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   so  habe  ich  alle  Bekanntschaften  aufgezählt,  durch  deren  Gegenwart  
 wir  während  unseres  Tifliser  Aufenthalts  geehrt  und  erfreut  waren. 
 Bei  der  Unsicherheit  der  regelmäfsigen  Dainpfschiffverbindungen,  zumal  
 bei  der  schlechten  Jahreszeit  auf  dem  schwarzen  Meere,  zog  ich  es  
 vor,  meine  Rückkehr  nach  der  Heimath  nicht  auf  dem  alten  Wege  der  
 Hinreise  anzutreten,  sondern  die  Strafse  zu  Lande  über  Wladikawkas,  
 Charkow,  Moskau  und  St. Petersburg  zu  wählen.  Zugleich  hatte  ich  hierdurch  
 die  erwünschte Gelegenheit,  mich  noch  länger  der  Gesellschaft  meines  
 lieben  Reisegefährten  v.  Gr o Im an  zu  erfreuen,  welcher  sich  nach  
 „der  Linie“  begeben  wollte,  um  als  Militair  thätigen  Antheil  an  den  Kämpfen  
 gegen  die  Tscherkessen  zu  nehmen.  Bei  dem  Ueberschlag  unserer  
 Reisezeit,  den  Aufenthalt  in  Tiflis  mit  eingerechnet,  hatten  wir  aber  die  
 Rechnung  ohne  den Wirth  gemacht.  Unsere  Ungeduld  aufzubrechen  wurde  
 von  Tag  zu  Tag  gröiser,  da  zurückkehrende  Reisende  und  die  Postboten  
 vom  Kaukasus  her  die  schlimme  Nachricht  nach  Tiflis  überbrachten,  dafs  
 die  Bergstrafse  über  den  gewaltigen  Kolofs  von  Lawinen  verschüttet  und  
 rein  unpassirbar  sei.  Nolens  volens  waren  wir  deshalb  in  die  Lage  gesetzt, 
   in  der  unfreiwilligen  Wartezeit  Tiflis  mehr  als  uns  lieb  war  zu  ge-  
 niefsen,  und  vielleicht  war  meine  ungeduldige  Stimmung  daran  Schuld,  
 dafs  mir  die  lebendige  Stadt  viel  weniger  poetisch  als während  der  ersten  
 Zeit  unseres  Aufenthaltes  erschien.  Die  Beobachtungen,  Erfahrungen,  Erlebnisse, 
   so  gering  sie  auch  immerhin  sein  mögen,  während  unseres  Aufenthaltes  
 gebe  ich  so  wieder,  wie  ich  sie  in  meinem  Tagebuche  aufgezeichnet  
 finde:  in  Gestalt  täglich  beschriebener  Tagebuchblätter,  die  gegen  
 Ende  immer  fahler  werden. 
 Sonnabend  den  27.  April.  Gestern  Abend  besuchten  wir  das  Theater,  
 wo  ein  Monsieur  P h i l i p p s   aus  Paris,  ein  dreimal  bankeruttirter  Tausendkünstler, 
   magische Vorstellungen  und  ein Araber  akrobatische Leistungen  
 zum  Besten  gab.  Das  Theater  war  spärlich  besetzt,  die  Zuschauer,  
 d.h.   der  weibliche  Tbeil  derselben,  zogen  mich  mehr  als  die Kunststücke  
 auf  der  Bühne  an,  der  ich  den  Rücken  zukehrte,  um  das  unvergefsliche  
 Bild  der  georgischen  Frauenwelt  in  ihrer  so  kleidsamen  Nationaltracht  in  
 der Erinnerung mit nach  der Heimath  zu nehmen.  Die  schönen  Züge  und  die  
 noch  schöneren Augen  der Tifliser Damen  verloren indefs nicht unerheblich,  
 seitdem  ich  wufste,  dafs  weifse  und  rothe  Schminke  (also  gerade  wie  bei 
 den  Perserinnen  und  sonst)  sehr  beliebte  Toilettengegenstände  in  den  Tiflis 
 georgischen  Boudoirs  sind. 
