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 des  Königsreiches“  ist  ein  vornehmer  Ehrentitel,  den  schon  in  den  altpersischen  
 Zeiten  die  ersten  und  ansehnlichsten  Hofbedienten  der  Könige  
 führten,  und  dessen  die  griechischen  Klassiker  in  ihren  Schriften  über  
 Persien  nicht  selten  gedenken.  Besagter  Kurde  hatte  sich  im  Bazar  herumgetrieben, 
   eine  Beschäftigung,  welcher  die  persische  Dienerwelt  mit  
 besonderer  Liebhaberei  ergeben  is t,  als  der  persische  Diener  des  Dra-  
 goman  unserer  Gesandtschaft  mit  einer  offen  getragenen  Flasche  Rhum  
 für  seinen  Herrn  an  ihm  vorüber  ging.  Aus  Abscheu  vor  dem  so  unmo-  
 hamedanisclien  Getränke,  wahrscheinlicher  aber  noch  aus  stiller  Sehnsucht  
 nach  seinem  Besitze,  griff  der  Kurde  nach  der  gefüllten  Flasche,  der  Diener  
 wehrte  sich  vergebens,  rief.seine  Kameraden  und  die  Soldaten  unserer  
 Gesandtschaft  als  Hülfscorps  herbei,  und  es  entspann  sich  mitten  im  
 Bazar  ein  blutiger  Streit,  der  immer  gröfsere  Dimensionen  anzunehmen  
 drohte.  Zur  rechten Zeit  benachrichtigt,  liefs  ich  sofort Diener  und  Soldaten  
 nach Hause  beordern,  konnte  aber  nicht  verhindern,  dafs  sie  den Kurden  
 gefangen  mit  sich  schleppten.  Der  letztere  steifte  sich  auf seine Würde  
 als  Diener  eines  „Auges  des  Königsreiches“ ,  das  die  Schwester  des  Schah  
 zur Frau  habe,  und  liefs  sich  erst  nach  ernstlichen Vorstellungen  zu einem  
 ruhigen Verhöre  bewegen,  bei  dem  ich  sehr  bald  merken  konnte,  dafs  die  
 Hauptkämpfer  durch  Opium  berauscht  waren.  Zuguterletzt  schlug  ich  den  
 Weg  eines  Schiedsmannes  ein,  liefs  die  feindlichen  Mohamedaner  nach  
 Landessitte  Frieden  schliefsen,'worauf  sie,  wie  es  schien  als  Belohnung,  
 von  mir,  dem  Friedensrichter,  eine  Entschädigung  an  Gelde  verlangten.  
 Der  Kurde  behauptete,  es  sei  ihm  im  Streit  seine  Pelzmütze  und  sein  
 Dolch  gestohlen  worden,  der  Diener  des  Dragomans  seinerseits  beklagte  
 sich  über  den  Verlust  seiner  neuen  Dschubeh  (Mantel),  in  dem  sich  sechs  
 Gran  befunden  hätten.  Ich  wies  beiden  die Thür,  da  ich  wufste,  dafs  nach  
 persischer Weise  derartige Behauptungen  immer  aufgestellt  werden,  um  von  
 irgend  einer  Seite  her  Geld  zu  erpressen.  So  sehr  ähnliche  Streitigkeiten  
 anfangs  rein  persönlicher  Natur  sind,  so  sehr  mischt  sich  schliefslich  die  
 Ehre  des  beleidigten  Herrn  hierein,  so  dafs  der  gewöhnliche  Entschuldigungsgrund  
 beider  Parteien  die  vertheidigte  Würde  der  betreffenden  Gebieter  
 ist.  Persische  Diener  einer  europäischen  Gesandtschaft  haben  dazu  
 noch  die  alberne Vorstellung,  als  seien  sie  sacrosancte  Personen,  die  man  
 beileibe  nicht  einmal  schief  ansehen  darf. 
