
anderen urteilsfähigen Zoologen, die überhaupt von der Wahrheit
der Descendenztheorie überzeugt sind. Derselbe Anatom sagt
ausdrücklich (a. a. O. S. 172): Dil drei Menschenaffen: Gorilla,
Schimpanse und Orang erscheinen als Abzweigung aus einer gemeinsamen
Wurzel, die derjenigen sowohl des Gibbon als des
Menschen nahestand.“ Das ist im wesentlichen dieselbe Ansicht,
die ich seit 1866 in zahlreichen Schriften (namentlich Virchow
gegenüber) vertreten habe. Die gemeinsame hypothetische Stammform
aller Primaten, die -schon in der ältesten Tertiärzeit (oder
wahrscheinlicher in der Kreidezeit !). gelebt haben muß, hatte ich
damals als Archiprimas bezeichnet; Klaatsch nennt sie jetzt
Primatoid. Für die gemeinsame, viel jüngere Stammform der
Anthropomorphen (Menschen und Menschenaffen) hat Dubois den
passenden Namen Prothylobates vorgeschlagen. Der heutige
Hylobates stand demselben näher als die drei anderen, heute noch
lebenden Anthropoiden. Keiner von diesen kann als der absolut
menschenähnlichste Affe bezeichnet werden. Der Gorilla steht
dem Menschen am nächsten in der Bildung von Hand und Fuß,
der Schimpanse in wichtigen Charakteren Uder Schädelbildung,
der Orang in der Gehimentwickelung und der Gibbon in der
Entwickelung des Brustkastens. Selbstverständlich gehört kein
einziger von allen diesen noch lebenden Menschenaffen zu den
direkten Vorfahren des Menschengeschlechts; sie alle sind letzte
zerstreute Ueberbleibsel eines alten Catarrhinenzweiges, aus dem
als ein besonderes Aestchen nach einer eigenen Richtung hin
sich das Menschengeschlecht entwickelt hat.
Obgleich nun das Mens cheng e s chl e cht (Homo) sich ganz
unmittelbar an diese Anthropoidenfamilie anschließt und direkt
aus derselben seinen Ursprung genommen hat, so können wir
doch als eine wichtige Zwischenform zwischen Prothylobates und
dem Menschen (und als die 29. Stufe unserer Ahnenreihe)
hier noch die Af f enmens chen (Pithecanthropi) einschalten.
Mit diesem Namen hatte ich in der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“
(1868, S. 507) die ^sprachlosen Urmens chen
(Alali)“ belegt, welche zwar in der allgemeinen Formbeschaffenheit
(namentlich in der, Differénziérung der Gliedmaßen) bereits
als „Menschen“ im gewöhnlichen Sinne auftraten, dennoch aber
einer der wichtigsten menschlichen Eigenschaften, nämlich der
artikulierten Wortsprache und der damit verbundenen höheren
Begriffsbildung, ermangelten, entsprechend also auch eine primitivere
Bildung des Gehirns besaßen. Die phylogenetische Hypothese,
die ich damals von der Organisation dieses „Affenmenschen“
aufstellte, fand 24 Jahre später ihre glänzende Bestätigung durch
die berühmte Entdeckung des fossilen Pithecanthropus erectus
von Eugen Dubois (damals Militärarzt in Java, später Professor
in Amsterdam). Derselbe fand 1892 bei Trinil, in der Residentschaft
Madiun auf Java, in pliocänen Ablagerungen eingeschlossen,
Reste eines großen, höchst menschenähnlichen Affen (Schädeldach,
Oberschenkel, Zähne), die von ihm als „aufrecht gehender Affenmensch“
bezeichnet und direkt als Ueberreste einer „Stammform
des Menschen“ gedeutet wurden (Fig. 338). Naturgemäß erregte
dieser Pithecanthropus erectus, als die vielgesuchte „Ue b e r -
g ang s fo rm vom Af f e n zum Mens chen“ , das höchste
Interesse; denn in
ihm • war tatsächlich
das „fehlende
Zwischenglied“ zwischen
beiden, das
vielvermißte „missing
link“ gefunden.
Es knüpften sich
daran hochinteressante
wissenschaftliche
Diskussionen
auf den drei letzten
großen internationalen
Zoologenkongressen
(1895 in
Fig. 338. Schädel des fossilen Affenmenschen
von Java (Pithecanthropus erectus), restauriert von Eugen
Dubois. (Vergl. Taf. XVII.)
Leyden, 1898 in
Cambridge, 1901 in Berlin). An dem englischen Kongresse in Cambridge
habe ich selbst aktiven Anteil genommen und kann daher
bezüglich alles Näheren auf meinen dort gehaltenen Vortrag verweisen:
„Ueber unsere gegenwärtige Kenntnis" vom Ursprung des
Menschen“ (Bonn 1898, 7. Aufl. 1898).
Eine umfangreiche und wertvolle Literatur hat sich über den
Pithecanthropus und über die daran geknüpfte Pithecoidentheorie
im Laufe der letzten zehn Jahre entwickelt. Zahlreiche bedeutende
Anthropologen, Anatomen, Paläontologen und Phylogenisten haben
sich erfolgreich daran beteiligt und dabei die wichtigen Aufschlüsse
der neueren prähistorischen Forschungen verwertet. Eine
gute Uebersicht über deren wichtige Ergebnisse, durch zahlreiche
schöne Abbildungen illustriert, hat Hermann Klaatsch in dem
vorher erwähnten Werke gegeben. Ich verweise auf dasselbe, als auf
eine wertvolle Ergänzung meiner Anthropogenie, um so mehr, als