 Den  28.  April.  Wir  haben  gestern  dem  allgemein  geschätzten  Civil-  
 Gouverneur  v.  Kr u s e n s t e r n ,   dem  vom  Heimweh  nach  Iran  befallenen  
 persischen  General-Consul  und  dem  lebenslustigen  Baron  F i n o t   unseren  
 Besuch  gemacht  und  zum  guten  Schlufs mit unserem  Freunde Duh ou ss e t ,   
 der  für  sein  Malertalent  in  Tiflis  die  reichste  Ausbeute  findet,  die  Stadt  
 besehen.  Gegen Abend  entwickelte  sich  in  den Sälen  des Hötels  eine  sehr  
 animirte  Gesellschaft,  aus  jungen  russischen  Offizieren  der  Kaukasusarmee  
 bestehend,  welche  am  nächsten  Morgen  in  die  Campagne  oder,  wie  man  
 im  Kaukasus  zu  sagen  pflegt,  „nach  der  Linie“  ziehen  sollten.  Die  allgemeine  
 Heiterkeit  erreichte  zuletzt  einen  solchen  Grad,  dafs  kein  Stück  
 Möbel  in  dem  Salon  ganz  blieb.  Der  Abschiedsschmaus  kostete  nur  an  
 zerschlagenen  Gegenständen  die  geringe  Summe  von  dreitausend  Francs. 
 Je  mehr  wir  uns  mit  Tifliser  Verhältnissen  bekannt  machen',  insofern  
 sie  die  lebende  Welt  anbetreffen,  um  so  mehr  verschwindet  der  poetische  
 Reiz  der  Bo d e n s t e d t ’schen  Schilderung.  Das  Perserthum,  uns  natürlich  
 gegenwärtig  bekannter  als  bei  dem  ersten  Aufenthalte  in  Tiflis,  tritt  beinahe  
 ganz  und  gar  im  Dar-il-surub  oder  dem  „Hause  des  Vergnügens“,  
 wie  man  mit  einem  Nebennamen  iranisch  Tiflis  bezeichnet,  in  den Hintergrund, 
   und  hat  trotz  seiner  zehntausend  Köpfe  allen  Grund  sich  in  keiner  
 Weise  sehr  bemerkbar  zu  machen. 
 Den  29. April.  Heute  war  der  Geburtstag  des  Kaisers  (wohl  zu  unterscheiden  
 vom Namenstag),  da  er  aber  in  die  Charwoche  des  russischen  
 Kalenders  fiel,  so  unterblieb  diesmal  jede Art  von  Feierlichkeit.  Die Stille  
 der  heiligen  Woche  wurde  durch  das  schlechte Wetter  nur  vermehrt,  so  
 dafs  wir  nur  den  Anblick  des  fallenden  Regens  von  den  Fenstern  unserer  
 Wohnung  aus  geniefsen  konnten.  Gestern  früh,  am  Palmsonntage,  machte  
 es: ,einen  eigentümlich  erhebenden  Eindruck  auf  uns,  die  Leute  in  den  
 Strafsen  mit  grünen  Zweigen  einherwandeln  zu  sehen. 
 Den  30. April.  Da  sich  das  Wetter  seit  heut  Morgen  plötzlich  aufgeklärt  
 hatte,  so  schoben  wir  einen  längst  beabsichtigten  Besuch  nicht  
 länger  auf,  da  es  galt,  die  persönliche  Bekanntschaft  des  Malers  H ö r schel 
  t,   unseres  im  Kaukasus  allgemein  bekannten  deutschen  Landsmannes  
 aus  München,  zü  machen,  auf  dessen  ausgezeichnetes  Talent  wir  bereits  
 im  ersten Bande  dieses Werkes  hingewiesen  haben.  Hr. Ho r s c h e l t ,