
das große Seeneunauge (Petromyzon marinus,
Fig. 301). Auch die Lampreten besitzen, wie
die Inger, ein rundes, zum Saugen taugliches
Maul, das innen Hornzähne trägt; sie saugen
sich damit an Fische, Steine und andere Gegenstände
an (daher der Name Petromyzon — Steinsauger),
Es scheint, daß diese Gewohnheit des
Ansaugens bei älteren Wirbeltieren sehr verbreitet
war; auch die Larven mancher Ganoiden
und der Frösche besitzen Saugscheiben in der
Nähe des Mundes.
Man bezeichnet die Tierklasse, welche durch
die beiden Gruppen der Myxinoiden und Petro-
myzonten gebildet wird, mit dem Namen Ru n d mäule
r oder Kreismündige (Cyclostoma), weil
ihr Mund eine kreisrunde oder halbkreisrunde
Oeffnung bildet ' Die Kiefer (Oberkiefer und
Unterkiefer), welche allen höheren Wirbeltieren
zukommen, fehlen den Cyclostomen vollständig,
ebenso wie dem Amphioxus. Alle übrigen
Wirbeltiere stehen ihnen daher als K i e f e r mäule
r (Gnathostoma) gegenüber. Man kann
die Cyclostomen auch als Unpaarnasen (Mono-
rhina) bezeichnen, weil sie nur ein einziges, un-
paares Nasenrohr besitzen, während die Kiefermündigen
sämtlich mit einem Paar Nasenhöhlen
versehen sind, einer rechten und einer linken
Nasenhöhle (Paarnas ige, Amphirhina). Aber
auch abgesehen von diesen Eigentümlichkeiten
zeichnen sich die Cyclostomen durch andere
sonderbare Einrichtungen ihres Körperbaues aus
und sind von den Fischen weiter entfernt, als
die Fische vom Menschen. Wir müssen sie daher
offenbar als die letzten Ueberbleibsel einer
sehr alten und sehr tief stehenden Wirbeltierklasse
betrachten, welche noch lange nicht
die Organisationshöhe eines wirklichen echten
Fig. 301. Das grosse Neunauge oder die See-
Lamprete {Petromyzon marinus), stark verkleinert. Hinter
dem Auge ist die Reihe von sieben Kiemenspalten linkerseits
sichtbar, vom das runde Saugmaul.
Fisches erreicht , hatte. Um nur das Wichtigste hier kurz anzuführen,
so fehlt den Cyclostomen noch jede Spur von paarigen
Gliedmaßen. Ihre schleimige Haut ist ganz nackt und glatt, ohne
Schuppen. Ein Knochengerüst fehlt ganz. Das innere Achsenskelett
ist noch eine ganz einfache Chorda ohne Gliederung, wie
beim Amphioxus. Nur bei den Petromyzonten zeigt sich insofern
ein erster Anfang der Gliederung, als in der von der Chordascheide
ausgehenden Markrohrhülle obere Bogen Auftreten. Am vordersten
Ende der Chorda entwickelt sich ein Schädel von einfachster Gestalt.
Aus der Chordascheide entsteht hier eine weichhäutige,
teilweise in Knorpel sich verwandelnde, kleine Schädelkapsel,
welche das Gehirn einschließt. Der wichtige Apparat der Kiemenbogen,
des Zungenbeines etc., der sich von den Fischen bis zum
Menschen vererbt; fehlt den Rundmäulern noch ganz. Sie haben
allerdings ein knorpeliges, oberflächlich gelegenes Kiemengerüst,
aber von ganz anderer morphologischer Bedeutung,
Das Gehirn erscheint bei den Cyclostomen nur als eine sehr
kleine und verhältnismäßig unbedeutende Anschwellung des
Rückenmarks, anfangs als einfache Blase (Taf. XIX, Fig. 16 7%).
Später zerfällt dieselbe in fünf hintereinander liegende Hirnblasen,
gleich dem Gehirn aller Gnathostomen. Diese fünf einfachen
primitiven Hirnblasen, welche bei den Embryonen aller höheren
Wirbeltiere ganz gleichmäßig, von den Fischen bis zum Menschen
hinauf, wiederkehren und sich in sehr komplizierte Gebilde verwandeln,
bleiben bei den Cyclostomen auf einer sehr indifferenten
und niederen Bildungsstufe stehen. Auch die histologische Elementarstruktur
des Nervensystems ist unvollkommener als bei den
übrigen Wirbeltieren. Während bei diesen das Gehörorgan immer
drei Ringkanäle enthält, besitzen die Petromyzonten deren nur
zwei und die Myxinoiden gar nur einen. Auch in den meisten
übrigen Punkten ist die Organisation der Cyclostomen noch einfacher
und unvollkommener, so z. B. in der Bildung des Herzens,
des Kreislaufes, der Nieren. Der vordere Abschnitt des Darmkanals
bildet allerdings auch hier, wie beim Amphioxus, die respiratorischen
Kiemen. Allein diese Atmungsorgane entwickeln
sich hier in ganz eigentümlicher Weise: nämlich in Form von
g— 8 paar Beuteln oder Säckchen, welche zu beiden Seiten des
Vorderdarmes liegen und durch innere Öeffnungen in den Schlund,
durch äußere Öeffnungen auf der äußeren Haut münden. Das ist
eine sehr eigentümliche Ausbildung der Atmungsorgane, welche
für diese Tierklasse ganz bezeichnend ist. Man hat sie daher
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