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 Aus  diesem  Körper  zog, 
 Die  trunk'ne  Philomelo  
 Aus  ihrem  Haine  flog! 
 Ihr  Freunde  und  ihr  Brüder, 
 Gedenkt  bisweilen  mein, 
 Denn  niemals  kehr’  ich  wieder  
 Von  dieser  Reise  heim. 
 Die Häuser  in Nedschefabdd sind regelmäfsig und nicht  ohne  Geschmack  
 gebaut;  der  Einflufs  großstädtischer  Gehäbigkeit  zeigt  sich  bereits  sehr  
 deutlich  und  Isfahans  Nähe  ist  an  vielen  Merkmalen  zu  erkennen.  In  den  
 Bazaren  werden  eine  Menge  von  Luxusgegenständen  und  Quincaillerie-  
 Waaren  feilgeboten,  die  sich  sonst  nicht  auf  dem Lande  zu  finden pflegen.  
 In  den  Strafsen,  die  von  einer  erhitzten  Staubatmosphäre  geschwängert  
 sind,  sieht  man  es  den Menschen  auf  dem  ersten  Blick  an,  dafs  sie  einem  
 eigenen  Schlage  angehören,  der  eben  nicht  den  Typus  der  Schönheit  darstellt. 
   Sie  haben  den  häfslichen  Ausdruck  der  isfahaner  Physiognomien. 
 Unser Menzil  in  der Stadt,  in  einer bequemen  und  breiten Seitenstrafse  
 gelegen,  mufs  einst  ein  sehr  schönes  Wohnhaus  gewesen  sein.  Wir  bezogen  
 die  Gemächer  im  ersten  Hofe,  in  welchem  sich  neben  zerfallenen  
 Bassins  ohne  Wasser  ein  schattiger  Platanengarten  befand.  Die  grofsen,  
 mit  Kuppeln  bedeckten Säle  oder Diwan-khaneh  waren  mit  herrlichen  Blumenmalereien  
 bedeckt  und  die  Vergoldungen  daran  meist gut  erhalten.  Die  
 Spiegelfacetten  in  den Stalaktiten-Nischen  waren  freilich  sehr  matt  geworden  
 und  statt  der  bunten  munteren  Glasscheiben  hing  vergilbtes  und  halb  
 zerfetztes  Papier  lose  in  dem  kunstreich  zusammengesetzten  bestäubten  
 Fenstergitterwerk. 
 Bald  nachdem  wir  es  uns  in  dem  einen Saale bequem  gemacht hatten,  
 erschien  der KeäkJwda  oder Bürgermeister  des  Ortes,  um  seiner Höflichkeit  
 in  entsprechender Weise,  durch Ueberreichung  eines Pischkesehs  an Früchten 
 ,  einen  fhätsächliehen  Ausdruck  zu  geben.  Der  Eltschi  nahm  seine  
 Freundlichkeit  mit Dank  entgegen  und  bat  den Würdevollen,  uns  bei  einem  
 Spaziergang  durch  die  Stadt  seine  Gegenwart  zu  schenken.  Ihm  schulden  
 wir  zunächst  folgende  statistische Notiz.  Die Stadt  hat seiner Angabe  nach  
 ungefähr  2,000  Häuser  oder  Khanewdr  mit  einer  Bevölkerung  von  etwa 
 Nedschefabad. 45 
 |lö  000  Seelen.  Der  Kedkhoda  liefs  es  sich  nicht  nehmen,  nns  zunächst 
 Inach  dem  hervorragendsten  Gebäude  des Ortes  zu  führen,  einem  moscheenlluf'tigen  
 Hofe,  dessen Haupteingang,  wie  so häufig in  Persien,  durch  eiserne 
 ■Ketten  abgesperrt  war.  An  der  unteren  einen  Thürseite  des  Einganges 
 ■pachte  er  uns  auf  einen  mächtigen  wohlbehauenen  und  polirten  Granit- 
 Mock  aufmerksam,  an  welchem  a la Egyptienne  eine  Inschrift  in  sehr schö- 
 Ineii  persischen  Schriftzügen  eingemeifselt  war.  Das  Ganze,  wie  uns  der 
 ■Führer  erklärte,  hatte  eine  religiöse  Bedeutung  als  Qädäm-gah  (s.  oben 
 ■S.  16)  des  „Beherrschers  der  Gläubigen“,  der,  Gott  weifs  wann  und  bei 
 ■welcher  Gelegenheit?  auf  diesem  Platze  gerastet  haben  soll.  Dem  Hauptleingang  
 entgegengesetzt  befand  sich  eine  zweite Thür,  die  nach  einer herr- 
 Bichen  Allee  persischer  Platanen  führte,  deren  Länge  (d e r  Angabe  des 
 uKedkhoda  nach  beträgt  dieselbe  eine  Fersach)  wir  von  der  Höhe  des  Geibäudes  
 aus  erst  ganz  übersehen  konnten.  Sie  zog  sich  in  ziemlich  grader  
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 Richtung  hin  und  bot  bei  dem  dichten  Laube  der  Tschindr - Bäume  einen  
 ■schattenreichen  Aufenthalt  dar.  Auch  diese  Allee  sollte  ein  Vorspiel  isfa-  
 ■haner  Baumschönheit  sein,  die  in  der  That,  wie  es  das  folgende  Kapitel  
 ■erzählen  soll,  von  unvergleichlicher  Ueppigkeit  ist.  Die  Aussicht  von  dem  
 ■Dache  desselben  heiligen  Qädäm-gaK's  aus  über  die  Stadt  und  die  Gärten  
 ■in  der  Umgebung  hin  ist  lohnend,  da  sie  den Vorzug  malerischer Abwechse 
 lu n g   in  Kunst  und  Natur  bietet.  Den  spitzen  Berg  in  der  Nähe  von  
 ■Isfaban bezeichnete uns  der Herr Bürgermeister unter  dem Namen Tschakuh.  
 ■Als  wir  den  heiligen  Ort  befriedigt  verliefsen,  gesellte  sich  ein  Derwisch  
 ■zu uns,  um  dessen  eine Hand  sich  eine giftige junge Natter wie  die  Schlange  
 ■um  Aeskulap’s  Stock  wand.  Der  Mann  hat  hier  zu  Lande  einen  beson-  
 ■deren Ruf  als Heiler  von Schlangenbissen  und  soll,  wie  die Leute  erzählen,  
 ■aus  Spielerei  oder Liebhaberei  sich  von  den  giftigsten Thieren  ohne Gefahr  
 ■für  sein  Leben  und  seine  Gesundheit  beifsen  lassen.  Natürlich  werden  
 ■ihm  überirdische Kräfte  beigeschrieben,  die  allein  seine Macht  als Wnnder-  
 ■doctor  begreiflich  machen.  Der  Derwisch-Doctor  war  sonst  ein  sehr  ver-  
 ■ständiger Mann,  mit- dem  man  sich  gut  und  vernünftig  zu  unterhalten  ver-  
 ■mochte,  und  der  auf  seinen  Wanderfahrten  den  specitisch  persischen  Oha-  
 ■rukter  zu  seinen  Gunsten  abgeschliffen  hatte. 
 Nach  einigen  Streif-  und  Querzügen  erreichten  wir  das  Viertel  der  
 Bazare,  wo  die Leute  trotz  des  hohen Nachmittags  noch  vollauf beschäftigt  
 |waren.  Die Baumwollen-Bearbeitung und die  Färberei bilden hier die  haupt