E i ja baba! (Nun, o Väterchen!) angefangen, sein Jek, cluta, seh! geschlossen
und mit seinem Stocke wacker auf den Tisch geschlagen hatte, so wan-
derte jedesmal ein europäisches Stück in persische Hände, so dafs wir
nach zwei Tagen eigentlich keinen europäischen Gegenstand mehr im Hause
hatten und zwischen den vier leeren Wänden ä la Persane campirten.
In der Nacht vom 19ten zum 20sten fand nach sehr heifsen Tagen ein
starkes Gewitter S ta tt, das indefs die Luft durchaus nicht abgekühlt hatte,
da den darauf folgenden Vormittag über die Temperatur äufsert schwül geblieben
war. Das Bergland von Schimran, dessen herrlichen Anblick wir alltäglich
von dem Dache unseres Hauses zu geniefsen pflegten, war von regenschwangeren,
düsteren Wolken umhüllt, die sich nur selten spalteten und
für kurze Augenblicke einen Blick auf den Elburs gestatteten.
Der Preis des Brotes war in Teheran am 21. März bis auf einen Grän
für den Batman gesunken, die Stimmung hatte sich aber wenig verändert,
so dafs bei der zunehmenden Noth das arme hungrige Volk die Vorübergehenden
auf der Strafse förmlich anfiel und in den herzzerreifsendsten
Ausdrücken um Almosen anbettelte. Wenn auch die Furcht vor einer
Erhebung des Volkes für den Augenblick verscheucht war, so lebte dennoch
ein Jed er, der etwas zu verlieren hatte, auf dem unvermeidlichen
qui vive und erwartete voller Spannung von einem Tage zum ändern ungewöhnliche
Ereignisse. Der Schah, dem man mit den Bdbi (vergl. Bd. I,
S. 187) drohte, nachdem man an ihm das Gespenst des verbannten Sadra-
zdm hatte vorüberziehen lassen, war, wie man sagte-, von einer Partei
umstellt, die ihn zu stürzen beabsichtigte, um seinen in Kerbela in der
Verbannung lebenden Bruder auf den Thron zu setzen. Der Kaiser selber,
tief ergriffen von den traurigen Umständen der Gegenwart, hielt strenger
als jemals das Fasten des Bamazän inne, — obgleich nicht ohne schmerzliche
Magenleiden, — um dadurch beizutragen, den Zorn Gottes zu mildern.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dafs politische Absichten bei der Hun-
gersnoth, welche die Unzufriedenheit des Volkes gegen den Schah in
höchstem Mafse erregt hatte, zu Grunde lagen, da dieselbe, wie man immer
mehr und mehr einsehen le rn te , geflissentlich recht künstlich genährt
wurde, und allen strengen Mafsregeln zum Possen nichts geschah, um ein
Sinken der Brotpreise herbeizuführen. Trotzdem in Täbrtz das Brot-vier
bis acht Schahi und in lsfahän, wie ein europäischer Reisender mittheilte,
zehn Schahi kostete, so langten dennoch nur wenige Karawanen von dort
her an, um durch Zufuhr von Getreide die Noth in Teheran zu mildern.
Den Europäern schien man glauben zu machen, dafs das Brot dennoch
im Preise billiger geworden wäre, da man die Diener und Soldaten der
Gesandtschaften an Bäcker wies, welche ihnen das Brot für seghszehn
Schahi verkaufen mufsten. Eine sölche plumpe Täuschung verfehlte aber
vollständig ihren Zweck und brachte Mirza Musd, den Hauptwucherer, nur
noch in schlimmeren Geruch.
Eines Tages erschien mein Sejid aus Mazenderän mit der Nachricht,
dafs vor der Thüre unseres Sefareikhaneh (Gesandtschaftshotel) ein Derwisch
sein Zelt aufgeschlagen habe, um sein übliches AW&s-Geschenk zu
empfangen. Bei diesen Anlafs klagte er bitter über das heutige Derwischthum,
bestehend eigentlich nur aus einer Bande von Faullenzern, welche den
Tag über in den Strafsen herumlungerten. Den Ursprung der Derwische
führte er auf die Könige der Sefiden-Dynastie zurück, welche anfänglich
Mollahs besoldeten, um den Leuten religiöse Vorträge zu halten. Aus diesen
habe sich im Laufe de rZe it das heutige Derwischthum entwickelt mit
allen von einem vagabundirenden Leben unzertrennlichen Schattenseiten.
Es ist Sitte in Teheran, dafs die Derwische, welche eine eigene Zunft mit
einem Oberderwisch bilden, zehn oder vierzehn Tage vor dem Naurüz ihr
Lager vor den Hausthüren vornehmer Personen aufscblagen, und es erst
dann verlassen, wenn ihnen von dem Besitzer ein ansehnliches Geschenk
gereicht worden ist, das in die Kasse des allgemeinen Derwisch - Fonds
fliefst. So erklärte sich die Anwesenheit unseres Derwisch-Besuches.
Ich war neugierig meinen Derwisch kennen zu lernen, und wuide
bei meinem ersten Ausgang an der Thür durch einen Anblick überrascht,
der sich mir später vor allen Thüren angesehener Perser und Europäer
wiederholte. Der Derwisch Eadschi-Ibrahim aus Tedschrisch hatte ein kleines
braunes Zelt an der einen Wand des Portales unseres Hauses aufgeschlagen
und sich darin vollständig häuslich niedergelassen. Ein alter Teppich,
seine Derwisch-Schaale, ein Mang dl mit dampfender Kohlenglut,
ein schlechter Kaliun und ein Gefäfs zum Trinken bildeten die Hauptgegenstände
der ambulanten Häuslichkeit. In seinem Anzuge zeichnete er
sich in keiner Weise besonders aus, nur seine hohe, mit Schriftzügen bedeckte
braune Filzmütze, um welche er bisweilen höchst kokett einen Blumenkranz
wand, unterschied ihn als Derwisch von seinen übrigen Landsleuten.
Als er meiner, ansichtig wurde, legte er die eine Hand aufs Auge