gegenüber kennen zu lernen. Einer von unseren Soldaten, welcher neu eingetreten
war und die Hausordnung unserer preufsischen Gesandtschaft sich
noch nicht eingeprägt zu haben schien, hieb mitten im Bazar auf einen Mann,
dessen langsam schreitender Esel nicht rechtzeitig genug auswich, so unbarmherzig
los, bald den Beiter, bald das Thier mit seinem Stocke treffend, dafs
ich in der Meinung stand, der Geschlagene habe sich eines besonderen
Versehens schuldig gemacht. Auf meine Gegenvorstellung: Ja wasch, ja
wasch! d .h . auf Türkisch: „Nur immer sacht!“ entgegnete mein begleitender
Ptschkhedmet: „Es ist ja ein Esel!“ — nämlich Mann und Thier
zusammen. Ein Eselreiter kann einmal keine respectable Person sein und
mufs daher bei dem Entgegenkommen eines Vornehmen schleunigst vom
Esel springen, um dadurch dem Ersteren seine Huldigung auszudrücken.
^ Tn den Bazaren, die wir passirten, fielen ausnahmsweise die persischen
öffentlichen Schreiber auf, welche auf dem Boden der Strafse in der.Nähe
der Häuserwände hockten und vor sich, aufser dem Kalemdän (Schreib-
geiafs) und den glatt geriebenen Papierrollen, eine metallene, mit Schriftzügen
und Zeichen bedeckte Scheibe stehen hatten, auf w'elcher sich um
eine Achse zwei wie Uhrzeiger gestaltete Griffel hin und her rücken liefseu.
Neben ihrem Geschäfte als Schreiber betreiben sie nämlich die schwarze
Kunst und sagen den Leuten mit Hülfe der curiosen Maschine das Schicksal
voraus. Am häufigsten sieht man Frauen vor diesen Propheten kauern
und mit grofser Aufmerksamkeit den Weissagungen derselben lauschen.
Am 29. December hatte ich die Aufgabe, Zeuge eines Ehebündnisses
zu sein, welches zwischen einem deutschen Unterthanen und einer — vierzehnjährigen
orientalischen Schönheit in der Wohnung des Schwiegervaters,
eines christlichen Armeniers, stattfinden sollte. Das Haus, im Armenierviertel
gelegen, war baufällig und starrte ebenso sehr von Schmutz
wie die männlichen Mitglieder der armenischen Familie, welche in den
Winkeln eines jämmerlichen Zimmers auf dem Boden bockten. Um einen
wackeligen Tisch safsen mehrere Deutsche, welche als naturalisirte Russen
in der berühmten Baumwollen-Dampfspinnerei am. Wege nach Schimrdn
persischer Seits engagirt worden waren, und ihre Zeit bei dem fortwährenden
Stillstand der Dampfmaschine, der es heute an Kohlen, morgen an
Wasser, übermorgen an Baumwolle gebrach, meist mit Schnapstrinken und
Spielen zubrachten, — um gleichfalls Zeuge des Ehebündnisses ihres deutschen
Landsmannes mit der unsichtbaren Braut zu sein.
An dem Hauptende des Tisches lallte ein armenischer lumpig gekleideter
Priester in abgebrochenen Sätzen unverständliche Worte, deren Geist
mit dem Spiritus im Schnapsglase vor ihm sicher in der nahesten Verwandtschaft
stand. Da ich von Amtswegen als ßechtszeuge geladen war,
durfte es mich billig in Erstaunen setzen, als der versoffene Pfaffe, der
sich rühmte, armenisch,-‘persich, türkisch, indisch und malaisch mit gleicher
Fertigkeit zu sprechen, sich nicht entblödete, mir ein Schnapsglas
zu füllen, um ihm bei einem Toast auf meine Gesundheit Bescheid zu thun.
Der deutsche Bräutigam verhielt sich still und ruhig und kam mir eigentlich
wie ein Opferlamm vor. Wenn er auch bereits vor zwölf Jahren mit
einem. Wanderbuche - in der Tasche seiner Heimath, dem netten und sauberen
Sachsenlande, ein Valet gesagt und nach dem Orient gepilgert war,
wo ja die Sitten und Gewohnheiten so unendlich leicht die guten Seiten
des Europäers abschleifen, so blieb es mir dennoch immer unbegreiflich,
wie. eine deutsche Natur in eine solche orientalisch - persische Mistpfütze
hineinfallen konnte. Ich dankte Gott, als ich das Freie wieder erreicht
hatte, nachdem ich der ganzen Gesellschaft eine recht fröhliche Hochzeitsfeier
gewünscht. Der armenische Mönch, eine Figur wie der Kapuzinei
in Wallensteins Lager, war scheinbar untröstlich, dafs meine „Excellenz“
sich so bald der Gesellschaft entzog, und brüllte mir Segenswünsche nach,
die mir beinahe wie halbe Flüche vorkamen.
Nach armenischer Sitte wird vor jeder Heirath in Gegenwart von Zeugen,
unter denen der Priester unerläfslich ist; der Ehecontract äbgefafst,
nach welchem um Mitternacht die eigentliche Trauung stattfindet.
Als letzte Neuigkeit aus dem Monat December wollen wir nicht unerwähnt
lassen/, dafs der .-„König der Könige“ ,, der mit theuren Kosten
zwei-europäische Photographen unterhält, sich von dem einen, Mrs. C a r ito
n , umgeben von zwölf Weziren, photographiren liefs. Die Letzteren
sollten einen besonderen Abzug erhalten und aus Freude und Dankbarkeit
ein jeglicher an den genannten Photographen die Summe von zehn Dukaten
zahlen. Bei diesem Anlafs sei die Bemerkung hinzugefügt, dafs die
Kunst zu photographiren von dem Schah in der ausgedehntesten Weise
ausgebeutet wird. Eines Tages liefs der hohe Herr seinen französischen
Leibphotographen mit seinem ^Apparate zu sich bescheiden, um einen im
Schlofshofe frei herumlaufenden Tiger zu photographiren. Mit schlotternden
Beinen stand der Photograph bei seinen Instrumenten, richtete mit
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