Holz- und Dammwerk aufgebaut und mifst in gerader Linie acht Werst.
Von dem wiesigen linken Ufer des Don, wo das Posthaus und ein elendes
Dorf steht mit vielen und grofsen zum Trocknen aufgehängten Weifsfischen,
führte der endlose Holzbau nach der eigentlichen recht gut gepflasterten
Stadt auf dem entgegengesetzten Ufer. Auf dem Don war reger Verkehr;
ich bemerkte eine Menge gröfserer und kleinerer Segelschiffe, zwei Dreimaster
und ein Dampfschiff, auf welchem sich eine Menge von Passagieren
befanden. Eine Art von Drehbrücke / ganz in der Nähe der steil ansteigenden
Stadt A k sä, gestattet selbst den aus dem Asow’schen Meere
flufsaufwäits fahrenden Dampfern und Segelschiffen einen bequemen Durchgang.
Die Regierungshäuser der Stadt zeichnen sich durch ihren soliden
Steinbau aus, der übrige Theil des Ortes besteht aus Holzhäusern Dafs
man in Akseï zu leben versteht, schien wenigstens ein französisches Schild
in der Hauptstrafse anzudeuten, auf welchem in grofsen Buchstaben geschrieben
stand: „Commerce de vin étranger“. Von einer Höhe im Innern
der Stadt konnte ich die im Don-Delta gelegene Stadt Nowo- Tscher-
kask ganz deutlich sehen. Die Nächte zum 22. und 23. Mai fuhr ich durch,
da die Gegend hier vollständig sicher ist und kein Bergbewohner im Hinterhalt
droht. Eine unangenehme Erscheinung, besonders für Reisende, ist der
Umstand, dafs die Posthäuser am äufsersten Ende und wo möglich auiser-
halb der Dörfer und Städte gelegen sind, so dafs man gar keine Gelegenheit
hat, sich zu restauriren. Der einzige und letzte Trost bleibt immer
der Samowar, welcher gegen zwanzig Kopeken Entschädigung den Reisenden
in den Posthäusern gespendet wird.
Das Rad war endlich fertig geworden, und im Begriff von Isawnofka
aufzubrechen, fing ein so gewaltiger Regen an zu giefsen, dafs ich die ganze
Reise zum Kuckuk wünschte. Ich fuhr dennoch die ganze Nacht hindurch
und kann vei sichern, dafs ich mich über Maihitze nicht zu beklagen gehabt
habe. Dazu kam das Unglück, dafs jetzt nicht mehr ein Rad, sondern alle
vier Räder anfingen so wankelmüthig zu werden, dafs bald die eisernen Rei-
len, bald die Speichen, bald die Nägel ihren Dienst versagten und nicht mehr
mit dem Wagen, sondern ihren besondern Weg für sich gingen. Dafs ich
dadurch mit meinen Begleitern nicht immer in der vorgeschriebenen horizontalen
Lage schwebte, sondern je nach dem ablaufenden Rade bald
rechts, bald links zum Wagen hinausgeschleudert wurde, war nothwendige
Folge der Kaukasusfahrt, seit welcher der Tarantos von Tag zu Tag
zunehmend kränker wurde.
Die ein und fünfzigste Station ist ein trauriges D o rf, dafs der anhaltende
Regen in eine wahre Mistpfütze verwandelt hatte. Während die
Pferde gewechselt wurden, besuchte ich die zufällig nahe gelegene Gosti-
nitza des Ortes, wo ich bei einer Jüdin recht gute Suppe und Rindfleisch
erhielt, während ihr betrunkener, auf dem Sopha liegender Mann ein
Schnarchconcert zum Besten gab. Beim Heraustreten aus der Thür ca-
rambolirte ich, mehr vor Erstaunen als aus Ungeschicklichkeit, mit etlichen
Damen, deren Anblick nicht nach einem südrussischen Dorfe, sondern
nach den Boulevards von Paris gehörte. Es waren dies die stolzen
Töchter des Hauses, welche -sich mit Federhüten, seidenen Kleidern, grofs-
mächtigen Crinolinen und buntfarbigen Longchäles so aufgeputzt hatten,
dafs ich meinen Augen kaum traute. Nur ihre Sprache wollte nicht recht
zu dem Staat passen, da sie dasselbe Judendeutsch redeten, in welchem
sich mein mitreißender russischer Beamte förmlich virtuosenhaft auszeichnete.
In allen Dörfern, durch welche Unsere Strafse führte, fand ich
deutsch sprechende Juden, welche den Ton angebenden Theil der Bevölkerung
bildeten und bereits seit mehreren Generationen ansässig waren.
Fragte ich, von woher sie eingewandert wären, so antworteten sie: von
Poilen, d. h. „Polen“, und fragte ich weiter, woher sie die deutsche Sprache
wüfsten, so antwortete Alles wie mit Einem Munde: „Weil mer Jü-
den seind“, und in diesem Styl alles Andere. Zwei Stationen später, in dem
Dorfe Tschernukea (?), hatte ich ein glänzendes Boispiel jüdischer Schlauheit
und Geriebenheit, welche es, freilich erfolglos, auf meine eigene Wenigkeit
gemünzt hatte, zu erfahren. Kaum nämlich war ich in die Post-
stubo getreten, um dem Postmeister meinen Reisepafs vorzulegen und
neue Pferde zu erhalten, als zwei anständig aussehende, nach europäischer
Mode gekleidete Männer in das Zimmer traten und zu meinem Erstaunen
in gutem Deutsch sich zu unterhalten anfingen. Da sie mich anredeten,
so liefs ich mich in ein Gespräch mit ihnen ein, aus welchem hervorging,
dafs sie aus Warschau gekommen waren, um angeblich für Rechnung der
preufsischen Regierung Pferde in Rostow zu kaufen. Sie setzten sich an
meinen Tisch, theilten mit guten Manieren meinen Samowar und baten
mich, da sie Mangel an kleinem Gelde hätten, und ich ja sehr bald in