mir lächelnd, erfafste meine Hand und führte mich an den Tisch. Aller
Zauber war gelöst, jene Erscheinung hatte seine Kraft gebrochen. Ich
sprach kein Wort mit ihr, ebenso wenig öffneten sich ihre Lippen zum
Reden, ich hatte nur die Speisen im Sinn und wollte eben meine Hand
danach ausstrecken, als plötzlich eine Stimme mir auf Azerbeidschanisch-
Türkisch die Worte zurief: „Sahab, Eure Pferde sind gesattelt, der Morgen
bricht an!“ Ich erwachte aus dumpfer Betäubung und sah durch das
Loch unseres Quartiers den ausdruckslosen Kopf des gähnenden Kastellans,
welcher grinsend-freundlich zum Aufbruch mahnte.
Bald safsen wir wieder auf unseren Pferden und befanden uns von
neuem inmitten des unergründlichen Kotlies auf der persischen Landstrafse,
welche zwei und eine halbe Fersach weiter westlich nach der sahnenreichen
Station Sejid-abäd führt. Bald nach unserem Ausritt spendete der Himmel
einen überreichen wässerigen Schneefall, der uns bis auf die Haut durch-
nälste und das unglaubliche Kunststück vollbrachte, meinen dicken kurdischen
Pelz vollständig zu durchdringen. In Hadschi-Aga begegnetön wir
dem persischen General Dawud Khan wiederum, wechselten schnell die
Pferde in dem Posthause und schlossen uns ihm auf der Weiterreise bis
Täbriz an. Wir überstiegen bei stechender Sonne einen malerischen mit
hellblitzender Schneekappe bedeckten hohen Bergpafs, langten glücklich in
Sejid-abad an nnd legten von hier aus den leidlichen Weg bis Täbriz (volle
vier Fersach) in zwei Stunden über Basmisch zurück. Der türkische Gesandte
Heidar-Ejfendi hatte sich von Erzerum bis zu diesem Menzile durch
den Schnee glücklich durchgearbeitet und stand im Begriff, am folgenden
Tage seine Weiterreise von dem grofsen schönen Dorfe aus nach Teheran
angetreten. In Anbetracht unseres dermäligen zur ceremoniellen Visite nicht
sehr geeigneten Exterieur’s zogen wir es vor, seine Anwesenheit zu igno-
riren und jagten lustig die Bergstrafse bis gen Täbriz weiter, in das wir
einzogen, als die Sonne eben zu Rüste ging.
So entsetzlich auch der letzte Theil unserer Reise von Mianhh aus gewesen
war, da die Natur alles Mögliche gethan hatte, um jede Lust an
der WTanderung zu vergällen, so entging uns dennoch nicht die charakteristische
Eigentümlichkeit, welche die Landschaft von Azerbeidschdn wesentlich
auszeichnet. Die Berge und die Hochfläche hatten eine andere
Physiognomie als die landschaftlichen Bilder vor Mianbh. Die Bäume standen
dichter und waren stärker, und selbst der Menschenschlag trug dazu
bei, der angedeuteten Verschiedenheit in den Naturerscheinungen einen
lebendigen energischen Ausdruck zu gewähren.
In Täbriz hatten wir das beneidenswerte Glück Gastfreunde zu besitzen.
Da bekanntlich durch ganz Persien kein einziges nach europäischer
Weise eingerichtetes Gasthaus existirt, woselbst man gegen Geld und gute
Worte Wohnung und Beköstigung erhalten könnte, so sind reisende Europäer
g e n ö tig t, in den Hauptstädten bei Bekannten oder empfohlenen ansässigen
Europäern ein Unterkommen zu suchen, wenn sie es nicht vorziehen
sollten, in Karawanseraien und Tschaparkhanehen ihr halb nomadisches
Quartier aufzuschlagen. Unsere Konak, wie man im Kaukasus den
Gastfreund und Beschützer nennt, war das brave Schweizer Haus Di n ner
, Ha n h a r t und Comp., uud wir richteten deshalb unsern Weg nach
dem aufserhalb der Stadt gelegenen Hause der lieben Schweizer, die ebenso
grofse Augen machten, als sie herzlich erfreut waren, uns noch in Teheran
Geglaubte in leibhaftiger Person und in einem unbeschreiblichen Cou-
riercbstüme so plötzlich vor sich zu sehen. Wir fanden den Compagnon
des Hauses Hrn. Würth nebst Gemahlin, sowie Hrn. Di n n e r anwesend,
und erfreuten uns in dem lieben Familienkreise einer Aufnahme, die uns
alle vergangenen Leiden vergessen, ja nur wie einen recht häfslichen Traum
erscheinen liefs. |
Am 11. April waren wir m Täbriz eingerückt mit dem stillen Wunsche,
der Ruhe und des mangelnden Costümes wegen so lange wie möglich
incognito zu bleiben; als unversehends am 13. April in der Frühe ein
persischer Oberst, der lustige Kuli Khan, seine Anwesenheit melden liefs,
um die preufsische Mission im Namen des Prinzen - Gouverneurs von Täbriz
bei ihrer Ankunft feierlichst zu begrüfsen. Er fand es unbegreiflich
und unverantwortlich, wie wir in Täbriz hätten einrücken können, ohne
bemerkt und von einer solennen Istakbdl begrüfst worden zu sein und
machte ganz ernstlich den Vorschlag, ob sich dies nicht in irgend einer
Weise nachholen liefse. Kuli Khan, der vier Monate lang in Tiflis gewesen
ist und auf den russischen Bällen sogar Mazurka getanzt h at, ist von
gewisser Bedeutung für die Stadt Täbriz, da er sich als den verantwortlichen
Rédacteur der Täbrizer Zeitung bekennt. Für uns Preufsen hatte
er neben seinem heitern Wesen eine besondere Anziehung durch die Bekanntschaft
mit einem Landsmann, Herrn Baron S e n f f t v. P i l s a c h , der
sich in Persien eines Rufes erfreut, wie ihn sich dessen wenige Europäer