 H in r ic h tu n g e n 
 Am  10.  Januar  fielen  die  ersten  feinen  Schneeflocken.  Der  Himmel  
 war  bewölkt,  die  Luft  rauh  und  kalt,  und  der  Wind  so  stark,  dais  er  
 durch  alle  Fenster-  und  Scheibenritzen  unserer Treibhauszimmer  eindrang. 
 Bei  einem  Ritt  durch  die  Strafsen,  den  ich  an  diesem  Tage  unternahm,  
 begegnete  ich  in  einer  engen  Gasse  einem  Haufen  von  Leuten,  die  rechts  
 und  links  die  Häuserwände  entlang  standen  oder  safsen,  und  so  erbarmig-  
 üch  schluchzten  und  weinten,  dafs  ihnen  das  Wasser  aus  Nase  und Augen  
 flofs,  und  ich  selber  das  tiefste  Mitleid  mit  ihrem  Zustand  zu  fühlen  anfing. 
  5  Die  Sache  war  indefs  nicht  sö  schlimm  als  ich  zuerst  geglaubt hatte.  
 Sehr  bald  nämlich  sah  ich,  mitten  durch  ihren Haufen  reitend,  einen hok-  
 kenden Derwisch  mit  lang  herabhängenden  Haaren,  der  in Versen  die  Leiden  
 AWs  in  so  erbaulicher, Weise  schilderte,  dafs  die  vorübergehende  
 bärtige  Männerwelt  stehen  blieb  und  in  der  beschriebenen  Weise  ihren 
 Jammer  äufserte.  v 
 An  demselben  Tage  fand,  eine  jener  schauerlichen  Scenen  statt,  von 
 denen  sich  das  menschliche  Gefühl  mit Entsetzen  abwendet,  die  in  Persien  
 jedoch  beinahe  zu  d e n   täglichen  Schauspielen  gehören:  die  Hinrichtung  
 zweier  Menschen.  Bei  der  herrschenden  Theuerung  hatten  die  L u ti-Banden  
 sich  äufserst  hervorgethan,  und  nicht  nur  in  Teheran,  sondern  auch-  
 in  der  Umgegend  die  Karawanenstrafsen  unsicher  gemacht.  Eine  Bande  
 von  eilf Personen,  aus  n e u n   Mohamedanern  und  zwei  armenischen Christen  
 bestehend,  hatten  ihre  Raubanfälle  auf  die  Strafse  zwischen  Teheran  und  
 Qazwin  ausgedehnt,  man  hatte  .sie  verfolgt,  .bei  dieser Gelegenheit  die beiden  
 Christen  gefafst,  während  die  übrigen  Räuber  den  Händen  der  Gerechtigkeit  
 entwischt  waren.  Die  beiden  Uebelthäter  wurden  auf  dem  öffentlichen  
 Ilinrichteplatz  nach  persischer  Sitte  auf  eigene Kosten  erdrosselt,  
 ihre Leichname  an  die Schweife  zweier  Pferde  gebunden  und  so  durch  die  
 Strafsen  von  Teherán  geschleift.  Der  erwähnte Platz  für  die Hinrichtungen  
 befindet  sich  gegenwärtig  vor  dem  „Neuen  Thore“,  während  früher  die  
 Verbrecher  auf  dem  „grünen Meidan“  vor  dem  mehrfach  erwähnten  Burg-  
 thore  in  der  innern  Stadt  hingerichtet  wurden,  dessen Abbildung  hier  beigefügt  
 ist.  ,  ;  . 
 In  P e r s i e n   herrscht  noch  in  der  Justiz  das  uralte  Jus  talionis.  Auge 
 um  Auge,  Zahn  um  Zahn,  Leben  um  Leben  ist  hier  das  Gesetz.  Der  
 Uebelthäter  oder  Mörder  .wird  dem  Beschädigten,  oder  im Fall  eines Todt-  
 schlags  dem Rechtsnachfolger  desselben  übergeben,  der  mit  ihm  nach  dem