doch so, dafs der Zusammenhang der Muster und
Zeichnung nicht unterbrochen ist. Die meisten Shwals, welche zum Verkauf
angeboten werden, sind alt, daher oft fadenscheinig und mit kleinen
Löchern versehen, so dafs man beim Kauf sehr vorsichtig zu Werke gehen
mufs. An Seide (äbrischum) hat bekanntlich Persien einen grofsen Ueber-
flufs, da die am Kaspi-Meere gelegenen Provinzen Gilan und Mazenderdn
so viel erzeugen, dafs ganz bedeutende Quantitäten nach dem Auslande
exportirt werden. Die persische Seidenweberei hat heut zu Tage nur als
originelle Handarbeit einen besonderen Werth für Europäer. Am berühmtesten
sind die starken Seidenwaaren, vor allen die Tsehadvr's oder Frauenschärpen
von Jezd. Nächst dieser Stadt wird in Kaschan, Kirnidn und
weniges auch in Isfahan und Schiraz (wo man in der letzten Z e it1 die Cul-
tur der Seidenraupe begonnen hat) an Seidenweberei geleistet. Perdeh oder
seidene Thürvorhänge mit dem stets wiederkehrenden Gypressenbaum als
Hauptmuster, Tetmeh-numä oder die wenig haltbaren faijonnirten Seidenstoffe
mit shwalartigen Zeichnungen und einzelne Brocate sind die beliebtesten
Waaren. In Seiden- und Tuchstickerei wird noch heute zu Tage
ganz Aufserordentliches geleistet; vor allen erfreuen sich die Tjich'sticke-
reien von Rescht durch ihre Schönheit und Gröfse eines wohlverdienten
Rufes.. Die Stickereien für Pferdedecken, Tisch- und Stuhldecken, Kissenbezüge,
Mützen, Schuhblätter und anderes mehr auf Wollenstoffen sind so
kunstreich, dafs nichts ähnliches den Leistungen dieser Art an die Seite
gestellt werden kann. — Von den Teppichen haben wir bereits früher, was
nothwendig schien, ausführlich bemerkt.
Wir beschliefsen die Aufzählung aller Herrlichkeiten, welche sich in
den Händen des Delldl befinden, mit
8. den M a n u s c r ip te n u n d Z e ic h n u n g e n , in welchen die ältere
und die moderne Wissenschaft und Kunst ihre besondere Vertretung in
Iran findet. Die Perser waren von jeher Liebhaber einer schönen Handschrift
gewesen und bezahlen noch gegenwärtig alte und neue Schönschriften
bekannter Meister mit ungemein hohen Preisen. Oft werden ganz kleine
Stücke Papier, welche mit den Schriftzügen von der Hand eines nicht mehr
lebenden Kalligraphen bedeckt sind, mit blankem Golde erworben. Die
Handschriften werden deshalb neben dem geistigen Werthe nach ihrem Khät
d. h. nach ihrer Schrift abgeschätzt, und zwar dann um so höher, je reicher
sie von Miniaturen und Ornamenten eingefafst sind. Für eine schöne
Handschrift ward auch gewöhnlich und wird noch bunt gefärbtes Papier
gewählt, ja es ist eine gar nicht seltene Erscheinung, dafs das zu beschreibende
Papier ganz mit Goldflecken übersäet ist. Persien darf in der That
als das Land der schönsten Schrift und der geschicktesten Kalligraphen
gelten und eine Prüfung der von den Dellälen vorgelegten Manuscripte gewährt
dem Kenner und Nichtkenner orientalischer Handschriften einen
■hohen Genufs, sei es in Bezug auf die Vollkommenheit und Anmuth der
Schrift, sei es mit Rücksicht auf die malerische Ausstattung. Wenngleich
die Handschriften im Verhältnifs zu der mühevollen Herstellung sehr wohlfeil
sind, so erscheint dennoch der Preis einzelner, europäischen Begriffen
nach, sehr bedeutend. Für eine gute) mit Malereien ganz und.gar bedeckte
Handschrift der Schah-nameh des unsterblichen Firdozi forderte man z. B.
eine Summe von nicht weniger als ein hundert fünf und achtzig Thalern.
Die Manuscripte, welche uns von den persischen, ariüenischen und jüdischen
Dellälen in Teheran, Isfahan und Schiraz vorgelegt wurden, waren aufser
in persischer Sprache auch in arabischer, armenischer, türkischer (sehr
selten ost-türkischer) abgefafst und mit äufserst geringen Ausnahmen auf
(pers.) Papier niedergeschrieben. Von den mehr als dreitausend Manuscripten,
welche uns während der Zeit der persischen Reise vor Augen
kamen, waren nur drei, nämlich Koranblätter mit kufischen Sehriftzügen
und zwei armenische Bücher auf Pergament {puscht-e-ahu, wörtlich: Ga-
zellen-Haut) niedergeschrieben.
Die Perser, wie bereits an verschiedenen Stellen dieses'Werkes bemerkt
worden ist, haben einen entschiedenen Hang zur Malerei und leisten
in dieser Kunst bei allen Mängeln richtiger perspectivischer Auffassung
ganz Aufserordentliches. Auffallend ist dabei der grofse Unterschied zwi