
und Hagel, Schnee und Eis, als reißender Strom und als brandende
Meereswelle die Gesteine zertrümmert und auflöst, ist schließlich
die Bildung von Schlamm. Wie Huxley in seinen vortrefflichen
Vorlesungen über „die Ursachen der Erscheinungen in der organischen
Natur“ 82) sagt, ist die wichtigste Urkunde über die Geschichte'der
Vergangenheit unseres Erdballs der Schlamm; und
die Frage von der Geschichte der vergangenen Weltalter löst sich
auf in die Frage von der Bildung des Schlammes. Fast alle die
geschichteten Gesteine, welche unsere Gebirgsmassen zusammensetzen,
sind ursprünglich als Schlamm auf dem Boden der Gewässer,
abgelagert und erst später zu festem Gestein verdichtet worden.
Wie schon bemerkt wurde, kann man sich durch Zusammenstellung
und Vergleichung der verschiedenen Gesteinsschichten von
zahlreichen Stellen der Erdoberfläche eine annähernde Vorstellung
von dem relativen Alter dieser verschiedenen Schichten machen.
Schon seit längerer Zeit sind die Geologen demgemäß übereinstimmend
zu der Annahme gelangt, daß eine ganz bestimmte
historische Aufeinanderfolge der verschiedenen Formationen existiert.
Die einzelnen übereinander hegenden Schichtengruppen entsprechen
verschiedenen aufeinander folgenden Per ioden der o r g a n i schen
Erd g e s ch i ch t e , innerhalb welcher sie auf dem Meeresboden
als Schlamm abgelagert wurden. Allmählich wurde dieser'
Schlamm zu festem Gestein verdichtet. Dieses wurde durch wechselnde
Hebung und Senkung der Erdoberfläche über das Wasser
erhoben und trat als Gebirge empor. Man unterscheidet in der
Regel, entsprechend den größeren und kleineren Gruppen dieser
sedimentären Gebirgsschichten, vier oder fünf größere Zeitabschnitte
in der organischen Erdgeschichte. Diese Hauptperioden zerfallen
dann wieder in zahlreiche untergeordnete Abschnitte oder kleinere
Perioden. Gewöhnlich werden deren zwölf bis fünfzehn angenommen.
Die relative Dicke der verschiedenen Schichtengruppen
gestattet nun eine ungefähre Abschätzung der relativen Länge
dieser verschiedenen Zeitabschnitte. Allerdings dürfen wir nicht
etwa sagen: „Innerhalb eines Jahrhunderts wird durchschnittlich
eine Schicht von bestimmter Dicke (etwa zwei Zoll)'1 abgelagert,
und deshalb ist eine Gebirgsschicht von tausend Fuß Dicke sechshundert
Jahrtausende alt.“ Denn verschiedene Gebirgsformationen
von gleicher Dicke können sehr verschiedene Zeiträume zu ihrer
Ablagerung und Verdichtung gebraucht haben. Wohl aber können
wir aus der Dicke oder „Mächtigkeit“ der Formation einen ungefähren
Schluß auf die r e la t iv e Länge jeder Periode ziehen.
Von den vier oder fünf Hauptabschnitten der organischen Erdgeschichte,
deren Kenntnis für unsere Phylogenie des Menschengeschlechts
unerläßlich ist, wird der erste und älteste als pr imordiales
, a r chä is che s oder a r chozoi s che s Ze i tal te r
bezeichnet. Wenn man die gesamte Dicke oder Mächtigkeit aller
aus dem Wasser abgelagerten Erdschichten zusammen im Durchschnitt
jetzt auf ungefähr 130000 Fuß schätzt, so kommen allein
auf diesen ersten Hauptabschnitt 70000 Fuß, mithin die größere
Hälfte der Dicke. Wir können daraus und aus anderen Gründen
unmittelbar schließen, daß der entsprechende primordiale oder
archolithische Zeitraum, für sich allein genommen, bedeutend länger
sein mußte als der ganze übrige lange Zeitraum vom Ende desselben
an bis zur Gegenwart. Wahrscheinlich war das primordiale
Zeitalter sogar noch bedeutend länger, als es nach dem angeführten
Verhältnis von 7:6 scheinen könnte, vielleicht 9 : 6. In neuester
Zeit wird die ungeheure Mächtigkeit der archäischen Gebirgsmassen
sogar auf 30 Kilometer, also mehr als 90900 Fuß geschätzt.
Das primordiale Zeitalter zerfällt in drei untergeordnete Zeit-
■ perioden, welche als laur ent i s che, a lg on k i s ch e und cam-
br i s che Periode bezeichnet werden; entsprechend den drei
Hauptgruppen von sedimentären Gesteinsschichten, welche das
gesamte archolithische Gebirge oder das sogenannte „Urgebirge
aufbauen. Der ungeheure Zeitraum, während dessen diese kolossalen
Urgebirgsschichten aus dem Urmeer abgelagert wurden, umfaßt
wahrscheinlich mehr als fünfzig Millionen Jahre. Im Beginn desselben
entstanden durch Urzeugung die ältesten und einfachsten
Organismen, mit denen überhaupt das Leben auf unserem Planeten
begann: die Moneren. Aus- ihnen entwickelten sich zunächst
e inz e l l ig e Organi smen einfachster Art, Urpflanzen und Urtiere:
Paulotomeen, Amoeben, Rhizopoden, Infusorien und andere
Protisten. VIährend dieses a r chol i thi s chen Zei t raumes
entwi cke l t en sich aber aus jenen auch die sämt l ichen
wi rbe l los en Vo r fahr en des Mens cheng es chlechtes .
Dieses letztere können wir aus der Tatsache schließen, daß bereits
gegen Ende der folgenden silurischen Periode sich einzelne Reste
von versteinerten Fischen vorfinden: Selachier und Ganoiden. Diese
sind aber viel höher organisiert und viel jünger als das niederste
Wirbeltier, der Amphioxus, und als die zahlreichen, dem Amphioxus
verwandten schädellosen Wirbeltiere, welche während jener Zeit gelebt
haben müssen. Den letzteren selbst müssen notwendig sämtliche
wirbellose Vorfahren des Menschengeschlechts vorausgegangen sein.