Gregunefsk, woselbst wir an diesem Reisetage zum dritten Male die Pferde
wechselten, ging’s ungemein lustig lier, da hier zufällig ein greiser zwanzigtägiger
Jahrmarkt Statt fand. Wir benutzten die Zeit einer nothwen-
digen Wagenreparatur, um den Markt zu besuchen und das bunte aber
friedliche Reben der seltsamen Marktversammlung, wenn auch nur nach
seiner äufserlichen Seite hin, kennen zu lernen. Auf einer etwas hoch
gelegenen baumlosen kahlen Ebene hatten die Verkäufer eine vollständige
Stadt improvisirt. Die Häuser zu beiden Seiten der Hauptstrafse bestanden
aus kleinen Karren, auf welchen Grofs- und Kleinhändler Holzbalken, Brette
r , Stangen, Wagenachsen, Sensen und sonstige Ackergeräthe feilboten.
Die Paläste dieser Stadt stellten grofse aus Holz aufgebaute, mit Glasfenstern
versehene und mit zahlreichen Gardinen geschmückte Buden dar. Sie
enthielten Lederzeug, Tscherkessen-Anzüge, Waffen aller Arten, und während
sie die Söhne des Mars herbeilockten, machten Andere eine viel friedlichere
Eroberung. Darin waren nämlich Schnittwaaren ausgestellt, ja
selbst französische Modeartikel fehlten nicht. Oftizierfrauen mit Schleier
und Crinoline, neugierig begafft von in der Ferne stehenden Kabarden
und Eingeborenen, besorgten hier ihre Einkäufe bei den geschmeidigen
armenischen Kaufleuten. Hier und da waren an Querstangen Kirchenglok-
ken in allen Grölsen ausgehängt. Alles, Russen, Kabarden, Tataren,
Tscherkessen, Zigeuner und was weifs ich sonst noch, drängte sich in den
buntesten Costümen durch einander, nur die Quass-Verkäuferinnen bildeten
einen Ruhepunkt, an welchem die Menge sich auf kurze Zeit zu stopfen
pflegte. Das in Rufsland unter dem Namen Quass bekannte Getränk
wird aus Brot bereitet, welches im Wasser gegohren hat, ebenso heifst
auch ein zweiter Aufgufs auf Bier. Die verkaufenden Mädchen schöpften
es aus hölzernen Zobern, in welchem das Quass durch hineingeworfene
Eisstücke abgekühlt wurde. In grofsen Zeiten, in welche man Fenster
und Thüren eingesetzt hatte, mit der stolzen Aufschrift: Gostinitza, d. h.
„Gasthaus“, safs die bunte Menge vor Holztischen auf Hölzbänken und
schlürfte Piwo (Bier), Wein, Wodka und Thee unterschiedslos in erstaunlichen
Mengen hinunter, während eine russische Leierkastenmusik den
Leuten einen so köstlichen Ohrenschraaufs zu bereiten schien, dafs einige
Gäste wie besessen von ihren Bänken aufsprangen und umgeben von einer
höchst zufriedenen Zuschauermenge mit stampfenden Füfsen unter hellem
Gejaucbze russische Nationaltänze zum Besten gaben. Wir gingen in eine
dieser Buden hinein, um inmitten der fröhlichen Menge Zeuge des lustigen
Volkslebens zu sein, und tranken süfses Braunbier und eine Kanne Thee,
die ein in fadenscheinigem schwarzen Sammet mit rothseidenen Aermeln
gekleideter Kellner auf den Tisch setzte, im S c hw e ifs e u n s e r e s A n g
e s ic h ts . Das erheischt so die Sitte bei den Russen. Ernst und ruhig
wie bei einem sehr wichtigen Geschäfte sitzt der Russe (meist Kaufleute)
vor seinen Theekannen, in dem Glase vor ihm nach seinem Geschmack den
Thee mehr oder weniger verdünnend, beifst von dem Zucker sparsam ab und
schlürft so lange den beliebten Trank hinunter, bis ihm die hellen Schweifstropfen
auf. der Stirn perlen. Dann ist der Zweck erreicht und zufrieden
nimmt 1er von Sitz und Theekanne Abschied. Wir verliefsen den Markt,
dessen Anblick uns ungemein erheitert hatte, nach einstündigem Aufenthalte,
warfen noch einen Blick auf die Pferde, Ochsen (die hier im Kaukasus
sämmtlich beschlagen sind), Karren und Wagen hinter dem Marktlager
und bestiegen unsern Wagen, um keine weitere Zeit zu verlieren und
unseren Reisezielen entgegenzueilen.
Gegen acht Uhr Abends hielt der Tarantas, hinter ihm die Kibitke
mit dem Gepäck und dem mitreisenden Juden, vor dem Posthause des
grofsen Dorfes Alexandrowsk. Der Weg, den wir zurückgelegt hatten,
war ungemein langweilig gewesen, da der Anblick der glatten Steppe keinerlei
Wechsel darbot und der Horizont weder durch Berge noch durch
hohe Punkte begrenzt ward. In der Gostinitza des Dorfes setzte uns eine
alte Kosakenfrau eine grofse Schüssel mit Schtschih, die nationale Sauerkrautsuppe
mit Rindfleisch, vor, wir hieben tapfer mit den dazu gelieferten
Holzlöffeln ein, tranken als Magenschlufs einen WTudka und bezahlten
für die allerdings .bescheidene Mahlzeit, an der vier Personen Theil
genommen hatten, die geringe Summe von fünfzig Kopeken. Beim Nachhausegehn,
d. h. nach der Stanzia, tönte aus matt erleuchteten Zimmern
einzelner, Häuser Kosakengesang in die Nacht hinein; wir hörten noch
lange Zeit, als wir bereits in der siedeheifsen Poststube zu Bett, d .h .
auf die Holzpritsche gegangen waren, die Worte des bekannten Puschkin-
schen Liedes nachhallen:
„Schlaf nicht, Kosak! Geh’ deinen Gang:
Der Bergsohn schleicht den Strom entlang.“
Am folgenden Tage, dem ‘20. Mai, erreichten wir nach fünf zurück