hatte der Gouverneur 6s zu danken, dafs er mit dem Leben davonkam,
obwohl er bald darauf vom Schah seiner Stelle entsetzt wurde.
Räubereien und Diebstahl waren natürlich von der Noth unzertrennlich,
so dafs eigentlich jeden Tag in Teheran Executionen stattfanden. Am
9. März liefs der Schah sieben L n ti, meist Spitzbuben und Räuber, hinrichten,
darunter jenen Hauptkerl, dem man einmal früher wegen Diebereien
die Hände hatte abhauen lassen, und der dennoch es nicht hatte
unterlassen können, an den Räubereien Theil zu nehmen. Die Art der
Hinrichtungen war meist sehr verschieden von einander und der Schah
hatte sie verschärfen lassen, um wirksamere Exempel zu statuiren. Am
häufigsten geschah es, dafs man den Uebelthäter vor Kanonenmündungen
band und in die Luft schofs, oder dafs Soldaten im Kreise herumgehend
den Verbrecher in ihrer Mitte so lange mit den Bajonetten ihrer Gewehre
durchbohrten, bis sein entseelter Körper den blutgetränkten Boden regungslos
bedeckte. Auch minder Leib und Leben gefährdende Strafen waren
an der Tagesordnung. Die Wezire hatten ein neues sehr glückliches
Mittel entdeckt, Geld zu gewinnen, darin bestehend, dafs sie jeden WohL
habenden anldagten, schlecht über seinen Harem gewacht zu haben, weil
das letztere Theil an dem Äuflauf genommen hätte!! Je nach dem Ver-
hältnifs mufste männiglieh fünf Dukaten und mehr Strafe entrichten, wodurch
natürlich der Wezire Säckel nicht unerheblich voller ward.
Die Stimmung der innerlich grollenden Bevölkerung, im Verlaufe des
Monates März, war durchaus nicht der Art, dafs man den Fufs Abends
ruhig in das Bott setzen konnte, ohne nicht von Bedenken und Befürchtungen
in Bezug einer plötzlichen Erhebung der erbosten Volksmasse in
der kommenden Nacht erfüllt zu .sein. Man trieb von oben her ein entsetzliches
Spiel mit dem Heile des Schah, auf welchen das V olk die ganze
Verantwortlichkeit der Hungersnoth wälzte. Der Fastenmonat Ramazdn,
an welchem bekanntlich die Mohamedaner von Sonnenaufgang an bis zum
Untergang der Sonne weder essen noch trinken, noch rauchen dürfen, stimmt
schon an sich ihren Geist, trübe und mürrisch, und macht sie im höchsten
Grade erregbar und fanatisch. Dazu nun gegenwärtig noch der fortgesestzte
unbegreiflichste Wucher, der, trotz aller Befehle des Schah, das Getreide
so versteckt und verschlossen hielt, dafs das Brot in dieser Zeit zuletzt
nicht einmal mehr für Geld zu haben war! Da wo man es fand, war es
schlecht: tälkli, d. li. bitter, nannten es die Perser. Unsere Diener, welche
vor den vom Volk belagerten Bäckerläden standen, wurden jedesmal mit
Hohn und Schimpf zurückgetrieben und man warf ihnen vor, in dem Dienst
fränkischer Hunde zu stehen. Mit Angst erwarteten die Europäer das längst
gefürchtete Commandowort der Mollahs zu hören, welche sich der Schah
durch ein Festgeschenk von zweitausend Dukaten vergeblich geneigt zu
machen suchte. Die Europäer in Teheran befanden sich unter solchen Umständen,
welche stündlich ein Nachspiel der blutigen Scenen in Damascus
befürchten liefsen, in keiner beneidenswerthen Lage, und es bedurfte allen
Muthes und aller Geistesgegenwart, um mit Würde und Ruhe dem scheinbar
Unvermeidlichen entgegenzugehen.
Für unsere Mission waren die schrecklichen Tage in Teheran um so
trüber und trauriger, als während derselben die amtliche Nachricht von
dem Dahinscheiden unseres lieben Königs F r i e d r i c h Wi lhelm IV. eintraf.
loh hatte persönlich Ursache, diesen Verlust des Vaterlandes doppelt
tief zu empfinden, als der Hochselige König zu allen Zeiten das lebhafteste
Interesse an meiner Entwickelung, an meinen Studien und an
meinem Schicksale genommen hatte, so dafs ich sein Hinscheiden wie das
meines eigenen Vaters mit wehmüthigem Herzen beklagte. Die Flagge*)
auf dem Hotel unserer Gesandtschaft wurde nur halb aufgezogen und bald
empfingen wir die Gondolenzvisiten der persischen Behörden und der europäischen
Gesandtschaften. Die Todesnachricht hatte sich verhältnifsmäs-
sig so sehr verspätet, da, wie es scheint, eine ältere Mittheilung derselben
auf dem schwarzen Meere mit dem Dampfer Henri IV. der französischen
Messageries zu Grunde gegangen war. Nach den Mittheilungen, die
ich von; Zeit zu Zeit durch die Güte meines gelehrten Freundes , des
preufsischen Consuls Dr. Bl au in Trapezunt erhielt, hausten die Stürme
auf .dem schwarzen Meere in den Monaten December und Januar auf eine
furchtbare Weise. Der Dampfer He n r i IV. ging vollständig zu Grunde
*) Je d e europäische Gesandtschaft in Teheran h a t das Vorrecht, auf ihrem Hause die
betreffende Nationalflagge aufzuziehen, nur der türkischen i s t . diese Dsance aus folgendem
Grunde versagt. Hie persische Gesandtschaft in Constantinopel, sobald sie in der eigentlichen
Türkenstadt, also inmitten-der mohamedanischen Bevölkerung ihren Sitz aufgeschlagen,
h a t, darf die persische Flagge nicht aufziehen, doch bleibt ihr dies g e s ta tte t, sobald
sie in den europäischen Vierteln von Stambul, d .h . in Pera oder Galata, eine Wohnung
inmitten der christlichen Bevölkerung genommen hat. Wie du m ir, so ich dir! Wollt ihr
Türken, sagen die Perser, nicht le id en , dafs wir in eurer Mitte unsere Nationalflagge aufziehen,
so werden wir es nicht leiden, dafs ihr in-unserer Mitte die eurige aufzieht.