Koth auf dem malerischen Hochgebirge, abwechselnd mit hohen Schneelagen,
hatte eine so unmenschliche Tiefe und Unergründlichkeit erreicht,
dafs wir nach einem Marsche von zwei und einer halben Fersaeh, wozu
wir den ganzen Best des Tages gebrauchten, schliefslich nicht weiter konnten,
nachdem wir vorher noch mitten auf der Strafse den warnenden Memento
Anblick aufgespeicherter Kaufmannswaaren neben gefallenen Maul-
thieren hatten, welche in den weichen Strafsenschlamm bereits tief genug
eingesunken waren, um mit Hülfe starker Hebebäume herausgewunden
zn werden.
Zu Nutz und Frommen derer, welche nach uns das Unglück haben
sollten, in der winterlichen Jahreszeit die altpersische grofse Königstrafse
zu passiren, will ich die Bemerkung nicht unterlassen, dafs der Reisende
vor allen das Auge durch entsprechende Mittel, am besten durch eine
blaue Brille, hüten und wahren möge, damit es ihm nicht etwa ergehe,
wie wir es leider an uns selber erleben mufsten. Umgeben von großen,
weit ausgedehnten Schneefeldern auf den Hochflächen des persischen Gebirges
konnten wir es nicht verhüten, dafs der blendende Reflex der
weifsen winterlichen Decke unser Auge ununterbrochen traf, so dafs wir
Schmerzen empfanden, die an Nadelstiche erinnerten. Zuerst und am empfindlichsten
wurden unsere Augen davon getroffen, zuletzt das ganze Gesicht.
Bei unserer Ankunft in Täbriz waren unsere Augen vollständig entzündet
und die Haut des Gesichtes wie mit einem schwarzen Russe überzogen.
Ich kann mir keine Erklärung von dieser wundersamen Wirkung
der Schneemassen auf die blofsgelegten Theile des menschlichen Körpers
machen, fand aber später bei unserem Uebergange über den schneebedeckten
und von Lawinen halb zugesehütteten Kaukasus die Vorsicht der
schaufelnden russischen Soldaten und Anwohner sehr erklärlich, das Gesicht
durch schwarze Schleier, Tücher und Drahtmasken zu verhüllen.
Die Sonne war bereits dem Untergange nahe und dunkle Abendwob
ken zogen allgemach über die Berge herüber , als wir abgemattet, hungrig
und durstig eine elende, sehr schmutzig aussehende Karawanserai mitten
auf einem windigen Plateau erreichten,. dieselbe, welche bereits im ersten
Bande unter dem Namen Gilek aufgeführt worden ist. Der ganze Hof
derselben war mit Waarenballen und ruhenden Lastthieren angefüllt, und
in den Ställen und sonstigen Gemächern des Kharis hatten es sich die
Tscherwadare und Packknechte der Karawanen, welche das Unglück hatten
in dieser Jahreszeit auf dem aufgeweichten Hochgebirge reisen zu müssen
, in ihrer Weise bequem gemacht. Da wir bei so entsetzlichen Wegen
die nächste-Station — zumal in der Nacht — zu erreichen nicht hoffen
durften, so blieb uns nichts Anderes übrig, als in der vollgepfropften Karawanserai
irgendwo ein trockenes Plätzchen als Nachtquartier zu suchen.
Das nach langem Suchen gefundene Obdach war keineswegs beneidens-
werth. Es bestand aus einem dumpfen Mauerloche von ungefähr vier Fufs
Höhe und entsprechender Weite und Länge, in das wir uns durch eine
enge Oeffnung nur mit genauer Mühe hineinquetschten, zufrieden, wenigstens
eine trockene Stätte gefunden zu haben und allen weitem Kummer
einem gnädigen Zufall anheimstellend. Nafs und erklammt, wie wir waren,
streckten wir uns so gut es gehen wollte neben einander aus, liefsen
eine kleine Brandstätte zwischen uns frei, machten hier aus Reisig und
Thiermist mit Hülfe deutscher Zeitungen ein helles Feuer an, dessen schwelender
Rauch das ganze Loch erfüllte, und dankten dem Himmel so herzlich
wie vielleicht nie für das Vorhandensein einer schmutzigen Kasserolle,
einer Hand voll Thee, und als besonderer Delicatesse eines Stückes abgegriffenen
Ziegenkäses und trocknen Brotes, welches alles uns der Verwalter der Karawanserai
mit gilekischer Grazie überreichte. Dies bescheidene Diner, die
einzige Nahrung, welche wir den Tag über eingenommen hatten, beschwichtigte
wenigstens einigermafsen den bellenden Magen, und nachdem so die
gröfsere Sorge abgethan war, legte ein Jeder seinen Kopf auf einen Stein,
um die traurige Gegenwart bis zum nächsten Morgen zu verschlafen. Ich
hatte einen seltsamen Traum in der Nacht. Ich sah mich in einem prachtvollen
Palaste, der mit einem ausgesuchten Luxus ausgestattet war. Ich
war umgeben von zahlreichen Dienern, bereit, allen meinen Befehlen zu
gehorchen. Vor mir stand eine reich besetzte Tafel, deren leckere Speisen
mir in die Nase dufteten. Ich wollte mich dem Tische nähern, um
ein köstliches Mahl zu halten, aber —, als wäre ein Zauberkreis um mich
herum gezogen, ich konnte die Füfse weder vor- noch rückwärts setzen.
Ich wurde böse, zuletzt wüthend, schimpfte und tobte, aber meine Worte
hatten keinen Klang, ich vernahm keinen Laut, als wäre ich taub gewesen.
Alle meine Glieder versagten ihren Dienst, nur das lüsterne Auge
hatte die Qual, alle Herrlichkeiten des reich gedeckten Tisches allein
mit den Blicken zu verschlingen. Da plötzlich tauchte aus dem Boden
eine bekannte Gestalt empor, Maria mit einer Strahlenkrone näherte sich