zulegen. Drei mit gewaltigen Keulen bewaffnete Derwische, darunter ein
schmutziger Neger, hatten sehr glücklich den Moment unserer Abreise ab-
gepafst und versperrten uns mit lautem Zurufen: Ja hu! und ja haq! vor
der Thüre des von den Schweizern bewohnten Hauses den Weg. Ein Paar
zugeworfene Schahi rafften sie mit lautem Lachen und lustigen Sprüngen
von der Erde auf, schwangen ihre Keulen und wendeten sich nach der
Stadt, während wir anderen im schnellen Galopp der nächsten Station zueilten.
Der Himmel sah Anfangs regnigt aus, einige schwere Tropfen
fingen an zu fallen, allein das Wetter klärte sich bald auf, so dafs wir
die herrlichste Aussicht nach dem bergigen Horizont bei vollständig durchsichtiger
Luft geniefsen konnten. Nach Osten hin starrte der schneebedeckte
Sehänd mit seinen zahlreichen Köpfen in den blauen Aether hinein;
nach Westen hin unterhielt uns der seltsame Anblick dunkler blasenförmig
gestalteter Bergkegel auf der Uru.mieh- Halbinsel. An dem kleinen
Bache, über welchen, eine kleine Fersach von Täbriz entfernt, eine invalide
Steinbrücke führt, nahmen wir Abschied von unseren Schweizer
Freunden, zerschellten mit lautem Knall eine ausgeleerte Flasche französischen
Rothweines und galoppirten seelensvergnügt der nächsten Poststation
Safian entgegen. Nach zwei Stunden Rittes trafen wir hier ein und
befanden, uns sechs Fersach in nördlicher Richtung von Täbriz. Das Dorf,
ziemlich- grofs, bot uns in einer bescheidenen Hütte ein Menzil dar, dessen
offene' Fenster und Thüröffnungen uns mehr als uns lieb war kalten Wind
zu Theil werden liefs. Wir waren jedoch so sehr mit Heimathsgedanken
beschäftigt und sehnten uns zunächst so begierig nach dem ersten Anblick
der russischen E rd e , dafs wir alles Perserthum übersahen und das
Elend und den Schmutz in unserer Umgebung äufserst gering achteten.
Am 17. April verliel'sen wir in aller Frühe das Dorf, um, vier Fersach
weiter, noch bei Zeiten zur nächsten Hauptstation zu gelangen. Während
wir am gestrigen Tage auf glatter und guter Strafse eine weite ebene
Hochfläche durchwandert hatten, führte die Reise an dem genannten Datum
durch eine prachtvolle Berglandschaft. Zunächst erreichten wir ein
ziemlich elendes Dorf mit grofser Wasserfülle, in welchem die Bäume
bereits mit einem Ansatz von Frühlingsgrün geschmückt waren. In der
Umgebung beschäftigten sich die Bewohner mit Pflügen. Gewöhnlich waren
vor die einfache persische Pflugschar vier Ochsen gespannt. Gleich
hinter dem Dorfe erhebt sich ein steiler Berg, auf dessen Kamm ein so
abscheulich unbequemer und abschüssiger Pfad hinaufführte, dafs wir ge-
nöthigt waren, von unseren Pferden zu steigen, um langsamen Schrittes,
keuchend und ächzend, zu Fufsc hinaufzuklimmen. Die Aussicht vom Gipfel
aus, der-sich etwa tausend Fufs über dem Boden erhebt, belohnte
aber in reichstem Maafse den beschwerlichen Aufgang. Wenige Punkte
der Welt mögen ein so prachtvolles Panorama gewähren, als wir es in
gewaltiger Ausdehnung und in den riesigsten Dimensionen in Gestalt hinter
einander aufsteigender Gebirgsketten bei der eigenthümlichsten Beleuchtung
des Himmels vor uns liegen sahen. Während die gezähnten
Kämme und Spitzen der Berge im Hintergründe im hellsten Schneeglanz
blitzten, hier und da von bläulichen Schatten übergossen, nahmen die davor
liegenden Ketten mit ihren zackig zerrissenen Gipfeln eine durchsichtige
Färbung an, die vom hellsten Braun zum dunkelsten Schwarz überging.
In scharfer Linie schienen die vordersten Bergkegel zu unseren
Füfsen aus der Ebene emporzuwachsen, die sich als breite, glatte und
theilweise bebaute Hochfläche bis zum Horizont erstreckte. In sanfter
Neigung führte der Weg in Gestalt eines schmalen Felsenpfades linker
Hand eine Bergkette entlang, an deren Fufs wir lange vor unserer Ankunft
die Station Marand mit ihren kastenförmigen Häusern, umgeben von
einer durchsichtigen Pappelwaldung im zartesten Smaragdgrün, deutlich
erblickten. Der Weg, wie die ganze folgende Strecke von Marand bis
jenseits des Aras (Araxes) gehört zu den zahlreichen Gebieten Persiens,
welche durch die Anwesenheit von Räubern jeweilig ziemlich gefährlich
werden. Hier sind es die Kurden, welche in der Nähe des geographisch
so interessanten Grenzknotens des persischen, türkischen und
russischen Reiches die Reisenden durch plötzliche Ueberfälle belästigen
und, was das Schlimmste ist, bei Verfolgungen durch ihren Uebergang
auf die fremden Grenzgebiete für die Hand der Gerechtigkeit unerreichbar
sind. Wie wenig übrigens diese sauberen Bursche das Ansehn
der Person zu schätzen wissen, beweist der fatale Umstand, dafs sie die
Karawanen der Eingeborenen ebensowohl als europäische Couriere und
Reisende rein ausgeplündert haben. Das letzte mir bekannt gewordene
Beispiel ist der Ueberfall, welchen der als. Gesandtschaftscourier von Teherán,
nach Paris reisende Sohn des französischen Gesandten Baron v. P ichón
von den Kurden in der Nähe von Täbriz auszuhalten hatte. Uebrir
gens mufs man es diesen Raubgesellen nachsagen, dafs sie wenigstens höf